Adexa zum Weisungsrecht

Müssen angestellte Apotheker gegen Grippe impfen?

Stuttgart - 18.08.2020, 09:15 Uhr

Kann die Apothekenleitung ihre approbierten Apothekenmitarbeiter zwingen, Patienten im Rahmen der Modellprojekte gegen Grippe zu impfen? (s / Foto: fotoduets / stock.adobe.com)

Kann die Apothekenleitung ihre approbierten Apothekenmitarbeiter zwingen, Patienten im Rahmen der Modellprojekte gegen Grippe zu impfen? (s / Foto: fotoduets / stock.adobe.com)


Bislang geht es beim Thema Grippeschutzimpfungen in Apotheken vornehmlich um den Zwist mit Ärzten und die Entlohnung seitens der Krankenkassen – weniger um die Befindlichkeiten der Apotheken-Angestellten dabei. Doch nun ist Adexa-Juristin Minou Hansen folgender Frage nachgegangen: Können Apothekenleiter ihre Mitarbeiter verpflichten, im Rahmen von Modellprojekten Grippeimpfungen vorzunehmen?

Im Rahmen von Modellprojekten ist es Apotheken erlaubt, Grippeschutzimpfungen durchzuführen. Das vorrangige Ziel: Die Impfquote soll erhöht werden. Apotheken, die am Projekt des Apothekerverbands Nordrhein teilnehmen, erhalten dafür 12,61 Euro netto pro Impfung. Nun kann ein Apothekenleiter entscheiden, ob er Grippeimpfungen für seine Patienten anbieten möchte – ein angestellter Apotheker jedoch nicht.Hier ist nicht jede und jeder begeistert von der Idee, neben den ohnehin schon zahlreichen Aufgaben in der Apotheke eine weitere zu übernehmen, die zudem nicht einmal dem (bisherigen) Berufsbild entspricht“, sagt auch Minou Hansen, Juristin bei der Apothekengewerkschaft Adexa. Können Apotheken-Chefs ihre Mitarbeiter dazu verpflichten, Patienten gegen Grippe zu impfen?

Bis zur Änderung des Sozialgesetzbuchs V (§ 132j SGB V) in diesem Jahr war Impfen ausschließlich Ärzten vorbehalten. Wer bis dahin seine Ausbildung abgeschlossen hatte, sei mit dem Thema „Impfen“ nicht befasst gewesen, so Hansen. In manchen Berufsordnungen der Apothekerkammern wird das mittlerweile berücksichtigt, so in § 12 Berufsordnung AK Nordrhein. der am 17.06.2020 auf der Kammerversammlung mit den Stimmen der Delegierten geändert wurde:


Verbot der Heilkunde: Die Ausübung der Heilkunde, insbesondere die Ausübung dem Arzt vorbehaltener Tätigkeiten, ist unzulässig, es sei denn, sie ist Apothekerinnen und Apothekern durch oder aufgrund eines Gesetzes erlaubt.“

§ 12 Berufsordnung AK Nordrhein


(Zur Ergänzung: Die frühere Version des § 12 der Berufsordnung der AK Nordrhein lautete: „Verbot der Heilkunde: Die Ausübung der Heilkunde, insbesondere die Ausübung dem Arzt vorbehaltener Tätigkeiten, ist unzulässig. Die Mitteilung von Mess- und Referenzwerten sowie eine daraus resultierende Empfehlung, einen Arzt aufzusuchen, stellt keine Ausübung der Heilkunde dar, sofern kein konkreter Krankheitsbezug hergestellt wird.“)

Apothekenleiter kann Weisungsrecht ausüben

Welcher Aufgabenbereich einem angestellten Approbierten zufällt, sei im Arbeitsvertrag in den allermeisten Fällen nur pauschal mit „wird als Apothekerin angestellt“ vereinbart, so die Erfahrung der Juristin.

