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Debatte zur Forderung nach Wegfall des Kassenabschlags und den Konsequenzen

Die Existenzberechtigung des Kassenabschlags wird unter Apothekern seit jeher heiß diskutiert. Auf der Wirtschafts-Interpharm in Hamburg wurde diese Diskussion durch den renommierten Ökonomie-Professor Dr. Andreas Kaapke noch weiter angeheizt, als er die heutige Form des Kassenabschlags als Skandal bezeichnete: "Ein Rabatt ist eine Goutierung einer besonderen Leistung, zum Beispiel eines großen Bestellvolumens. Was möchte die GKV eigentlich rabattiert haben?" Die schnelle und sichere Zahlung erlaube eigentlich nur eine Skontierung – dabei komme man bei einem durchschnittlichen Arzneimittelwert von ungefähr 31 Euro [pro verordneter Packung] bei einem Skonto von drei Prozent auf einen Kassenabschlag von 1 Euro. "Bei einem Zwangsrabatt von 1,75 Euro verschlägt es mir den Atem", so Kaapke. Uwe Hüsgen, langjähriger Geschäftsführer des Apothekerverbands Nordrhein, stimmt Kaapke hier teilweise zu. Allerdings warnt er auch vor möglichen Folgen der Forderung nach Wegfall des Kassenabschlags. Was er im Detail hierzu anführt und wie die Antwort von Prof. Dr. Kaapke auf seine Einwände lauten, lesen Sie in der folgenden Debatte.
Uwe Hüsgen, langjähriger Geschäftsführer des Apothekerverbands Nordrhein, sieht einen Wegfall des Kassenabschlags kritisch. Die Folgen könnten seiner Ansicht nach existenzbedrohend sein. E-Mail: uwe.huesgen@web.de Foto: DAZ/Schelbert

Statement von Uwe Hüsgen

Die Gewährung des Kassenrabatts ist ökonomisch an der Höhe des Betrages auszurichten und – gesetzlich, vgl. § 130 Abs. 4 SGB V – an die fristgerechte Zahlung der Rechnung durch die Krankenkasse (innerhalb von zehn Tagen nach Rechnungseingang) gebunden. Die gesetzliche Regelung gilt dabei vom Prinzip her bereits seit mehr als 100 Jahren, erinnert sei nur an die "alte" Reichsversicherungsordnung (RVO). Von daher könnte auch ein totaler Wegfall des Kassenabschlags – und da sind wir uns einig – nicht gewollte, zugleich existenzbedrohende Folgen für Apotheken nach sich ziehen. Beispiele aus der deutschen Vergangenheit (von vor rund 100 Jahren), aber auch aktuelle Beispiele aus der EU, z. B. Griechenland, Portugal usw., sollten deshalb Warnung sein, einen totalen Wegfall des Kassenabschlags zu fordern – ohne das Ende zu bedenken.

Beim Kassenabschlag geht es zudem nicht nur um ökonomische, sondern auch – eingebettet in einen ordnungspolitischen Rahmen – um Aspekte der Sozialpolitik. Wie bekannt, dient der Kassenabschlag – ähnlich dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) und der Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ) – als Abgrenzungskriterium zwischen PKV und GKV. Auf Grundlage der GOÄ kann der Arzt seine gegenüber dem Privatpatienten erbrachte Leistung mit dem 1,3- bis 2,3-Fachen des "üblichen Honorars (EBM)" liquidieren. Und so lag auch der Festzuschlag je verschreibungspflichtigem Fertigarzneimittel (Rx-FAM) bei Umstellung der "alten" AMPreisV auf das Kombimodell bei Privatpatienten – mit 8,10 Euro – um etwa das 1,3-Fache über dem für GKV-Versicherte (von rund 6,38 Euro [unter Berücksichtigung von Kassenabschlag und MwSt.]). Bei dem bis 2003 gültigen Rabattsatz (von 5 % auf den Umsatz) machte das in etwa die gleiche Größenordnung aus. Wenn also der Wegfall des Kassenrabatts gefordert wird, erfährt (zumindest indirekt) auch die Forderung nach Abschaffung der Differenzierung zwischen PKV und GKV Unterstützung. Das kann man für richtig halten oder auch nicht; im Hinterkopf haben sollte man diese Problematik aber.

