Interview mit Sven Simons und Maximilian Achenbach

„Wenn genügend Apotheken bei gesund.de sind, kommt die Endverbraucher-App“

Stuttgart - 05.05.2021, 09:14 Uhr

Dr. Sven Simons und Maximilian Achenbach, Geschäftsführer von gesund.de, erzählen im Interview, welche Auswirkungen die Verschiebung de E-Rezepts auf ihre Pläne hat. (c / Fotos: gesund.de)

Dr. Sven Simons und Maximilian Achenbach, Geschäftsführer von gesund.de, erzählen im Interview, welche Auswirkungen die Verschiebung de E-Rezepts auf ihre Pläne hat. (c / Fotos: gesund.de)


Noventi und Phoenix haben mit gesund.de viel vor – es soll die „neue zentrale Gesundheitsplattform“ werden. Patient:innen sollen sich darüber in Zukunft nicht nur mit Vor-Ort-Apotheken und Arztpraxen, sondern auch mit allen anderen Akteuren des Gesunheitssystems vernetzen können. Noch vor dem Start des E-Rezepts soll die Endverbraucher-App gelauncht werden. Dieser wurde aber nun verschoben. Was bedeutet das für gesund.de und wie geht es weiter? Wir haben bei den Geschäftsführern Dr. Sven Simons und Maximilian Achenbach nachgefragt.

DAZ: Herr Dr. Simons, wie angekündigt tut sich jetzt im zweiten Quartal etwas bei „gesund.de“: Die Apotheken, die bisher „callmyApo“ und „deine Apotheke“ nutzten, dürfen nun nach und nach auf das neue Apotheken-Cockpit umziehen. Gleichzeitig hat die gematik allerdings bekanntgegeben, dass sich die bundesweite Einführung des E-Rezepts ins vierte Quartal 2021 verschieben wird. Inwiefern beeinflusst die E-Rezept-Verspätung den Zeitplan von „gesund.de“?

Simons: Für uns ist ausschlaggebend, dass wir Apotheken verlässlich zusagen, dass wir sie mit unserem Angebot handlungsfähig machen für den Zeitpunkt, in dem das E-Rezept in Deutschland eingeführt wird. Hier blicken wir vor allem auf den 1. Januar 2022, zu dem der Gesetzgeber nach wie vor diesen Service flächendeckend als Regelversorgung umsetzen möchte. Da es hierfür absolut sinnvoll ist, sich auf die sich verändernden Prozesse mit ausreichend zeitlichem Vorlauf vorzubereiten, halten wir an unserem Vorhaben fest, gesund.de mit umfassender E-Rezept-Funktionalität noch im zweiten Quartal dieses Jahres im Markt einzuführen. Auch wenn diese Funktion dann nach neuesten Aussagen der Gematik noch nicht täglich in den Apotheken zum Einsatz kommen dürfte, ist es sinnvoll, die Leistungserbringer frühzeitig vorzubereiten und ihnen somit einen strukturierten Übergang zu ermöglichen. Diese Übergangsphase bilden wir ja auch in der entsprechend langen kostenfreien Testphase für gesund.de Neukunden ab, die sich nun zeitnah für einen Beitritt entscheiden.

Mehr zum Thema

Herr Achenbach, was genau muss denn alles stehen, bevor sich „gesund.de“ den Patienten und Kunden letztendlich öffnen kann? Wird es eine entsprechende App auch erstmal ohne E-Rezept geben?

Achenbach: Wir beginnen nun aktuell mit der Anbindung von Apotheken an das gesund.de-Apothekencockpit. In einem ersten Schritt wird den bestehenden deine Apotheke und callmyApo Apotheken eine einfach gestaltete One-klick-Migration aus der bestehenden Backoffice-Lösung angeboten, anschließend erfolgt das Angebot zur Installation auch an alle weiteren Apotheken in Deutschland. Übrigens sind wir bereits mit mehreren Warenwirtschafts-Anbietern in konstruktiven Gesprächen, um die komfortable Integration in die Apothekensoftware schnellstmöglich umzusetzen, die zu Beginn zunächst in den Systemen der Awinta und ADG möglich sein wird. Sobald wir eine signifikante Anzahl Apotheken an das System angeschlossen haben werden, werden wir die Endverbraucher-App auf den Markt bringen, die zu Beginn in der ersten Version klassische Services einer Apotheken-Vorbestell-App anbieten wird, ergänzt um einige zusätzliche Features wie z. B. das zentrale Element einer elektronischen Gesundheitsakte in Zusammenarbeit mit DoctorBox sowie das Angebot unseres Telemedizin-Partners Zava. Und natürlich wird die gesund.de-App dann auch bereits eRezept-ready sein und damit vorbereitet auf die breite Umsetzung der elektronischen Verordnung.

Was fehlt gerade noch?

Welche Informationen und Regelungen sind in Ihren Augen noch zu klären im Hinblick auf das E-Rezept und weitere Telematikinfrastruktur-Anwendungen?

Simons: Wir schauen natürlich derzeit sehr gespannt auf die aktuellen Entwicklungen rund um den E-Rezept-Prozess, der aktuell noch vom Gesetzgeber final detailliert wird. Wir unterstützen ausdrücklich das Bestreben, die Verordnungsdaten von Patienten im Rahmen des Weges einer elektronischen Rezeptausstellung bis zur Einlösung in der Apotheke bestmöglich zu schützen. Gleichzeitig hoffen wir aber auch, dass die Gesetzeslage es deutschen Apotheken ermöglichen wird, gemeinsam angebotene digitale Mehrwerte dem Endverbraucher anzubieten. Diese Mehrwerte würden damit ergänzend zu den wertvollen Vor-Ort-Leistungen der Apotheken direkt dem Patienten zugutekommen und zugleich lokale Gesundheitsversorgung stärken. Hierfür gilt es einen klugen und vor allem sicheren Standard zu definieren, dem sich Leistungserbringer verpflichten müssen. Mit Blick auf die Telematikinfrastruktur vernehmen auch wir aktuell die Sorge, dass diese nicht pünktlich vollumfänglich zur Verfügung stehen könnten. Hier sind wir für die Anbieterseite der Apotheken sehr optimistisch, dass die notwendige Technologie in der zweiten Jahreshälfte flächendeckend eingerichtet werden wird und hören dies ebenso über die entsprechenden Fortschritte bei den weiteren Leistungserbringern.  

