B. Hoffmann (Grüne) zum Klimaschutz in der versorgung

„Wir brauchen neue Regeln für den Versandhandel!“

Berlin - 02.10.2019, 07:00 Uhr

Die Grünen-Gesundheits- und Klimaexpertin Bettina Hoffmann erklärt im DAZ.online-Interview, dass sie für neue Regeln im Versandhandel einsteht, unter anderem eine gerechtere Steuerpolitik. Außerdem verlangt sie höhere CO2-Preise. (b/Foto: Grünen Bundestagsfraktion)

Die Grünen-Gesundheits- und Klimaexpertin Bettina Hoffmann erklärt im DAZ.online-Interview, dass sie für neue Regeln im Versandhandel einsteht, unter anderem eine gerechtere Steuerpolitik. Außerdem verlangt sie höhere CO2-Preise. (b/Foto: Grünen Bundestagsfraktion)


Hoffmann: Kein Steuerdumping bei Versandriesen

DAZ.online: Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um das zu ändern?

Hoffmann: Ein gesetzliches Abfallvermeidungsziel, ein Ende des Steuerdumpings bei Versandriesen, ein Vernichtungsverbot für neuwertige Retouren zum Beispiel.

DAZ.online: Insbesondere bei OTC-Arzneimitteln nutzen ja immer mehr Menschen den Versandhandel. Ist aus Ihrer Sicht vielleicht auch ein Umdenken in der Gesellschaft notwendig, damit die Leute wieder häufiger in die Apotheke gehen und so auch das Klima schützen?

Hoffmann: Ich glaube nicht, dass Appelle an einzelne Menschen das Problem lösen. Die Digitalisierung hält überall Einzug, das werden und wollen wir auch nicht verhindern. Es geht eher darum, die politischen Rahmenbedingungen an die neue Lage anzupassen. Wir wollen die Vor-Ort-Apotheke von innen stärken. Nicht, indem wir den Versandhandel verteufeln, sondern indem wir die Präsenzapotheke durch das Setzen neuer Schwerpunkte unverzichtbar machen. Nach wie vor ist die Apotheke der Ort, an den die Menschen zuerst gehen, wenn sie einen medizinischen Rat benötigen. Dieser einfache Zugang ist ungemein wertvoll, ebenso die Notfallversorgung auch am Wochenende oder an Feiertragen. Die Beratung und die pharmazeutische Expertise, die uns in der Präsenzapotheke geboten wird, kann kein Versandhandel der Welt bieten.

Zur Person

Bettina Hoffmann stammt aus dem hessischen Heimboldshausen und ist studierte und promovierte Biologin. Nach dem Studium arbeitete sie unter anderem in Laboren und befasste sich dort mit Mikrobiologie. Außerdem leitet sie seit 1999 eine Agentur für Planung und Kommunikation im Bereich Umwelt. Zwischen 2011 und 2017 war sie Beisitzerin im Landesvorstand und Frauenpolitische Sprecherin der Grünen in Hessen. 2017 rückte sie dann erstmals in den Bundestag ein, über die Landesliste ihrer Partei. In ihrer Fraktion ist sie derzeit Sprecherin für Umweltpolitik und Umweltgesundheit, sie ist Mitglied in den Ausschüssen für Gesundheit und Umwelt.

DAZ.online: Dann bräuchte man den Versandhandel doch eigentlich gar nicht …

Hoffmann: Fakt ist doch: Der Versandhandel ist für viele Menschen eine Entlastung. Ohne Zweifel ist es bequem von zu Hause aus genau das Produkt zu bestellen und sich liefern zu lassen, das man haben möchte. Etwa für mobilitätseingeschränkte oder chronisch kranke Menschen, die bestimmte Medikamente regelmäßig benötigen. Immer mehr junge Menschen verzichten auch auf ein eigenes Auto. Da ist es natürlich, dass sie sich häufiger etwas liefern lassen. Das ist nicht unbedingt schlecht.

DAZ.online: Im aktuellen „Klimapaket“ der Bundesregierung geht es ja an keiner Stelle um Lieferdienste oder den Versandhandel. Wie kommentieren Sie das? Würden Sie sich hier mehr Engagement wünschen?

Hoffmann: Ohne Zweifel muss die Bundesregierung mehr für den Klimaschutz im Logistikbereich tun, darauf warten wir seit Jahren. Es ist nicht nachvollziehbar, dass das Klimapaket der Bundesregierung für diesen Sektor keine Maßnahmen enthält, die schnell und wirksam sein werden. Treibhausgase, die beim Transport von Waren entstehen, brauchen ein Preisschild, der die gesellschaftlichen Kosten durch Schäden an der Gesundheit und am Klima abbildet. Das gilt insbesondere auch für den Versandhandel.