Bei jeder Änderung, Umstellung der AMPreisV (durch den Gesetzgeber) hat stets auch die Höhe des Kassenabschlags Berücksichtigung gefunden. Durch eigene, leidvolle Gespräche sowohl mit dem Wirtschafts- als auch mit dem Gesundheitsministerium ist mir schon Mitte der 1980er Jahre deutlich (gemacht) geworden, dass einem Fall des Kassenabschlags – bei unveränderter Trennung zwischen öffentlichem und Sozialrecht – zwangsläufig, weil ordnungspolitisch korrekt, eine Verminderung des Apothekenaufschlags (Festzuschlags) in etwa gleicher Größenordnung folgen wird, folgen muss.

Dass die Diskussion über die angemessene Höhe des Kassenabschlags heute eine völlig andere Dimension erreicht hat, liegt darin begründet, dass den Apotheken im Laufe der Jahre über das Sozialgesetzbuch (SGB V) immer mehr kostenträchtige Aufgaben zulasten der GKV aufgebürdet worden sind, die in dieser Form – zumindest bisher – nicht für apothekerliche Leistungen außerhalb der GKV Anwendung finden. Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an die Verpflichtung der Apotheken, rabattbegünstigte Arzneimittel zulasten der GKV abgeben zu müssen (vgl. § 130a Abs. 8 SGB V). Diese verpflichtende Leistung müsste an sich – ordnungspolitisch sauber, und damit außerhalb der AMPreisV und des Kassenabschlags – vertraglich zwischen den Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband geregelt werden, wie viele andere über das SGB V verordnete Zusatzleistungen der Apotheken auch (s. hierzu auch "Aufwand honorieren!" in DAZ 2013, Nr. 8, S. 24).

Jeder Eingriff in das diffizile System der Arzneimittelpreisbildung – innerhalb und außerhalb der GKV – muss deshalb wohl überlegt sein, denn selbst ein geringfügiges Anziehen oder Lockern von Stellschrauben kann ungeahnte Folgerungen bewirken. Dabei denke ich, dass sowohl die große Politik als auch die betroffenen Leistungserbringer dies manches Mal nicht in ausreichendem Maße würdigen, stehen aktuell – leider – ordnungspolitische Grundsätze, und das bei einem FDP-geführten Gesundheitsministerium, nicht gerade hoch im Kurs. Erinnert sei nur an die Verpflichtung der pharmazeutischen Unternehmen, auch der PKV einen Herstellerrabatt zu gewähren, die im Sozialgesetzbuch (siehe § 130a Abs. 1 – 3 SGB V) geregelt wurde. Kein Wunder, dass einzelne Hersteller diese Zahlungen verweigern mit der Begründung, dies sei nicht verfassungskonform. Ähnliche ordnungspolitische Fehltritte lassen sich auch an anderer Stelle finden, wie z. B. in § 17 (5) ApBetrO, wo in einer allgemeingültigen Verordnung auf niederrangigeres Recht (SGB V) verwiesen wird.


Prof. Dr. Andreas Kaapke, Inhaber der Prof. Kaapke Projekte, will der GKV nur einen Rabatt gewähren, dem auch eine entsprechende Gegenleistung gegenübersteht. In der jetzigen Form ist das aus seiner Sicht beim Kassenabschlag nicht gegeben. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de Foto: DAZ/Schelbert

Statement von Prof. Dr. Andreas Kaapke

Die Ausführungen von Uwe Hüsgen zum Thema GKV-Kassenabschlag teile ich in weiten Teilen, dies ist nicht weiter verwunderlich, da er in gewohnt präziser Art die Herleitung der Entstehung des Kassenabschlags klar darlegt.

Folgende Anmerkungen erscheinen mir aber zwingend notwendig. Zwischen Installierung des GKV-Kassenabschlags und seiner heutigen Exekutierung liegen je nach Betrachtungsweise mehr als 100 Jahre (siehe Statement von Uwe Hüsgen) oder aber zehn Jahre neue Regelung gemessen am GMG 2004. Zwischenzeitlich hat sich viel getan, die Unterscheidung in GKV und PKV betrifft nur noch einen Teil des Sortiments, gemessen an den Absatzzahlen rund 50 %, die anderen Sortimentsbestandteile liegen außerhalb dieser Unterscheidung. Es mag zu bestimmten Zeitpunkten auch sinnvoll gewesen sein, sicherzustellen, dass die Abrechnung gegenüber der PKV das 1,3- bis 2,3-Fache des GKV-Betrages ausmachen darf. Aber gilt dies heute noch? Ein altes Problem in der Gesamt-Vergütungssituation der Apotheken liegt gerade darin begründet, dass bestimmte denkbare Verhandlungs-Punkte nicht angefasst werden, da dies schon immer so war und bei anderen Punkten wird man teilweise vorgeführt.

