Brustkrebs, Eierstockkrebs, Basalzellkarzinom

Erhöhtes Krebsrisiko durch Haarefärben?

Stuttgart - 08.09.2020, 09:15 Uhr

Sowohl die Internationale Agentur für Krebsforschung, die Weltgesundheitsorganisation WHO als auch die FDA überwachen seit Jahren die Daten zur Sicherheit von Haarfärbemitteln. (s / Foto: focusandblur / stock.adobe.com)

Sowohl die Internationale Agentur für Krebsforschung, die Weltgesundheitsorganisation WHO als auch die FDA überwachen seit Jahren die Daten zur Sicherheit von Haarfärbemitteln. (s / Foto: focusandblur / stock.adobe.com)


Wie wirkt sich regelmäßiges Haarefärben auf das Krebsrisiko und die Sterblichkeit aus? Wissenschaftler fanden einen positiven Zusammenhang zwischen der Anwendung von permanenter Haarfarbe und Eierstockkrebs, Brustkrebs und Basalzellkarzinomen. Ein krebsbedingter Tod trat jedoch nicht häufiger auf als bei Frauen, die sich nie die Haare färbten.

Schätzungen zufolge färben sich 50 bis 80 Prozent der Frauen und 10 Prozent der Männer in Europa und den Vereinigten Staaten ab 40 Jahren die Haare. Man unterscheidet drei große Gruppen von Haarfärbemitteln: permanente Farbstoffe, temporäre Farbstoffe (Tönungen) und Naturfarbstoffe. Die aggressivsten und hinsichtlich ihrer möglicherweise krebserregenden Eigenschaften am besorgniserregendsten sind dauerhafte Haarfärbemittel. Sie sind – mit einem Marktanteil von 80 Prozent in Europa und den USA – auch am Beliebtesten.

WHO und FDA überwachen Daten zum Krebsrisiko von Haarfärbemitteln

Aufgrund der breiten Verwendung von Haarfärbemitteln könnte sich somit selbst eine nur minimale Erhöhung des Krebsrisikos spürbar auf die öffentliche Gesundheit auswirken: Sowohl die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC, International Agency for Research on Cancer), die Weltgesundheitsorganisation WHO als auch die oberste US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) überwachen aus diesem Grund seit Jahren die Daten zur Sicherheit von Haarfärbemitteln. Die IARC hatte bereits vor geraumer Zeit die berufliche Exposition von Haarfärbemitteln als „wahrscheinlich krebserregend“ (Gruppe 2A) eingestuft. Jedoch: Die persönliche Verwendung von Haarfärbemitteln könne hinsichtlich ihrer Kanzerogenität nicht klassifiziert werden, so die IARC. Die Sorge um die möglichen krebserregenden Eigenschaften von Haarfärbemitteln blieb und bleibt folglich bestehen. Eine Exposition mit möglicherweise kanzerogenen Stoffen beim Haarefärben erfolgt hauptsächlich über die Haut, aber auch über die Atemwege.

Neue Daten von 117.200 Krankenschwestern

Ob Haarefärben das Krebsrisiko erhöht – die Daten dazu sind widersprüchlich. Nun haben Wissenschaftler einen erneuten Anlauf genommen und anhand von Daten einer großen Kohortenstudie versucht zu analysieren, ob permanente Haarfärbemittel das Krebsrisiko und die Sterblichkeit beeinflussen: „Personal use of permanent hair dyes and cancer risk and mortality in US women: prospective cohort study“ erschien jüngst im British Medical Journal. 

Als Datengrundlage dienten 117.200 überwiegend weiße US-Krankenpflegerinnen der Nurses Health Study, die 36 Jahre lang beobachtet wurden.  

Nurses Health Study

Die Nurses Health Study ist eine laufende große prospektive Kohortenstudie, die 1976 begann und an der 121.700 US-Krankenpflegerinnen im Alter von 
30 bis 55 Jahren teilgenommen haben. Alle zwei oder vier Jahre erhalten die Teilnehmerinnen Fragebögen, unter anderem mit Fragen zur Ernährung. Die meisten Nachbeobachtungs-Fragebögen hatten mit über 90 Prozent hohe Rücklaufquoten. 

Ausgeschlossen wurden Teilnehmerinnen, bei denen bereits eine Krebsdiagnose vorlag oder die keine Angaben zur Verwendung von Haarfärbemitteln machten, sodass 117.200 Teilnehmerinnen zur Auswertung blieben. Um zu bewerten, in welchem Maß die Pflegerinnen permanenten Haarfärbemitteln ausgesetzt waren, wurden das Alter bei Erstfärbung, die Zeit seit der ersten Anwendung und die kumulative Dosis (berechnet aus Dauer und Häufigkeit der Anwendung) abgefragt. Fragen, die unter anderem beantwortet werden mussten, waren: „Wurde jemals ein permanentes Haarfärbemittel verwendet?“ und „Für wie viele Jahre wurden permanente Haarfärbemittel verwendet?“, „Wie oft benutzen Sie gegenwärtig permanente Haarfärbemittel?" und „In welchem Alter haben Sie zum ersten Mal eine permanente Haarfarbe verwendet?“.  