Hoffmann: Das Steuergefälle ist ein klarer Wettbewerbsnachteil für Apotheken

DAZ.online: Allerdings sitzen ja die größten Versender im Ausland und müssen hierzulande manche Steuern gar nicht bezahlen. Der „Zugriff“ deutscher Gesetzgebung ist somit ohnehin begrenzt. Ist das nicht ungerecht?

Hoffmann: Auf jeden Fall. Es ist ein klarer Wettbewerbsnachteil, wenn ein Versandriese weniger Steuern zahlt als die Apotheke um die Ecke. Deshalb muss jetzt auf EU-Ebene mit voller Kraft an der Einführung einer Digitalsteuer gearbeitet werden, wie sie Macron vorgeschlagen hat. Leider ist die Bundesregierung bei diesem Thema mehr Bremsklotz als Schrittmacher.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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8 Kommentare

Die Grünen verraten sich selbst wieder mal

von ratatosk am 02.10.2019 um 18:18 Uhr

Steuerunterschiede - ja und was tun die Grünen nichts !
Versand bequen - aha !

Das übliche Gewäsch, aber die Prozente geben den leeren Schwätzern eben recht

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Ich kann es nicht mehr hören!

von Stefan Haydn am 02.10.2019 um 17:25 Uhr

Auch hier wieder dieses unreflektierte "grüne Geschwätz"
E-Autos verursachen genauso Reifenabrieb wie Verbrenner, wenn nicht sogar noch mehr durch schnelleres Beschleunigen. Und Reifenabrieb ist der größte Feinstaubverursacher, aber immer die bösen Stickoxide.
Solange Strom für e-Autos nicht per Wind-Sonne-Wasser-Atomkraft erzeugt wird entstehen auch Stickoxide.
Man verlagert die nur, stört halt keinen von den "Grünen" getreu dem Motto "Aus den Augen aus dem Sinn".

Immer wird vom immobilen Patienten geschwurbelt, der wird schon längst vom Botendienst der Apotheke versorgt auf Wunsch!
Es geht beim online-Versand nur um Bequemlichkeit/Faulheit und maximales Sparen.
Es stände den Grünen gut dies nicht länger zu verleugnen oder schön zu reden!

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Gefährliche Öko-Diskussion ...

von Reinhard Herzog am 02.10.2019 um 10:42 Uhr

Ich wäre sehr vorsichtig, das Öko-Thema bei der Arzneimitteldistribution auf der Metaebene und nur auf der Basis von Viertel-Wissen zu überhöhen und den Versand aus reinem Konkurrenz-Beissreflex heraus von vornherein in die gewünschte Ecke zu stellen.

Wenn sich da mal jemand hinterklemmt und das sauber analysiert, droht womöglich eine noch ärgere Klatsche wie mit dem 2HM-Gutachten.

Die Zielgröße wäre eben der CO2- und Schadstoffausstoß sowie sonstiger Ressourcenverbrauch je Packung.

Und da sieht es für den stationären Handel gar nicht so gut aus. Mit zu berücksichtigen sind auch die Wege der Kunden.

Das Thema Verpackung ist sicher ein ernstes.
Bei Verzicht auf Kunststoffe sowie durch Einsatz recylebarer, naturnaher Materialien kann man dem jedoch auch die Spitze nehmen.

Kapitalagglomeration und Marktanteilsverschiebung in der Digitalwelt ("the winner takes it all ...") samt Konsequenzen für Steuern, lokale Infrastruktur, Arbeitsplätze etc. sind noch einmal eine ganz andere (Groß-)Baustelle ...

Vielschichtiges Thema, und am Ende eines der politischen Prioritätensetzung.

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AW: Gefährliche Öko-Diskussion

von Anita Peter am 02.10.2019 um 11:22 Uhr

Das Arbeiten mit falschen Parametern und falschen Annahmen nennen Sie eine Klatsche für uns?
Eine Klatsche ist es, dass die ABDA das Gutachten nicht in seine Einzelteile auseinandergenommen hat, bzw. kein Gegengutachten erstellen lies.