Deswegen lautet eine zentrale Forderung, dass zunächst festgelegt werden sollte, was durch den GKV-Kassenabschlag aus Sicht beider Parteien faktisch abgegolten wird. Dies zu definieren und klar festzulegen, ist nach vielen Jahren der Irritation über die Höhe des GKV-Abschlags zwingend geboten. Allein schon der Nutzen, Klarheit in diesem Punkt zu erlangen, würde ein solches Vorgehen rechtfertigen. Vor dem Hintergrund der geringen Kompromissbereitschaft der Krankenkassen bei den Verhandlungen über die genaue Höhe des Abschlages in den Jahren 2009 und 2010 und die sich daran anschließende Unsicherheit in ökonomischer Hinsicht stellt sich zudem die Frage, warum die Apotheken beim Abschlag nicht auch neue Vorstellungen einbringen sollten. Dies wäre politisch durchaus opportun, denn die Kassen und der Gesetzgeber tun dies auch. Wenn die Erhöhung auf 2,05 Euro für die Jahre 2011 und 2012 als Sonderopfer bezeichnet wurde, haben der Gesetzgeber und die Kassen ja auch den politischen Willen zum Ausdruck gebracht, Apotheken an den gestiegenen Gesundheitskosten zu beteiligen. Die heutige Situation mit prall gefüllten Krankenkassen-Kassen sollte keinen Hohn und keinen Spott auslösen. Gut, dass es so gekommen ist, dies allein zeigt aber, dass die Höhe von 2,05 Euro nicht erforderlich war und ist. Falls aber der GKV-Kassenabschlag andere Motive hat wie z. B. die Stabilisierung des Systems und der Abschlag ist der Beitrag der Apotheken dazu, dann sollte dies auch so benannt werden. Alles andere ist unredlich.

Die komplette Abschaffung des GKV-Abschlags lehne auch ich ab, wenn sichergestellt wird, dass der Abschlag quasi als Skonto fungiert und – gemäß eines berechtigten Rabatts – die Leistung der Kassen zeitnah zu bezahlen honoriert. Die schnelle Zahlung durch die Krankenkassen leistet einen wichtigen Beitrag zur Liquidität der Apotheken und sollte nicht vorschnell geopfert werden. Ob man sich bei der Berechnung der Vorgehensweise von Uwe Hüsgen anschließt oder den Barzahlrabatt auf einen errechneten Durchschnittspreis von etwas über 30 Euro bezieht und darauf ein dreiprozentiges Skonto gewährt, spielt vor allem für die Höhe des Abschlages eine Rolle. Strenggenommen ist die zeitnahe Zahlungsweise gegenwärtig das einzige zu rabattierende Element, andere Elemente wie ein Großabnehmerrabatt verbieten sich aufgrund der Fakten. Zusätzliche Argumente wurden bislang nicht oder nur eingeschränkt geliefert. Das ansonsten anzutreffende Verhalten der Krankenkassen den Apotheken gegenüber lässt auch keine Spielräume für Funktionsrabatte erahnen, eher im Gegenteil, das Verhalten ist alles andere als geschmeidig zu bezeichnen und hat den Aufwand in den Apotheken eher erhöht.

Noch wichtiger erscheint es aber, in der Tat die Verhandlungen über die Vergütung ganzheitlich anzugehen. Die völlig voneinander unabhängig zu verhandelnden Themen Abschlag und Zuschlag führen dazu, dass man die Apotheken immer wieder ausspielen kann. Was ich beim Zuschlag zugebe, hole ich mir beim Abschlag wieder. Apotheken benötigen vor dem Hintergrund des extrem hohen Warenrisikos und der ansonsten auch hohen gesamten Handlungskosten Planungssicherheit hinsichtlich ihrer Vergütung, dies sollte vom Gesetzgeber in einer mit den Apotheken geführten gemeinsamen Verhandlungsrunde zu Ab- und Zuschlag geregelt werden. Und ansonsten sollten alte Zöpfe dann nicht kultiviert werden, wenn sie nicht mehr zeitgemäß sind. Das Damokles-Schwert im Sinne eines "passt auf, wenn ihr am Abschlag rüttelt, dann wirkt sich dies beim Zuschlag aus", ist einfach nur defensiv und gilt immer (Bangemann geh Du voran!). Das Credo muss lauten, wir wollen fair behandelt werden und einen Zuschlag erhalten, der unserer gegenwärtigen Leistung entspricht und der GKV gegenüber einen Rabatt gewähren, dem eine entsprechende Gegenleistung gegenübersteht. So ist es in allen anderen Wirtschaftsbereichen auch – ich sehe keinen Grund, warum dies bei Apotheken anders sein sollte.



DAZ 2013, Nr. 12, S. 54

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