Interview mit gematik-Geschäftsführer Leyck Dieken

„EHealth-Tec wird zu keinem Zeitpunkt Betreiberverantwortung übernehmen“

Berlin/Stuttgart - 24.11.2020, 17:50 Uhr

Gematik-Chef Dr. Markus Leyck Dieken (hier ein Archivbild) sprach mit DAZ/DAZ.online über den Zuschlag für IBM Deutschland für den E-Rezept-Fachdienst – und deren Subunternehmer, die DocMorris-Schwester eHealth-Tec. (Foto: Marc-Steffen Unger)

Gematik-Chef Dr. Markus Leyck Dieken (hier ein Archivbild) sprach mit DAZ/DAZ.online über den Zuschlag für IBM Deutschland für den E-Rezept-Fachdienst – und deren Subunternehmer, die DocMorris-Schwester eHealth-Tec. (Foto: Marc-Steffen Unger)


Kontrolle nicht nötig

Dann kommen wir zurück zu den Tatsachen. Sie betonen, dass IBM der Vertragspartner ist und es kein Konsortium gibt. Wäre es nicht besser, wenn alle Beteiligten gleichwertig auf einer Ebene agieren und auch von der gematik kontrolliert werden? So überlassen Sie doch IBM die Aufsicht. 

Das ist unnötig. Wir haben die volle Kontrolle, weil wir bestimmen, was gebaut wird. Wir tasten jede Woche ab, wie genau unsere Spezifikation erfüllt wird. Zudem sind sämtliche Prozesse über die Plattform GitHub öffentlich einsehbar. Damit ist es völlig ausgeschlossen, dass jemand im Hintergrund etwas bewegt, was wir nicht mitbekommen würden. Daraus folgt auch, dass eHealth-Tec beziehungsweise DocMorris keinerlei Wissensvorsprung gegenüber anderen Marktteilnehmern haben wird, weil alle Programmierungen für alle öffentlich nachvollziehbar sind. 

Immer wieder gibt es Gerüchte, dass Amazon die Zur Rose-Gruppe kaufen möchte. Würde solch ein Ereignis etwas an Ihrer Einschätzung ändern? 

Nein. Ein Kauf der Zur Rose Gruppe durch Amazon hätte keinerlei Auswirkungen auf den Betrieb des E-Rezept-Fachdiensts. Er würde dem Konzern auch keine Einblicke ermöglichen, denn wie gesagt scheidet eHealth-Tec nach der initialen Phase vollständig aus dem Projekt aus. Insofern wäre eine Übernahme durch Amazon völlig irrelevant für das System. 

Noch einmal kurz zurück zur Vergabe: Woran ist das Angebot der Noventi gescheitert? 

Sowohl was die Wirtschaftlichkeit betrifft als auch in puncto Leistungsfähigkeit war IBM klar im Vorteil. Das Gerücht, Noventi sei wegen eines Formfehlers ausgeschieden, ist nicht wahr. Wir haben uns dennoch sehr gefreut, dass deutsche Apotheker an der Ausschreibung teilgenommen haben und ich glaube fest daran, dass die Apotheker unbedingt zusammenkommen und sich hinter dem roten A versammeln sollten. Es ist von großem Wert, in Zeiten der Digitalisierung eine so traditionsreiche und anerkannte Marke zu haben, die jeder Mensch sofort erkennt. 

Die Rechte am Apotheken-A trägt bekanntlich der Deutsche Apothekerverband. Dieser hatte seinerzeit eine eigens entwickelte Web-App vorgelegt, dennoch hat die gematik lieber selbst eine Anwendung entwickelt, in der sich das Konzept des DAV nicht wiederfindet. Warum? 

Wir wussten, dass der DAV eine webbasierte App programmiert. Das Problem daran ist, dass eine webbasierte Anwendung bezüglich der Voraussetzungen in der Telematik und auch nach den Vorgaben des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) keine schlüssige App-Plattform ist. Darüber haben wir den DAV zu gegebenem Zeitpunkt informiert und mitgeteilt, dass er dafür eine andere Plattform finden muss. 

Der DAV ist auch Gesellschafter in der gematik. Hätte die Expertise im Apothekenmarkt nicht auch von dort kommen können? Oder musste sie zwingend Teil der Ausschreibung sein? 

Die Gesellschafter der gematik haben jeden einzelnen Satz der Ausschreibung gekannt. Niemand kann sagen, er habe nicht gewusst, was wir spezifiziert haben. Die technischen Experten unserer Gesellschafter haben uns über Monate begleitet und jedem einzelnen Feature zugestimmt. 



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

alles gut

von Benjamin Schäfer am 24.11.2020 um 22:45 Uhr

Klar, wieso sollte auch E-Health Tech ein Interesse haben da mitzubasteln? Die geben ehrenamtlich Tipps an IBM wie so eine richtig digitale Apotheke funktioniert und ziehen von dannen. Da kann ich ja beruhigt weiter dj's stempeln. Danke Herr Dieken, dass sie das so schnell aufgeklärt haben. Wir paranoiden Apothekers mal wieder...

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Verraten und verkauft

von ratatosk am 24.11.2020 um 18:36 Uhr

Wenn man es sorgfältig liest, erkennt man, daß hier die Vernichtungsstratie von Spahn und Ministerium zugunsten der Versender und des Großkapitals weitergeht. Keine Verschlüsselung ! nee bei Gesundheitsthemen ist das nicht so wichtig, wenn es das Großkapital molestiert. Firmen scheiden wieder aus, aber das Wissen wird nicht weiterverwendet. So kann nur eine Apparatschik aus dem öffentlichen Bereich denken und argumentieren, der von der Wirklichkeit nichts weiß oder wissen will, da es im öffentlichen Bereich diese Art von Vernichtungskampf nicht gibt, da es dort nicht auf Effizienz und Marktineressen ankommt, siehe Herkules , Maut etc.
Leider sind stratigische Entscheidungen in D im öffentlichen Bereich völlig unbekannt. Vergabeverfahren wie im Bau führen ja auch zu den bekannten irren Ergebnissen auf Steuerzahlerkosten.

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