Feuilleton

Alchemie und Kunst

Die Faszination der Goldmacherkunst von den Anfängen bis heute

Der „Kunstpalast“ in Düsseldorf zeigt bis zum 10. August die Sonderausstellung „Kunst und Alchemie“. In zwei Abteilungen thematisiert sie die Alchemie des 16. und 17. Jahrhunderts sowie moderne Kunstwerke, in denen das Gedankengut der Alchemie zum Ausdruck kommen soll.

Die Alchemisten waren nach ihrem Selbstverständnis sowohl Philosophen („Weise“) als auch Künstler. Sie wollten die seltsamen Verwandlungen, die sich in der Natur vollziehen, verstehen, und sie wollten mithilfe dieses Wissens bestimmte Wandlungsprozesse selbst in Gang setzen; insbesondere wollten sie durch die sogenannte Transmutation unedle Metalle in Gold verwandeln. Dabei sollte ihnen der „Stein der Weisen“ behilflich sein. Der klassische Arbeitsplatz des Alchemisten, das Laboratorium, war sowohl ein Ort der Naturforschung als auch der Produktion. Soweit die Idee und der zur Schau getragene Anspruch – in Wahrheit war das Leben der meisten Alchemisten weniger erhaben. Es gab kaum einen unter ihnen, der seine Auftraggeber und die Öffentlichkeit nicht zu täuschen versuchte und z.B. wider besseres Wissen vorgab, im Besitz des Steins der Weisen zu sein und eine Transmutation vollführen zu können. Viele Alchemisten mussten für ihre Scharlatanerie mit Kerkerhaft oder gar mit ihrem Leben büßen.

Die Alchemisten als vermeintliche Meister einer geheimnisvollen Kunst weckten auch das Interesse anderer Künstler. Maler und Kupferstecher haben Alchemisten bei der Arbeit beobachtet und im Bild festgehalten, oder sie haben in allegorischen Darstellungen das Wesen der Alchemie mitzuteilen versucht. So finden wir in der Düsseldorfer Ausstellung ein Dutzend Darstellungen des Typs „Alchemist im Laboratorium“, die bekanntesten darunter von niederländischen Künstlern wie Jan van der Straet (Stradanus), Pieter Brueghel und David Teniers.

Chemiatrie im Apothekenlabor

Die historische Nähe der Alchemie zur Pharmazie manifestierte sich sowohl in zahlreichen chemiatrischen Arzneimitteln, die von dem Arzt Theophrast von Hohenheim genannt Paracelsus (1493– 1541) und seinen Anhängern, den Paracelsisten, in den Arzneischatz eingeführt worden waren, als auch in der Ausstattung der Apotheken mit einem (alchemistischen) Laboratorium.

Dies wird in der Ausstellung mit einem Gemälde der Delfter Apotheke „In de Spiegel“ (um 1670) dokumentiert: Durch eine Türöffnung ist ein kleiner, aber dennoch beeindruckender Ausschnitt eines solchen Labors erkennbar. Der Maler Cornelis de Man war ein Vetter des Apothekenbesitzers, der im Vordergrund porträtiert ist und sich als Respektsperson zu inszenieren wusste.

Das harte Los eines Alchemisten: Alles verloren

Doch mancher Alchemist, der nicht das Zeug zum Betrüger hatte, sondern unbeirrt an seine „Kunst“ geglaubt hat, hat sich durch seine unausbleiblichen Misserfolge selbst in den Ruin getrieben. Pieter Brueghel der Ältere, wegen seiner derben Darstellungen des Volkslebens „der Bauernbrueghel“ genannt, hat das Unglück einer Alchemistenfamilie um 1550 in einer Zeichnung dargestellt, die sein gleichnamiger Sohn als Vorlage für ein Tafelbild verwendete: Der Alchemist sitzt in zerschlissener Kleidung vor der offenen Feuerstelle und hantiert an einem Schmelztiegel, in den er vermutlich die Münze in seiner rechten Hand hineinwerfen will, um das Metall zu schmelzen und zu transmutieren. Rechts neben ihm hockt seine Frau und schüttelt ihre geöffnete Börse, aus der kein Geldstück mehr herausfällt. Drei kleine Kinder spielen unbekümmert im Hintergrund. Wie es mit dieser Familie weitergeht, zeigt ein Blick aus dem Fenster: Gemeinsam ziehen sie ins Armenhaus. Den Unsinn der Alchemie symbolisieren ein Laborant mit Narrenkappe, der mit einem Blasebalg in einen dampfenden Topf bläst, der vermutlich kurz zuvor vom Feuer genommen worden ist, und ein Gelehrter, der mit seinem Zeigefinger auf das Wort „AL GHEMIST“ in dem vor ihm aufgeschlagenen Buch deutet. Das Wort kann sowohl „Alchemist“ als auch „alles gemisst“, „alles verloren“ bedeuten und soll hier wohl beides zugleich bedeuten: Wer sich der Alchemie ergibt, dem ist nicht mehr zu helfen.

Romantische Verklärung der Alchemie

Auf einem Gemälde, das stilistisch an die Werke von Carl Spitzweg erinnert, schildert der Franzose François-Marius Granet um 1820 rückblickend eine Szene in einem Alchemistenlabor, die geradezu das Gegenteil der Darstellung Brueghels ist: Der Alchemist ist ganz allein, keine Kinder tollen um ihn herum, nicht einmal ein Laborant steht ihm zur Seite. Die Ausstattung des gewölbten Raums, der sich vermutlich in einem Schloss befindet, ist kärglich und kann schon deshalb nicht so chaotisch sein wie bei Brueghel. Der Herd vor dem Fenster hat drei Feuerstellen, aber nur eine ist in Betrieb. Auf ihr steht eine Retorte, die durch ein langes Rohr mit einer Vorlage verbunden ist, die zur Kühlung in einem Wassertopf auf dem Fußboden steht. Ein Abzug ist nicht erkennbar; anscheinend soll das Fenster ihn ersetzen, zu diesem Zweck müsste es jedoch geöffnet sein. Dass es wahrscheinlich gar nicht geöffnet werden kann, darauf deuten die Spinnweben am Fensterrahmen hin. Alles in allem eine unrealistische, nostalgisch verklärende Darstellung der Alchemie, die zu Lebzeiten des Malers längst zur Chemie und damit zu einer exakten Naturwissenschaft gewandelt hatte.

Ausstellung

Museum Kunstpalast

Ehrenhof 4–5, 40479 Düsseldorf

Tel. (0221) 56642100; www.smkp.de

Geöffnet: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr

Katalog: Hirmer Verlag, 288 S., 39,90 €, Museumsausgabe 29,90 €

Weißes Gold

Ein „Zufallstreffer“ der Alchemie wird in der Ausstellung nicht verschwiegen: die Erfindung des Porzellans, des „weißen Goldes“. Dem verkrachten Apothekergehilfen Johann Friedrich Böttger, der wegen seiner alchemistischen Versuche aus Berlin nach Sachsen geflohen war, war es beschieden, in Meißen zusammen mit dem Physiker Walther von Tschirnhaus erstmals außerhalb von China weißes Porzellan herzustellen. Das geschah im Jahr 1709 – vor 305 Jahren – und führte zur Gründung der Meißner Porzellanmanufaktur. Drei Teekannen aus dem ersten Jahrzehnt ihrer Existenz zeugen davon, wie schnell die Künstler gelernt hatten, mit diesem neuen Werkstoff umzugehen. Sie imitierten sowohl chinesische Originale, schufen aber auch neue Kreationen, die an die Tradition der europäischen Keramik anknüpften. 

W. Caesar

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