Bevölkerungsschutzgesesetz 2.0

Bundestag macht Weg frei für mehr Corona-Tests

Berlin - 14.05.2020, 14:00 Uhr

Der Bundestag hat das zweite Bevölkerungsschutzgesetz beschlossen. (Foto: imago images / Spicker)

Der Bundestag hat das zweite Bevölkerungsschutzgesetz beschlossen. (Foto: imago images / Spicker)


Der Bundestag hat am heutigen Donnerstag das 2. Bevölkerungsschutzgesetz verabschiedet. Seitens der Opposition hagelte es Kritik – wenngleich Grüne und Linke auch gute Ansätze darin sehen. Unter anderem ist vorgesehen, die Tests auf SARS-CoV-2 auszuweiten. Dass die GKV für die Kosten aufkommen soll, verteidigten die Rednerinnen von Union und SPD. Sie versprachen, dass deshalb im Herbst über einen Bundeszuschuss gesprochen werden soll. Beschlossen ist nun auch: Wenn es nötig wird, kann das Pharmaziestudium in der Pandemie flexibilisiert werden.

Das zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite hat im Eiltempo das parlamentarische Verfahren durchlaufen: Keine vier Wochen ist es her, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den ersten Referentenentwurf vorgelegt hat, Ende April folgte dann die Beschlussfassung durch das Kabinett. Einige strittige Regelungen wurden aus dem ersten Entwurf entfernt: insbesondere jene zu einer Immunitätsdokumentation, aber auch die zunächst geplante Rechtsgrundlage für Modellprojekte zur automatisierten Arzneimittelabgabe auf Krankenhausstationen. Nach der ersten Lesung im Bundestag und einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags stand heute die abschließende Beratung auf der Tagesordnung des Plenums.

Ein wesentliches Ziel des Gesetzes ist, den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) zu stärken und die Testungen auf das neuartige Coronavirus auszuweiten – auch symptomunabhängig soll getestet werden können, insbesondere in Heimen und Krankenhäusern. Die Kosten für die Tests sollen von den Krankenkassen übernommen werden – auch wenn sie der ÖGD veranlasst. Zudem sind umfassendere Meldepflichten für Labore und Gesundheitsämter vorgesehen. Sie sollen überdies dauerhaft im Infektionsschutzgesetz verankert werden, bislang beruhte die Meldepflicht für SARS-CoV-2/COVID-19 auf einer Verordnung. Weiterhin sollen Pflegekräfte einen Bonus erhalten und pflegende Angehörige besser unterstützt werden. Geregelt wird zudem die Übernahme der Behandlungskosten für Intensivpatienten aus EU-Ländern.

Ein Erfolg für die ABDA ist, dass ihre Forderung zur Flexibilisierung des Pharmaziestudiums in Zeiten der epidemischen Lage von nationaler Tragweite aufgegriffen wurde. Das Bundesgesundheitsministerium wird nun ermächtigt, abweichend von der Approbationsordnung für Apotheker Zeitpunkte und Anforderungen hinsichtlich der Prüfungen, der praktischen Ausbildung und der Famulatur festzulegen und alternative Lehrformate vorzusehen. Entsprechendes wurde für Ärzte bereits beschlossen – für Zahnärzte ist dies ebenfalls im Zuge des 2. Bevölkerungsschutzgesetz vorgesehen. Anders als andere Ermächtigungsgrundlagen in § 5 Infektionsschutzgesetz, die der Regierung ermöglichen, Regelungen ohne Beteiligung des Parlaments und der Bundesrates zu treffen, läuft die Bestimmung zum Pharmaziestudium nicht schon am 31. März 2021 aus. Sie bleibt vielmehr bis zum Ablauf der Phase des Studiums in Kraft, für die sie gilt. Das neue Gesetz sieht im Übrigen weiterhin vor, dass die Regierung kurzfristig und zeitlich befristet in die Ausbildung verschiedener Gesundheitsfachberufe – auch der PTA – eingreifen kann. Hier geht es ebenfalls um Änderungen mit Blick auf die Dauer der Ausbildung oder der Nutzung von digitalen Unterrichtsformen.

