Mythos Apotheke (Teil 5)

Sind Medikamente wegen der starken Apotheken-Lobby in Berlin so teuer?

Berlin - 21.12.2020, 09:15 Uhr

Profitieren die Apotheken von ihrer starken Lobby in Berlin? (Foto: imago images / Schöning)

Profitieren die Apotheken von ihrer starken Lobby in Berlin? (Foto: imago images / Schöning)


Die Apotheken verdienen sich eine goldene Nase an teuren Medikamenten. Grund dafür ist ihre starke Lobby in Berlin, die für sie ein Geschenk nach dem nächsten herausschlägt. Vorurteil oder Wahrheit? Dieser Frage ging das Autorentrio Kaapke/Kleber-Herbel/Hüsgen in seinem Buch „Mythos Apotheke“ nach.

Seit vielen Jahren bestehe der Eindruck, dass Apotheken eine besonders starke Lobby gegenüber Politik und Krankenkassen hätten, schreiben Andreas Kaapke, Nina Kleber-Herbel und Uwe Hüsgen in ihrem Buch „Mythos Apotheke – Zwischen Vorurteilen und Wahrheit“. Was ist dran? „Woher diese Mutmaßung rührt, ist nicht eindeutig nachvollziehbar“, halten die Autoren fest. „Sicherlich spielt hierbei aber eine Rolle, dass Apotheker in der Wahrnehmung vieler gut verdienen und dass die Endverbraucher auch vermuten, dass bei den zahlreichen Gesundheitsreformen nur eine Gruppe der Leistungserbringer im Gesundheitswesen ungeschoren davongekommen ist: die Apotheker.“

Die Wahrheit sehe jedoch anders aus, so Kaapke/Kleber-Herbel/Hüsgen. „Allein die Zahl der Kostendämpfungsgesetze in der Gesundheitswirtschaft zeigt auf, dass es mit der Lobby der Gesundheitsberufe insgesamt nicht so weit her sein kann, da nahezu alle Reformen der letzten Jahre in erster Linie kostendämpfenden Charakter hatten und weniger substanzielle Themen aufgriffen.“ Es seien Vergütungen gekappt und zusätzliche Aufgaben aufgebürdet worden, ohne dass damit eine entsprechende Vergütung einhergegangen wäre.

Seit dem Jahr 2004 seien zahlreiche gesetzliche Änderungen erfolgt, die unmittelbar auch die Apotheken betroffen hätten. Als Beispiel nennen die Autoren die Einführung der Rabattverträge im Jahr 2007. „Oft ergibt sich hieraus ein erhöhter Beratungsaufwand in der Apotheke, da (nach wie vor) viele Kunden irritiert reagieren, wenn sie ein anderes als das ihnen bekannte Präparat ausgehändigt bekommen." Ein weiteres Problem: Die Apotheken müssen wegen der Rabattverträge der Kassen mit den Herstellern mehr Ware vorrätig halten als vor 2007 oder ihre Kunden bis zur nächsten Lieferung des Großhandels vertrösten.

Auch Großhandelskürzungen treffen Apotheken

Indirekt wirten sich auch Honorarkürzungen für die pharmazeutischen Großhändler, etwa infolge des GKV-Modernisierungsgesetzes und des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG), auf die Ertragssituation der Apotheken aus. „Diese führten dazu, dass die bis dahin gewährten Rabatte an die Apotheken durch die Großhändler gekürzt werden mussten, um selbst rentabel wirtschaften zu können.“ Die Apotheken, so Kaapke/Kleber-Herbel/Hüsgen, hätten zuvor mit den Preisnachlässen der Großhändler in „durchaus stattlichen Höhen“ kalkuliert, sodass deren Kürzungen auch die Apothekenbetriebe stark getroffen haben. Hinzu kommt demnach, dass die Vergütung der Apotheken seit vielen Jahren der Inflation hinterherhinke.

Überraschenderweise habe das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit dem VOAASG trotz des im Jahr 2016 veröffentlichten 2hm-Gutachtens eine teilweise Neustrukturierung der Vergütung der Vor-Ort-Apotheken und eine Honorierung neuer pharmazeutischer Dienstleistungen angestoßen. „Insbesondere die avisierte Honorierung der Dienstleistungen ist grundsätzlich positiv zu bewerten, da dies eine neue Säule in der Vergütung darstellt“, heißt es in dem Buch. Offen sei derzeit noch, welche Leistungen genau vergütet werden sollen. „Das Problem dabei: Wie kann bei der Aufstellung eines entsprechenden Dienstleistungskatalogs sichergestellt werden, dass alle Apotheken (gleichermaßen) in der Lage sind, diese Dienstleistungen mit Blick auf den zeitlichen (Mehr-) Aufwand und das erforderliche Fachpersonal zu erbringen?“ Inwiefern diese Säule des Apothekenhonorars allen Betrieben zugutekommen könne, bleibe unklar.

EuGH-Urteil sorg für Schieflage

Darüber hinaus führt das Trio das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 an. Darin hatten die Luxemburger Richter die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel zugunsten europäischer Versandhändler gekippt, während Apotheken mit Sitz in Deutschland sich weiter daran halten müssen. „Ein fairer Wettbewerb zwischen deutschen Apotheken und ausländischen Versandapotheken ist auf dieser Grundlage wohl kaum möglich“, schreiben Kaapke/Kleber-Herbel/Hüsgen.
 

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Von Andreas Kaapke / Nina Kleber-Herbel / Uwe Hüsgen

Mythos Apotheke

Zwischen Vorurteilen und Wahrheit

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Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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