Noventi und Phoenix haben den Apotheken unter anderem zugesichert, dass keine Transaktionsgebühren für die Übertragung von E-Rezepten anfallen sollen. Erklären Sie uns bitte, was genau das bedeutet: Wird es solche Gebühren denn zukünftig geben? Ist so etwas überhaupt rechtlich in Ordnung?

Achenbach: Wir sagen klar zu, dass wir für das Übertragen von eRezepten über gesund.de keine Transaktionsgebühren erheben werden. Dies ist nach aktuellem Planungsstand auch zukünftig nicht geplant. Mit der juristischen Zulässigkeit solcher Gebühren haben wir uns bisher nicht befasst, da ein solches Erlösmodell für das Geschäftsmodell von gesund.de bereits frühzeitig in der Produktentwicklung ausgeschlossen wurde.

Mehr zum Thema

Zusammenschluss als Joint Venture

Pro AvO und Phoenix planen Mega-Plattform

Durch das Hinzukommen von Phoenix hatten Sie die Entwicklung der Apothekenplattform erstmal von den übrigen Pro-AvO-Partnern separiert. Für wann ist die Zusammenführung aller Beteiligten geplant?

Simons: Wie wir in den vergangenen Monaten auf Nachfrage immer wieder betont haben, geht es bei gesund.de nicht darum, ProAvO abzuschalten und etwas völlig Neues anzufangen, sondern darum, die Vision einer starken Allianz im deutschen Gesundheitsmarkt noch weiter auszubauen und alle Partner dabei mitzunehmen, die dieses große Ziel gemeinsam mit uns teilen. Wir sind hier nach wie vor auf einem sehr guten und konstruktiven Weg und sind optimistisch, das bestenfalls schon bald zusammenkommt was zusammengehört.

Was könnten die anderen ProAvO-Partner zu gesund.de beisteuern?

Was genau würden die Pro-AvO-Partner dann mit in das neue Joint Venture bringen?

Achenbach: Der Gesellschafterkreis der proAvO setzt sich aus Unternehmen zusammen, die substantielle Kenntnis des Gesundheitsmarkts, ein starkes Bekenntnis zur Apotheke vor Ort, Expertise in der Entwicklung von Produkten und Services rund um die Apotheke, starke Endverbraucherorientierung und technologische Innovationskraft mit sich bringen. Diese Kombination aus Qualitäten hat die Kraft der proAvO von Anfang an ausgezeichnet und ist nach wie vor ein gewichtiges Argument, auf solche Gestalter im Gesundheitsmarkt zu setzen.

Wie ist eigentlich zu bewerten, dass Curacado zwischenzeitlich innerhalb der Pro-AvO-Gesellschafter weitergegeben wurde?

Simons: Diesen Schritt zu kommentieren, steht uns nicht zu. Es handelt sich um eine Transaktion zwischen eigenständigen Unternehmen, die diesen Schritt offensichtlich wohlüberlegt gegangen sind. Jedenfalls können wir hieran nichts erkennen, das es in irgendeiner Art kritisch zu bewerten gibt.

Wie steht es aktuell um die Annäherung zwischen „Zukunftspakt Apotheke“ und „gesund.de“?

Achenbach: So unterschiedlich die Ansätze auch zurecht im Markt wahrgenommen werden, so eint doch beide Initiativen das Bekenntnis zur Stärkung der Gesundheitsversorgung vor Ort. Gesund.de steht generell für ein sehr integratives Vorgehen, solange die Grundsatzüberzeugung übereinstimmt, bestehende Versorgungsstrukturen nicht abzuschaffen und durch digitale Services zu ersetzen, sondern sie durch solche Mehrwerte aufzuwerten und zu stärken.

Welche neuen Partnerunternehmen warten als nächstes in der Schlange?

Simons: Wir haben mit gesund.de große Ziele und werden nach dem Launch der ersten Version eine multifunktionale umfassende Gesundheitsplattform fortlaufend weiterentwickeln, die nach und nach durch weitere Services für den Kunden ergänzt werden wird. Selbstverständlich kommen hier weitere Partnerschaften mit geeigneten Unternehmen generell in Frage und unser nun beginnendes Sichtbarwerden im Markt hat bereits zu der einen oder anderen hochinteressanten Nachfrage geführt.

Herr Achenbach, Herr Dr. Simons, vielen Dank für das Gespräch.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Apotheken werden angebunden – Endverbraucher müssen sich noch gedulden

gesund.de startet die Motoren

Nächster Schritt für die Gesundheitsplattform

Gesund.de launcht Endverbraucher-App

Noventi und Phoenix starten Gesundheitsplattform gesund.de

„Die Antwort auf Amazon“

Rx-Bestellungen mit drei Klicks

Mehrere App-Updates bei gesund.de

Gesundheitsplattform plant nächste Schritte

Gesund.de bald mit Endverbraucher-App und eigenem Magazin

Nun dreiköpfige Geschäftsführung

Peter Schreiner wird Chef von gesund.de

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.