Spahn: Das Virus verschwindet nicht, indem man es leugnet

Die Abgeordneten der Großen Koalition verteidigten das Gesetz bei der heutigen Parlamentsdebatte. Auch wenn man schon einen Etappensieg habe erreichen können, befinde man sich noch immer mitten in der Pandemie, betonte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Sabine Dittmar. Als Ärztin warne sie davor, Corona auf die leichte Schulter zu nehmen. Sie appellierte, „obskuren Verschwörungstherorien“ konsequent zu wiedersprechen. Beständig gebe es neue Erkenntnisse zum Virus – und daher sei es wichtig den ÖDG zu stärken und die Meldepflichten auszuweiten. Zudem gelte das Gebot: „testen, testen, testen“. Dittmar ging ebenso wie Karin Maag (CDU) auf die Kritik ein, dass die weitgestreuten und symptomunabhängigen Tests zulasten der Versichertengemeinschaft finanziert werden sollen. Beide räumten ein,  dass es sich hier um eine versicherungsfremde Leistung handele – doch man wolle jetzt auf bewährte und etablierte Strukturen zurückgreifen, um die Tests überhaupt kurzfristig zu ermöglichen. Spätestens im Herbst werde man über einen Bundeszuschuss sprechen, versprach Dittmar.

AfD: „Gesetz suggeriert permanente Krise“

Heftige Kritik am Gesetzentwurf kam vom AfD-Abgeordneten Robby Schlund, in dessen Wahlkreis Greiz gerade ein besonderer Anstieg von SARS-CoV-2-Infektionen zu beobachten ist. Schlund erklärte, wegen des früheren Uranbergbaus gebe es in der Region besonders viele Lungenerkrankungen bei über 50-jährigen. Doch mit den neuen Richtlinien des Robert Koch-Instituts würden die regionalen Reproduktionszahlen in die Höhe getrieben, was bei den Menschen Panik und Perspektivlosigkeit erzeuge. Schlund meint: Das neue Gesetz „suggeriert uns eine permanente Krise, die es gar nicht gibt“. 

Dass dem Bundesgesundheitsministerium durch das Gesetz zu weitreichende Befugnisse am Parlament vorbei eingeräumt werden, kritisierten Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) und Kirsten Kappert-Gonther (Grüne). Die Grünen-Politikerin sieht zwar „viele gute Zutaten“ im Gesetz, aber wenige weitere Regelungen „verderben den ganzen Brei“. Die Pandemiekrise dürfe nicht zu einer Demokratiekrise werden, betonte Kappert-Gonther. Harald Weinberg (Linke) erkennt ebenfalls Positives im Gesetz – aber auch „ungedeckte Schecks“. So sollte zum Beispiel aus Sicht der Linken die vorgesehene Prämie für Pfleger allen zukommen, die sich derzeit in Kliniken und Heimen um COVID-19-Erkrankte kümmern. Auch an den in Aussicht gestellten Bundeszuschuss für die Tests will Weinberg noch nicht glauben.

Stamm-Fibich verweist auf zeitliche Befristungen

Stamm-Fibich verteidigte die weitreichenden Ermächtigungen in Zeiten, da schnelles Handeln erforderlich ist, und verwies auf die zeitlichen Befristungen dieser Vorschriften. Minister Spahn äußerte sich grundsätzlich zur Politik der Bundesregierung: Man habe in Deutschland gemeinsam viel erreicht. Wo einige andere Länder überfordert waren, sei es in Deutschland gelungen, die Dynamik der Ausbreitung des Virus zu brechen. „Das macht uns demütig, nicht übermütig, aber es macht uns auch ein Stück stolz als Gesellschaft, als Gemeinschaft, als Nation“. Irritiert reagierte Spahn auf Schlunds Aussagen zu seinem Wahlkreis: In Greiz werde verstärkt in Heimen getestet und dadurch seien die Zahlen hier höher, so der Minister. Aber das könne kein Vorwurf sein. „Ein Virus wie dieses bekämpft man doch nicht, indem man es leugnet“, erklärte Spahn. Zugleich betonte der Minister aber erneut, wie wichtig die kontroversen Debatten seien.

Sämtliche Oppositionsparteien hatten diverse eigene Anträge rund um die Corona-Pandemie eingebracht. Sie wurden jedoch alle von der Mehrheit der Regierungskoalition abgelehnt. Über die Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses des Bundestags gab es eine namentliche Abstimmung.

Bereits am morgigen Freitag steht das – zustimmungspflichtige – Gesetz zur abschließenden Beratung auf der Tagesordnung des Bundesrats. Nach der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und der Verkündung im Bundesgesetzblatt kann es in Kraft treten.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Rechnen

von Peter am 15.05.2020 um 11:59 Uhr

Wer rechnen kann ist deutlich im Vorteil.
Wer sich vornehmlich bei Maischberger und Co. die Birne weich kochen lassen hat, sieht leider nicht, dass wir reichlich veräppelt worden sind.

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Das ist mir wirklich peinlich...

von Christian Timme am 14.05.2020 um 16:35 Uhr

Die starke Grippewelle 2017/2018 forderte 0,03% Todesfälle von 80. Mio. Einwohnern in Deutschland. Aktuell Corona 0,01% in D. In den USA sind es 0,03%. Das zur Pandemie... und das führt zur schwersten Rezession der Nachkriegszeit in Deutschland?

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