„Historischer Tag“

Afrika ist frei von Polio-Wildtyp

Berlin - 26.08.2020, 07:00 Uhr

Mithilfe der Schluckimpfung gegen Poliomyelitis und großer Impfkampagnen ist es gelungen, den Wildtyp des Virus in Afrika auszurotten. (c / Foto: imago images / Xinhua) 

Mithilfe der Schluckimpfung gegen Poliomyelitis und großer Impfkampagnen ist es gelungen, den Wildtyp des Virus in Afrika auszurotten. (c / Foto: imago images / Xinhua) 


In Afrika ist der Wildtyp des Poliovirus offenbar besiegt. Die jahrzehntelang gesammelten Erfahrungen können auch im Kampf gegen das Coronavirus helfen. Doch noch ist die Gefahr durch Polio weltweit nicht gebannt.

Nach Jahrzehnten des Kampfes ist Afrika frei von wildem Polio. Die unabhängige Africa Regional Certification Commission (ARCC) erklärte am Dienstag, dass in allen 47 Ländern der Afrika-Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Wildtyp des Poliovirus ausgerottet sei. „Heute ist ein historischer Tag für Afrika“, sagte die Leiterin der Kommission, Rose Leke. Dies ist der WHO zufolge nach den Pocken vor rund 40 Jahren erst das zweite Virus, das auf dem Kontinent ausgerottet wurde. „Nun müssen wir Polio endgültig beenden“, betonte die Chefin der WHO in Afrika, Matshidiso Moeti. Denn noch immer existiert auf dem Kontinent eine andere, seltene Form von Polio. Und zwei Länder weltweit kämpfen noch immer gegen das wilde Poliovirus: Afghanistan und Pakistan.

Polio galt jahrzehntelang als eine große Bedrohung für Kinder rund um den Globus. Die Krankheit greift das Nervensystem an und kann innerhalb von Stunden zur Lähmung führen, vor allem Kleinkinder unter fünf Jahren sind betroffen. Im Jahr 1988 beschloss die Weltgemeinschaft, die Krankheit auszurotten. Doch die Herausforderungen in Afrika waren gewaltig: Konflikte, schlechte Infrastruktur, Menschen auf der Flucht und Misstrauen gegenüber Impfungen erschwerten die Arbeit der Helfer.

Mandela brachte die Wende

Allein im Jahr 1996 lähmte das wilde Poliovirus laut der WHO mehr als 75.000 Kinder in Afrika. Jedes Land auf dem Kontinent war betroffen. Erst als Südafrikas Präsident Nelson Mandela im selben Jahr eine Kampagne startete, wurde die Krankheit in Afrika verstärkt bekämpft. Millionen von Impfungen wurden verabreicht. Laut Schätzungen der WHO ließen sich so rund 1,8 Millionen Fälle von Lähmung durch Polio verhindern.

Doch die globale Gefahr ist noch nicht gebannt – Pakistan und Afghanistan kämpfen noch immer gegen das Virus. „Wir haben bedeutende Fortschritte bei der Bekämpfung der Krankheit erzielt, konnten aber leider keine Polioausrottung im Land erreichen“, sagte der Koordinator der Polio Eradication Initiative in Pakistan, Rana Safdar. In dem Land wurden in diesem Jahr bisher 67 Fälle mit dem Polio-Wildtyp bestätigt, in Afghanistan waren es 37.

Große Probleme in Pakistan und Afhanistan

Der Kampf gegen Polio ist dort besonders schwer. Denn islamistische Extremisten verbreiten das Gerücht, der Westen wolle mit den Impfungen muslimische Kinder sterilisieren. Immer wieder werden Impfkampagnen von gewaltsamen Zwischenfällen überschattet. In diesem Jahr erschwerte vor allem die Coronakrise die Arbeiten: Wegen der Pandemie wurden in beiden Länder Impfkampagnen ausgesetzt, alleine in Pakistan fehlten dadurch Schätzungen zufolge rund 40 Millionen Kindern die wichtige Schutzimpfung gegen die Erkrankung.

Ziel: Ausrottung in zwei bis drei Jahren

Doch auch in Pakistan und Afghanistan gibt es Hoffnung. Michael Galway, der stellvertretende Leiter des Polio-Programms bei der Gates Foundation, glaubt, dass der Polio-Wildtyp dort innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre ausgerottet werden könne. Die Gates Foundation ist eine der Organisationen, die weltweit Polio bekämpft. „Innerhalb des nächsten Jahrzehnts werden wir hoffentlich jede Form von Polio beenden.“ 

Bis dahin besteht auch in Afrika weiterhin die Gefahr, dass wilder Polio durch einen importierten Fall zurückkehrt. „Polio irgendwo auf der Welt ist ein Risiko für jedes Land“, sagt Galway. Daher werden weiterhin Kinder geimpft, und die Krankheit wird verfolgt. Außerdem löst auch die Impfung selbst in vereinzelten Fällen eine bestimmte Form von Polio aus. Solche Fälle gibt es derzeit in 16 afrikanischen Ländern.

Das wahre Erbe des Programms: Helfer und Infrastruktur

Der Erfolg des Polio-Programms sei nicht nur die Ausrottung der Krankheit in Afrika, sagt Pascal Mkanda, der die Initiative bei der WHO Afrika leitet. Das Programm sei in Sachen Personal, Infrastruktur und Expertise größer als jedes andere Gesundheitsprogramm auf dem Kontinent. Bereits jetzt werden demnach Helfer und Infrastruktur für den Kampf gegen das Coronavirus eingesetzt. „Das ist das wahre Erbe des Programms. Das wird bleiben, lange nachdem Polio weltweit ausgerottet wurde.“



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