Nachfrage bei der Wettbewerbszentrale

Melatonin als NEM: Wo sind die gesetzlichen Grenzen?

Stuttgart - 13.04.2022, 07:00 Uhr

Die Regale in den Drogeriemärkten sind voll mit Melatonin-Präparaten. (Foto: daz.online)

Die Regale in den Drogeriemärkten sind voll mit Melatonin-Präparaten. (Foto: daz.online)


Die Apotheken werden derzeit von Melatonin-Produkten überschwemmt, auch die Regale in den Drogerien sind voll. Die jeweiligen Präparate sind als Nahrungsergänzungsmittel, also als Lebensmittel auf dem Markt. Doch welche Grenzen gelten hier eigentlich bezüglich der Dosierung und welche gesundheitsbezogenen Aussagen sind zulässig? Wir haben bei der Wettbewerbszentrale nachgefragt.

Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel? Viele Apotheker dürften sich zunächst die Augen gerieben haben, als im Laufe des vergangenen Jahres zunehmend Melatonin-haltige Produkte in den Markt drängten. So wurden doch in der Vergangenheit entsprechende Mittel von Aufsichtsbehörden regelmäßig als Funktionsarzneimittel eingestuft, was ein Inverkehrbringen als NEM unzulässig macht. Melatonin-haltige Arzneimittel sind in Deutschland aber verschreibungspflichtig.

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Die Krux bei NEM ist jedoch, dass es sich jeweils um Einzelfallentscheidungen handelt. Für die Marktrücknahme von NEM sind nicht Bundesbehörden wie BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) und BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) zuständig, sondern die Lebensmittelüberwachungsbehörden der einzelnen Bundesländer. Damit diese eingreifen können, müssen die im Markt befindlichen Präparate von der Arzneimittelüberwachungsbehörde des Bundeslandes, in dem der jeweilige Hersteller beziehungsweise Vertreiber seinen Sitz hat, als Arzneimittel eingestuft werden. Eine Entscheidung, die dann aber nur für das konkrete Produkt maßgeblich ist. Und: Bis der jeweilige Sachverhalt geklärt ist, können die Präparate weiter vertrieben werden. Am Ende entscheidet also ein Gericht, ob eine relevante pharmakologische Wirkung und damit ein Arzneimittel vorliegt oder eben nicht und somit der Vertrieb als NEM zulässig ist.

Welche Health Claims sind erlaubt? 

Ob der aktuellen Schwemme an Melatonin-haltigen NEM haben wir bei der Wettbewerbszentrale nachgefragt, wie die aktuelle Rechtslage eigentlich ist und unter welchen Vorzeichen Melatonin als NEM auf den Markt gebracht werden kann. Die Wettbewerbszentrale verweist dabei auf die zugelassenen Health Claims der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Aktuell sind die folgenden beiden gesundheitsbezogenen Angaben für Melatonin in Lebensmitteln erlaubt.

  • „Melatonin trägt zur Linderung der subjektiven Jetlag-Empfindung bei“ 

und

  • „Melatonin trägt dazu bei, die Einschlafzeit zu verkürzen“

Vorgaben zur Dosierung

Neben den gesundheitsbezogenen Aussagen gibt es aber noch weitere Vorgaben. So darf erstere Angabe nur für Lebensmittel verwendet werden, die mindestens 0,5 mg Melatonin je angegebene Portion enthalten. Außerdem müssen die Verbraucher darüber unterrichtet werden, dass sich die positive Wirkung einstellt, wenn am ersten Reisetag kurz vor dem Schlafengehen sowie an den ersten Tagen nach Ankunft am Zielort mindestens 0,5 mg aufgenommen werden. Fehlt diese Information, ist die Angabe, dass Melatonin zur Linderung der subjektiven Jetlag-Empfindung beiträgt, unzulässig.

Die Aussage hinsichtlich der Verkürzung der Einschlafzeit darf nur für Lebensmittel verwendet werden, die 1 mg Melatonin je angegebene Portion enthalten. Hier müssen, damit die Angabe zulässig ist, die Verbraucher zudem darüber unterrichtet werden, dass sich die positive Wirkung einstellt, wenn kurz vor dem Schlafengehen 1 mg Melatonin aufgenommen wird.

Auf Basis dieser Health Claims geht man daher bei der Wettbewerbszentrale – wie die EFSA ja offensichtlich auch – davon aus, dass jedenfalls in niedrigen Wirkstoffmengen grundsätzlich eine Verkehrsfähigkeit als Lebensmittel besteht. In diese Richtung wiesen auch aktuelle Urteile des OLG Frankfurt am Main (Urt. v. 11.03.2021 – 6 U 2/15) sowie des OVG Münster (Urt. v. 28.10.2021 – 13 A 1376/17), heißt es gegenüber der DAZ.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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