Positionspapier

CDU-Plan gegen Lieferengpässe: Regionale Rabattverträge

Düsseldorf - 25.09.2019, 13:15 Uhr

Die Lieferengpässe könnten zu einem der Top-Themen in der Gesundheitspolitik der kommenden Monate werden. (c / Foto: imago images / Uwe Steinert)

Die Lieferengpässe könnten zu einem der Top-Themen in der Gesundheitspolitik der kommenden Monate werden. (c / Foto: imago images / Uwe Steinert)


In der Politik bewegt sich derzeit einiges zum Thema Arzneimittel-Lieferengpässe. Im DAZ.online-Interview hat der CDU-Politiker Michael Hennrich kürzlich ein Positionspapier und einige Maßnahmenvorschläge angekündigt. Dieses liegt DAZ.online nun in einer ersten Fassung vor. Für die Apotheker ist insbesondere der Vorschlag interessant, dass Rabattverträge künftig regional und kassenübergreifend ausgeschrieben werden könnten. Damit will die Union es insbesondere Landapothekern erleichtern, die nötigen Arzneimittel zu beschaffen.

Die Lieferengpässe könnten zu einem der Top-Themen in der Gesundheitspolitik der kommenden Monate werden. Bei der heutigen Eröffnung der Expopharm in Düsseldorf forderte DAV-Chef Fritz Becker in einem emotionalen Appell weitreichende Änderungen in der Arzneimittelversorgung. Auch die Vertreter der anderen Verbände (Phagro, BAH, vfa) nahmen die Engpässe in den Fokus und riefen dazu auf, gemeinsam die Probleme zu lösen.

Und auch in der Politik bewegt sich derzeit etwas. Kürzlich hatte der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich in einem DAZ.online-Interview erklärt, dass er sich vorstellen könne, noch ins Apotheken-Stärkungsgesetz Maßnahmen zur Reduzierung von Lieferengpässen einzubauen. Hennrichs Ideen waren weitreichend, es ging um einen Export-Stopp für die gesamte Branche, um längere Lagerungen der Arzneimittel und um eine Abgabequote für Arzneimittel aus Europa. Nun liegt eine erste, noch nicht abgestimmte Version des Papieres vor. Erklärend heißt es dort zunächst: „Zurecht sind Patienten beunruhigt, wenn ihr gewohntes Arzneimittel in der Apotheke nicht erhältlich ist. Daher müssen wir Lieferengpässen von Medikamenten nachhaltiger vorbeugen und eine dauerhaft zuverlässige Versorgung mit sicheren Arzneimitteln gewährleisten.“

In Hennrichs nun aufgeschriebenen Vorschlägen, die er in den vergangenen Wochen mit Großhändlern, Apothekern und Herstellern besprochen hat, ist eine neue Idee enthalten, die insbesondere Apotheker auf dem Land entlasten soll. Konkret heißt es in dem Papier:

„Die Vielzahl der Rabattverträge führt mittlerweile dazu, dass gerade kleinere Apotheken im ländlichen Raum viel Zeit aufwenden müssen, die Medikamente von den unterschiedlichen Herstellern zu beschaffen. Das bringt hohe Logistik- und Transportkosten mit sich. Es ist daher zu prüfen, ob – soweit dies vergaberechtlich zulässig ist – das Rabattvertragssystem stärker regional zentralisiert werden kann. Vorbild könnten hier die Rabattverträge bei der parenteralen Zubereitung sein. Das würde bedeuten, dass Krankenkassen regional gemeinsam zu Ausschreibungen verpflichtet werden. Dies könnte die Vielzahl der abgegebenen Produkte bei oft identischen Wirkstoff verringern und damit den Transportaufwand auch im Sinne des Klimaschutzes reduzieren.“

Die weiteren Maßnahmen des CDU-Papiers finden Sie auf der nächsten Seite.

Das CDU-Papier: Von mehr Transparenz bis Export-Verbot als „ultima ratio“  

  • Mehr Transparenz über das Liefer- und Marktgeschehen: Das BMG soll aufgefordert werden, Maßnahmen zu ergreifen, die für eine größere Transparenz bei Lieferketten von pharmazeutischen Unternehmen über Großhandel bis hin zu den Apotheken sorgen. Auch die Einkaufssituation und Belieferung von Krankenhausapotheken muss berücksichtigt werden. Von besonderer Bedeutung ist hier auch der Export von Arzneimitteln, die eigentlich zur Versorgung der Patienten in Deutschland zur Verfügung stehen sollten, jedoch aufgrund der globalen Marktsituation in andere Länder exportiert werden. Bis heute sei nicht vollkommen nachvollziehbar, in welchem Umfang dies der Fall ist, so das Unionspapier.
  • Wie im Interview angekündigt, will die Union die Meldepflichten verbindlicher machen. Konkret müsse das beim BfArM etablierte System ausgebaut werden. Die bereits für Krankenhausapotheken bestehende Meldepflicht müsse auf versorgungsrelevante Medikamente für die ambulante Versorgung ausgedehnt werden. Drohende Lieferengpässe seien unverzüglich, auch bei sich lediglich anbahnenden Lieferschwierigkeiten, an das BfArM zu melden. Als Grundlage soll eine Definition des Lieferengpasses geschaffen werden: „Eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann.“
  • Eine nationale Arzneimittelreserve: „Hierunter versteht sich selbstverständlich keine statische Einlagerung von Medikamenten in zentralen Depots mit der entsprechend notwendigen Erneuerung des Bestands. Dies ist unpraktikabel und würde zu hohe Kosten verursachen“, erklärt die Union in ihrem Papier. Konkret solle eine Ausweitung der Vorhaltepflicht geprüft werden. In Kliniken solle diese von zwei auf vier Wochen erhöht werden. Eine ähnliche Frist solle auch für Apotheker und Großhändler geprüft werden. (Anpassung § 52b Abs. 2 AMG)
  • Ein Export-Verbot als „ultima ratio“: „Für versorgungsrelevante Arzneimittel, bei denen ein Lieferengpass festgestellt wurde, fordern wir als ultima ratio die Möglichkeit zur Verhängung von Exportbeschränkungen für Großhändler und Apotheken mit Großhandelserlaubnis nach § 52a Arzneimittelgesetz (AMG), die für die Versorgung der Patienten in Deutschland vorgesehen sind. Die Beschränkung würde gelten bis der Lieferengpass behoben wurde. Europarechtliche Regelungen stehen einer solchen Maßnahme nicht im Weg.“

