EU-Pharmastrategie ist da

Krisenfeste Arzneiversorgung sichern

Remagen - 26.11.2020, 09:15 Uhr

EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides: Die europäische Arzneimittelindustrie soll „innovieren und florieren“. (Foto: imago images / Xinhua)

EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides: Die europäische Arzneimittelindustrie soll „innovieren und florieren“. (Foto: imago images / Xinhua)


Globale Lieferketten im Visier

Um die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der EU-Pharmaindustrie zu fördern, soll ein stabiles und flexibles Regelungsumfeld geschaffen werden, das Rechtssicherheit für Investitionen bietet und technologischen Trends Rechnung trägt. Auch die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz kommen zur Sprache, ebenso wie ein verbesserter Zugang zu Gesundheitsdaten als Grundlage für die Weiterentwicklung der personalisierten Medizin.

Autonomie bei der Arzneimittelproduktion

Der Aspekt der Versorgungssicherheit hat durch die COVID-19-Pandemie noch weiteren Schub bekommen. In den vergangenen Monaten hatte die Kommission mehrfach angeregt, die Produktion von Arzneimitteln und pharmazeutischen Inhaltsstoffen wieder nach Europa zurückzuholen. Um Engpässe zu verringern und die Abhängigkeit von der Produktion in Drittländern zu begrenzen, werden nun mit der Strategie strengere Verpflichtungen zur Transparenz bei Lieferungen und Lagerbeständen, eine frühere Meldung von Engpässen und Marktrücknahmen und eine stärkere EU-Koordinierung sowie Mechanismen zur Überwachung, Verwaltung und Vermeidung von Engpässen angekündigt. Die Kommission will hierzu zunächst in einen „strukturierten Dialog“ mit den Akteuren in der Wertschöpfungskette der Arzneimittelherstellung und den jeweiligen Behörden eintreten.

Welche Maßnahmen sind konkret geplant?

Zur Umsetzung der Arzneimittelstrategie legt die Kommission eine Agenda mit legislativen und nichtlegislativen Maßnahmen vor, die sie in den kommenden Jahren anstoßen will. Diese sind außerordentlich vielschichtig und betreffen das gesamte Arzneimittelökosystem. Als wichtige Leitinitiativen führt die Kommission die folgenden an:

  • die Überarbeitung der grundlegenden Rechtsvorschriften über Arzneimittel (angestrebtes Datum für einen Vorschlag: 2022) mit dem Ziel, diesen Rahmen zukunftssicher und innovationsfreundlich zu gestalten,
  • die Überarbeitung der Verordnungen über Arzneimittel für Kinder und für seltene Krankheiten,
  • die Förderung von Forschung und Innovation, insbesondere im Rahmen von Horizont 2020 und EU4Health,
  • die Schaffung einer soliden digitalen Infrastruktur, einschließlich eines Vorschlags für einen europäischen Raum für Gesundheitsdaten (angestrebtes Datum für einen Vorschlag: 2021),
  • Maßnahmen zur Förderung innovativer Ansätze für die Forschung und Entwicklung in der EU und die Vergabe öffentlicher Aufträge für antimikrobielle Mittel und ihre Alternativen,
  • die Zusammenarbeit der nationalen Behörden bei der Preisgestaltungs-, Zahlungs- und Beschaffungspolitik, um die Erschwinglichkeit und Kostenwirksamkeit von Arzneimitteln sowie die Tragfähigkeit des Gesundheitssystems zu verbessern,
  • die Einleitung eines strukturierten Dialogs mit und zwischen allen Akteuren der Arzneimittelherstellung und den Behörden, um Schwachstellen in der globalen Lieferkette kritischer Arzneimittel zu ermitteln und politische Optionen zur Stärkung der Kontinuität und Sicherheit der Versorgung in der EU zu gestalten,
  • einen Vorschlag zur Errichtung einer EU-Behörde für die Krisenreaktion bei gesundheitlichen Notlagen (Vorschlag: 2. Halbjahr 2021)

Was wollte die ABDA?

Die ABDA hatte in ihrem Positionspapier im Konsultationsprozess zur Europäischen Arzneimittelstrategie den Kampf gegen Lieferengpässe, den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten und mehr Kompetenzen für Apotheken in den Mittelpunkt ihrer Anliegen gestellt. Die Stärkung der Kompetenzen der Apotheken sei entscheidend, um Engpässe bei Arzneimitteln oder Desinfektionsmitteln abzufedern. Das habe sich während der COVID-19-Pandemie gezeigt. Apotheker kommen allerdings in dem neuen Strategie-Dokument der EU-Kommission nicht vor.

Zum Ende der Ratspräsidentschaft Deutschlands in der EU plant die ABDA am 1. Dezember 2020 die online Fachkonferenz „Lieferengpässe bei Arzneimitteln: Aufgeben? Lösungen finden!“.

Die Minister der EU-Staaten werden auf ihrem Ratstreffen „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ am 2. Dezember 2020 auf politischer Ebene über die Strategie beraten.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Versorgungslücke schließen?

von Benedikt Schneider am 26.11.2020 um 19:03 Uhr

Eine Idee wäre bspw die entstehenden Lücken in der Versorgung durch Herstellung dieser Medikamente zu schließen. Eine genossenschaftlich organisierte Wirkstoffherstellung für zB Levetiracetam oder sonstige Substanzen, die nur selten verfügbar sind. Dann wäre ein wichtiger Schritt der Wertschöpfungskette in Apothekerhand.

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