Grünes Missverständnis

von Reinhard Rodiger am 02.10.2019 um 10:12 Uhr

Frau Hoffmann denkt nicht an die Kleinbetriebe, die massgeblich für das Funktionieren sind.Sie sind Kernbestandteil der Infrastruktur.Eintreten für Diversität war mal ein Markenzeichen der Grünen.Ein Votieren für den Versand vor allem durch Verzicht auf Gleichbehandlung bedeutet die Umverteilung von Millionen zusätzlicher Einzellieferungen, die dafür sorgen,dass die Innenstädte noch mehr unter Druck kommen.Zweiseitig durch die Fahrzeuge der Liefersklaven und durch Abbau der Infrastruktur.Letzteres ist besonders auf dem Land wirksam und nicht mit Digitalsteuern zu verhindern, die dem Betrieb nicht zugute kommen.Falls sie überhaupt Realität werden.Nicht zu vergessen ist, dass der Versand gerade in Ballungsgebieten zunehmen soll.Die Langstrecken sind weniger rentabel.
Es braucht Regeln und Massnahmen gegen die desaströse Wirkung kapitalgesteuerter Verdrängungsstrukturen und Umverteilungsmechanismen zugunsten weniger.Gegen deren Förderung ist kein Kleinbetrieb überlebensfähig, vor allem, wenn seine Lebensbasis stetig aus Bequemlichkeit stetig verkleinert wird.Er soll sich kleinteilig bewähren, während seine Entfernung Kernpunkt der Politik ist.Apotheken sind nur sehr transparent zu sehen, wie unter dem Brennglas. Es zeigt den Zerstörungswillen des Kapitals.Der Brandbeschleuniger ist die Digitalisierung.Deren Hauptzweck ist Personalersparnis mit der Folge der Arbeitsverdichtung.Dies erhöht nachweislich die Fehlerquote.
Es ist einfach Heuchelei, von der Konkurrenzfähigkeit von Einzelunternehmen gegen fremdkapitalgesteuerte Oligopole
auszugehen.Die Freigabe des OTC-Versands hat die Ertragsstruktur der Apotheken nachhaltig gemindert und ist vergessene Mitursache des wirtschaftlichen Schiefstands.
Die erlebte Bevorzugung des Auslandsversands hat die gleiche Wirkung, denn die Prinzipien sind dieselben.

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Die Grünen

von Anita Peter am 02.10.2019 um 9:24 Uhr

Aufgrund der verheerdener CO2 Bilanz der Versender ( Umverpackung ! ) können die Grünen nur für ein RXVV sein. Alles andere ist heuchlerisch!

Da Frau Baerbock aber den Strom im netz speichern will, im Akku lauter Kobolde hat und ihr Kollege keinen blassen Schimmer von der Pendlerpauschale hat, erwarte ich von den Grünen nichts Substantives.

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Resumee

von Roland Mückschel am 02.10.2019 um 9:15 Uhr

Was hat sie gesagt?
Nur Geschwätz.

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So weit, so gut...

von Beobachter am 02.10.2019 um 8:59 Uhr

Ich stimme in vielen Punkten überein. In einem Punkt bin ich allerdings anderer Meinung.
"Hoffmann: Fakt ist doch: Der Versandhandel ist für viele Menschen eine Entlastung. Ohne Zweifel ist es bequem von zu Hause aus genau das Produkt zu bestellen und sich liefern zu lassen, das man haben möchte. Etwa für mobilitätseingeschränkte oder chronisch kranke Menschen, die bestimmte Medikamente regelmäßig benötigen. Immer mehr junge Menschen verzichten auch auf ein eigenes Auto. Da ist es natürlich, dass sie sich häufiger etwas liefern lassen. Das ist nicht unbedingt schlecht."

Kranke müssen auch irgendwann zum Arzt. Und kommen mit Sicherheit an einer Apotheke vorbei. Genauso junge Menschen, die auf ein Auto verzichten. Das sind im Wesentlichen Menschen aus der Stadt, die aber auch irgendwie mobil sind. Sei es mit dem ÖPNV, Fahrrad usw. Zum Einkaufen kommen sie auch. Und die großen Supermörkte liegen meist am Rand der Stadt. Also geht es hier auch ohne Versandhandel. Und Medikamente sind wesentlich handlicher und kleiner zu transportieren, als ein Fernseher oder der Wocheneinkauf im Supermarkt.

Nein, den Versand von Medikamenten braucht man definitiv nicht. Es gibt überhaupt keinen Grund oder Notwendigkeit dafür.
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Liebe Grüne, warum versteht ihr das nicht? Es ist doch so einfach!

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