Hansen erklärt weiter: „Im Rahmen dessen, was zum Berufsbild einer Apothekerin gehört, kann die Apothekenleitung ein Weisungsrecht ausüben. Nach § 106 Gewerbeordnung (GewO) bestimmt der Arbeitgeber nach billigem Ermessen näher über Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung. Der Inhalt der Arbeitsleistung ergibt sich unter anderem aus dem Berufsbild – und dieses scheint im Wandel begriffen zu sein. Wenn die Apothekenleitung Aufgaben zuweist, muss sie sich an die arbeitsvertraglichen, tarifvertraglichen und gesetzlichen Regelungen halten.“

Apothekenleitung darf angestellte Apotheker verpflichten

Da es bislang für Apotheker unzulässig war, zu impfen, fänden sich in bestehenden Arbeitsverträgen keine Vereinbarungen wie „Impfungen müssen nicht durchgeführt werden“. Auch der derzeitige Bundesrahmentarifvertrag berücksichtigt keine entsprechende Regelung. Hansen sagt:


Die gesetzliche Grundlage für Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung in Apotheken ist mit dem neuen § 132j SGB V eingeführt worden, so dass eine Apothekenleitung angestellte Approbierte verpflichten dürfte, Impfungen vorzunehmen, soweit die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.“

Minou Hansen, Juristin und Rechtsexpertin der Adexa


Bei der Ausübung des Weisungsrechts müsse die Apothekenleitung allerdings die Grenzen billigen Ermessens einhalten – das bedeute: Die wesentlichen Umstände des Einzelfalls müssen der Juristin zufolge „abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden“.

Angestellter Apotheker hat kein Interesse an Impfungen

Und weiter: „Eine angestellte Apothekerin hat – zumindest in ihrer Rolle als Mitarbeiterin – meist kein eigenes Interesse an der Durchführung der Impfung, sofern ihr für diese Arbeit keine finanzielle Verbesserung angeboten wird.“ Ob es darüber hinaus persönliche oder berufspolitische Interessen von Angestellten gebe, sei an dieser Stelle dahingestellt, so Hansen. Hingegen dürfte die Apothekenleitung, so schätzt die Rechtsanwältin, „im weitesten Sinn wirtschaftliche Ziele verfolgen, auch wenn der Einstieg noch nicht unbedingt lukrativ ist“. 

Warum will der Apotheker nicht impfen?

Hansen führt weiter aus, dass ein Arbeitnehmer, der nicht impfen möchte, „konkret darlegen“ müsste, warum er dies nicht tun will. „Wenn ihre nachvollziehbaren Gründe schwerer wiegen als die Interessen der Apothekenleitung, dürfte keine entsprechende Weisung erfolgen. So kann es sein, dass man überzeugte Impfgegner nicht wirksam anweisen kann, Impfungen durchzuführen.“

Eine gerichtliche Entscheidung gibt es zu dieser noch jungen Regelung nicht. Die Rechtsanwältin hofft ohnehin, „dass sich beide Seiten auch ohne die Hilfe der Arbeitsgerichte einigen können.“ Da Mitarbeiter, die nur widerwillig ihre Arbeit verrichteten, sicher nicht überzeugend in der Impfkundengewinnung seien. Wolle eine Apotheke die Chance nutzen, ein neues und honoriertes Leistungsangebot zu erschließen, sollte das Geld für die Schulungen besser in Mitarbeiter investiert werden, die den Weg begeistert mitgehen, so die Adexa-Juristin.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Gründe gegen das Impfen

von Dr. Arnulf Diesel am 20.08.2020 um 13:25 Uhr

Vielleicht hat der oder die Angestellte den Apothekerberuf gewählt, um ein berufliches Infektionsrisko (Nadelstich), welches mit dem Arztberuf eher einhergeht auszuschließen.
Weiterhin sollte ein angestellter Apotheker sehr gründlich prüfen, wie es mit der Haftung aussieht, sollte mal etwas schiefgehen. Deckt die Versicherung des Chefs tatsächlich Impfungen ab? Ist auch ausgeschlossen, daß die Versicherung trotzdem den Rückgriff auf den Angestellten versucht?

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Kommentierung z.zt. nicht möglich

von Conny am 18.08.2020 um 12:20 Uhr

Dann gehen wir einfach eins tiefer. Endlich zeigt mal jemand Rückrat.

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