Stärkung von Arzneimitteln „Made in Europe“

  • Die Ausschreibung von Rabattverträgen solle nur noch mehrfach stattfinden, heißt es weiter. Die Streichung der Exklusivverträge ist eine Forderung, die die Apotheker schon länger verfolgen. „Rabattverträge sollten nur ausgeschrieben werden, wenn mindestens drei Anbieter und zwei Wirkstoffhersteller vorhanden sind. Um die Vielfalt und damit eine weitere Unabhängigkeit zu gewährleisten, sollte die Vergabe grundsätzlich auf mindestens zwei unterschiedliche Anbieter verteilt werden“, heißt es in dem Unionspapier.
  • Ein weiterer Fokus des Unionspapiers besteht darin, die Produktion von Arzneimitteln wieder nach Europa zurückzuholen. „Rund 80 Prozent der Arzneimittelversorgung erfolgt generisch und die Zahl der Anbieter, die aufgrund des sehr niedrigen Preisniveaus noch am Markt sind, ist dabei nachweislich deutlich gesunken. Bestehende oder drohende Lieferengpässe von Arzneimitteln liegen häufig ursächlich bei diesen Wirkstoffherstellern auf anderen Kontinenten, insbesondere in Asien“, wird erklärt. „Die Union appelliert daher an die Bundesregierung: Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, die pharmazeutische Produktion in der Europäischen Union zu einem Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 zu machen.“
  • Von einer – wie im DAZ.online-Interview erklärten – Abgabequote für EU-Arzneimittel sieht die Union erst einmal ab. Wörtlich erklärt sie dazu: „Für eine Stärkung von Arzneimitteln ‚Made in Europe‘ sind grundsätzlich sehr vielfältige Ansätze denkbar, die wir jetzt debattieren sollten. Dabei sind auch die Spitzenorganisationen der Apotheker und der Krankenkassen gefordert im Rahmenvertrag Vereinbarungen zu treffen, die eine prinzipielle Abgabe von Arzneimitteln ‚Made in Europe‘ in einem vertretbaren Kostenrahmen zu privilegieren. Von einer gesetzlichen Vorgabe in Form einer Förderklausel sehen wir gegenwärtig ab.“
  • Allerdings könnten Hersteller in Zukunft davon profitieren, wenn sie in Europa produzieren, beispielsweise durch Vergünstigungen in den Ausschreibungen.

Nach Informationen von DAZ.online wird die AG Gesundheit der Unionsfraktion das Papier in den kommenden Tagen besprechen. Wird es beschlossen, könnte es schon in den nächsten Wochen Teil einer parlamentarischen Diskussion werden, beispielsweise im Rahmen des Apotheken-Stärkungsgesetzes.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Versteh ich nicht

von Karl Friedrich Müller am 25.09.2019 um 13:54 Uhr

Die Lieferschwierigkeiten sind unabhängig von den Rabattverträgen. Es sind auch genug ohne Vertrag betroffen.
„Regionale“ Rabattverträge nützen nichts, wenn es nichts gibt. Dramatisch bei Venlafaxin zum Beispiel.
Das Problem sind doch Politik und Krankenkassen, das mehrfach-Preis-Reduziersystem. Festbeträge, die ständig sinken, Rabattverträge, die ständig mehr werden, Erstattungsbeträge für Neueinführungen, Preisanker...
Das ist ein unglaubliches Preisdumpingsystem, das von den Herstellern durch Produktionsverlagerung ins Ausland erwidert wird und Verkauf an Länder, in denen mehr bezahlt wird. Ausfälle von Produktionskapazitäten kommt dazu.
Der Kapitalismus schlägt sich selbst. Wenn dann KK noch von Hochpreisland Deutschland faseln, ist denen nicht mehr zu helfen.
Produktion in Europa gut, aber auch realistische Preise, damit die Produktion nicht in anderen Ländern verschwindet.
Tut mir leid, aber das sind mal wieder Vorschläge eines Außenstehenden, der keine Ahnung hat und sich zu wichtig nimmt.
Nicht abgestimmt heißt dann, es dürfen noch viele noch Ahnungslosere ihren Senf dazu geben, damit wirklich nichts Brauchbares dabei heraus kommt. Wie in der Politik üblich. Und die KK natürlich, die sowieso alles blockieren werden.

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