Alle zwei Jahre wurden die Daten aktualisiert, wobei die Expositionsanalyse bereits 1982 beendet wurde, das bedeutet: Bereits ab diesem Zeitpunkt wurde die Verwendung von Haarfärbemitteln nicht mehr neu abgefragt. Die Wissenschaftler unterschieden in ihrer Auswertung zwischen „Jemals-Anwender“ und „Niemals-Anwender" von Haarfärbemitteln. 

Keine Erhöhung der Sterblichkeit

Eine Botschaft der Wissenschaftler ist beruhigend: Sie fanden keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Dauer und Häufigkeit oder der kumulativen Dosis von Haarfärbemitteln und einem krebsbedingten Tod. Die Anwenderinnen hatten der Auswertung zufolge für die meisten Krebsarten kein erhöhtes Risiko – wie kutanes Plattenepithelkarzinom, Blasenkrebs, Melanom, Östrogenrezeptor-positiver, Progesteronrezeptor-positiver oder Hormonrezeptor-positiver Brustkrebs, Gehirntumore, kolorektales Karzinom, Nierenkrebs, Lungenkrebs oder dadurch bedingten krebsbedingten Tod. 

Erhöhtes Risiko für Eierstockkrebs, Brustkrebs und Basalzellkarzinome

Dennoch fielen einige Krebsarten auf: Das Risiko für ein Basalzellkarzinom (Basaliom, „weißer Hautkrebs“: bösartiger Tumor der Haut, der selten metastasiert) war für alle Anwender leicht erhöht, zudem war die kumulative Dosis Haarfärbemittel positiv mit dem Risiko von Östrogenrezeptor-negativem Brustkrebs, Progesteronrezeptor-negativem Brustkrebs, Hormonrezeptor-negativem Brustkrebs und Eierstockkrebs assoziiert.

Auch könnte den Ergebnissen der Wissenschaftler zufolge die natürliche Haarfarbe eine Rolle auf die Entwicklung von Krebserkrankungen haben: Ein erhöhtes Risiko für ein Hodgkin-Lymphom wurde bei Frauen mit natürlich dunklem Haar beobachtet (basierend auf 70 Frauen, 24 mit dunklem Haar), und ein erhöhtes Risiko für ein Basalzellkarzinom wurde bei Frauen mit natürlich hellem Haar beobachtet.

Sicherheit hinsichtlich der Bedenken

Die Wissenschaftler kommen dennoch zu dem Schluss: „Diese prospektive Kohortenstudie an überwiegend weißen US-Frauen gibt eine gewisse Sicherheit hinsichtlich der Bedenken, dass der persönliche Gebrauch von permanenten Haarfärbemitteln mit einem erhöhten Krebsrisiko oder einer erhöhten Sterblichkeit verbunden sein könnte.“ Sie ergänzen allerdings: „Wir fanden jedoch einen positiven Zusammenhang für das Risiko einiger Krebsarten, darunter Basalzellkarzinom, Brustkrebs (Östrogenrezeptor-negativ, Progesteronrezeptor-negativ, Hormonrezeptor-negativ) und Eierstockkrebs.“

Die Schwächen der Studie

Die Wissenschaftler weisen auf einige Schwächen der Studie hin. So waren die Teilnehmerinnen zu 96 Prozent hellhäutig und europäischer Abstammung. Eine Verallgemeinerung der Ergebnisse auf andere Ethnizitäten sei nicht möglich. Zusätzlich arbeiteten die Probandinnen alle als Krankenpflegerinnen und könnten so vorsichtiger beim Haarefärben gewesen sein als andere Menschen – indem sie die Anweisungen streng befolgten, die Einwirkzeit nicht überschritten, Handschuhe trugen und die Farbe gründlich abspülten –, so eine weitere Einschränkung. Die Wissenschaftler geben außerdem zu bedenken, dass Frauen, die sich die Haare färben, auch affiner für andere kosmetische Produkte sein könnten, die sodann ebenfalls kritische Chemikalien enthalten könnten.

Zusätzlich wurde nicht erfasst, ob die Frauen anderen krebsauslösenden Einflüssen ausgesetzt waren, wie Pestiziden, ob sie durch familiäre Krebserkrankungen genetisch vorbelastet oder mit onkogenen Viren infiziert waren (beispielsweise HPV). Auch weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass sich die Art der Haarfärbemittel kaum stratifizieren lässt und sich die Inhaltsstoffe über die Jahrzehnte geändert haben können. Zudem wurden die Auswertungen der Exposition gegenüber Haarfärbemitteln bereits nach wenigen Jahren in der Nachbeobachtungszeit eingestellt – manche Frauen könnten danach erst mit dem Färben begonnen oder zwischenzeitlich aufgehört haben. Einige Teilnehmerinnen könnten sich zudem falsch eingestuft haben, da ihnen der Unterschied zwischen dauerhaften Haarfärbemitteln und temporären Tönungen möglicherweise nicht geläufig war.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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