Landtagswahl-Programme

Brandenburg: Pharmazie, Versandhandel, Barrierefreiheit, Lunapharm

Berlin - 12.08.2019, 14:05 Uhr

Am 1. September müssen die Brandenburger einen neuen Landtag wählen. In den Wahlprogrammen gibt es auch einige Apothekenthemen. (c / Foto: Imago images / J. Ritter)

Am 1. September müssen die Brandenburger einen neuen Landtag wählen. In den Wahlprogrammen gibt es auch einige Apothekenthemen. (c / Foto: Imago images / J. Ritter)


In diesem Herbst stehen in den drei ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen Landtagswahlen an. Mit welchen Themen sich die Parteien in ihren Programmen positionieren, steht inzwischen fest. Das für die Apotheker in Brandenburg wichtigste Thema – die Schaffung eines Pharmazie-Studienganges – greift nur die CDU auf. Der Lunapharm-Skandal und die Importquote spielen ebenfalls eine Rolle im Wahlkampf. Und: Die Grünen wollen die Apotheken auf dem Land zwar erhalten, sehen den Versandhandel aber als eine „sinnvolle Ergänzung“.

Die Bedeutung der drei Landtagswahlen am 1. September (Brandenburg, Sachsen) und Thüringen (27. Oktober) könnte größer nicht sein: Folgt man den derzeitigen Umfragen, stehen in allen drei Bundesländern größere Änderungen bei den Machtverhältnissen bevor. Insbesondere die Parteien der Berliner Großen Koalition, SPD und CDU, könnten herbe Verluste erleben. Die AfD hingegen schneidet in den Umfragen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen stark ab. Welche Auswirkungen solche Ergebnisse auf die Große Koalition haben könnten, ist derzeit noch völlig unklar.

Insbesondere Brandenburg steht möglicherweise ein Politikwechsel bevor. Nach aktuellen Umfragen könnte die AfD dort stärkste Kraft werden. CDU, SPD, Grüne und Linke liegen in etwa gleichauf zwischen 14 und 18 Prozent. Für die Apotheker in Brandenburg gibt es seit Jahren ein wichtiges Thema: die Etablierung eines Pharmazie-Studiengangs – Brandenburg ist das einzige Flächenland Deutschlands, das keinen Standort für Pharmazie hat. Wie bereits berichtet, will nur die CDU den Apothekern diesen Wunsch erfüllen. In ihrem Wahlprogramm erklären die Christdemokraten, dass sie an der TU Cottbus einen solchen Studiengang schaffen wollen.

Grüne: Apotheken erhalten, Versandhandel ist aber sinnvoll

Doch auch der Apothekenmarkt spielt in den Wahlprogrammen der Parteien eine gewisse Rolle. Die Grünen beschäftigen sich als einzige Brandenburger Partei mit dem Rückgang der Apothekenzahl und den Auswirkungen für die Flächenversorgung. Sie wollen diese Versorgung aufrechterhalten, sprechen aber auch dem Versandhandel dabei eine gewisse Rolle zu. Wörtlich heißt es im Grünen-Wahlprogramm:


Zu einem funktionierenden Gesundheitssystem gehört auch eine gute Erreichbarkeit von Apotheken. Diese ziehen sich immer weiter aus der Fläche zurück. Gemeinsam mit Apotheker*innen möchten wir daran arbeiten, die Medikamentenversorgung auch in Zukunft flächendeckend zu gewährleisten. Der Versandhandel von rezeptpflichtigen Arzneien kann eine sinnvolle Ergänzung gerade im ländlichen Raum darstellen, ein Verbot halten wir daher für nicht zielführend.“

Landtagswahlprogramm Grüne


Aber die Grünen sprechen mit Blick auf den Apothekenmarkt noch ein weiteres Thema an, das nicht nur für Landapotheken relevant ist: den barrierefreien Zugang zu Apotheken. „Arztpraxis im dritten Stock, die Apotheke mit vier Stufen vor der Türe: Viele bestehende Angebote der gesundheitlichen Versorgung sind nicht barrierefrei zugänglich und nutzbar“, stellt die Partei fest. Daher planen die Grünen: „Wir wollen uns auf Bundesebene für Förderprogramme einsetzen, die die Herstellung der barrierefreien Zugänglichkeit von Praxen und Apotheken unterstützen.“

SPD: Einzelhandel gegenüber Versendern stärken

Die FDP Brandenburg beschäftigt sich ebenfalls mit der Versorgung auf dem Land und fordert eine bessere Verzahnung des ambulanten mit dem stationären Sektor. Und weiter: „Ärzteschaft, Krankenhäuser, Apotheker, Industrie und Krankenkassen sollen durch Selektivverträge die Versorgung individueller gestalten und damit Ressourcen des Gesundheitswesens effizienter einsetzen.“

Eine bemerkenswerte Aussage kommt von der SPD, die sich nach dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 – zumindest auf Bundesebene – stets für den Erhalt des Rx-Versandhandels einsetzte. Zwar greifen die Brandenburger Sozialdemokraten den Apothekenmarkt nicht direkt auf, formulieren aber ein sehr genaues Ziel, was das Verhältnis zwischen Vor-Ort- Geschäften und dem Versandhandel betrifft: „Wir wollen, dass der kleinteilige, soziokulturell bedeutsame und für die Innenstädte lebenswichtige Einzelhandel gegenüber dem Versandhandel gestärkt wird, zumal der Versandhandel innerstädtisch zu erheblichen Verkehrsbelastungen führt.“

So wie die Grünen fordern auch die Linken, dass die „barrierefreie Um- und Neugestaltung von Arztpraxen, Krankenhäusern, Medizinischen Versorgungszentren, Reha-Einrichtungen und Apotheken“ gefördert wird. Außerdem fordern die Linken ein „Drug-Checking“ in Apotheken. Die AfD Brandenburg will „Voraussetzungen schaffen, dass die Attraktivität unserer Dörfer und Kleinstädte erhöht wird, indem die Ansiedlung von Arztpraxen, Apotheken und Postfilialen durch die Verbesserung der Bus- und Bahnanbindungen erleichtert wird.“

Lunapharm: Alle wollen eine bessere Aufsicht

Eine Rolle spielt auch der Lunapharm-Skandal im Brandenburger Wahlkampf. Zur Erinnerung: Im vergangenen Sommer war bekannt geworden, dass der Brandenburger Pharmahändler Lunapharm beschuldigt wird, teils illegal importierte Arzneimittel in ganz Deutschland vertrieben zu haben. Die FDP Brandenburg setzt sich mit Blick auf diesen Fall und „aus Gründen der Arzneimittelsicherheit auf Bundesebene für eine Rücknahme der verpflichtenden Importquote für Apotheken ein“. Die AfD fordert, dass das zuständige Dezernat im Landesgesundheitsamt sowie das zuständige Referat im Gesundheitsministerium, gegen die die Experten-Taskforce nach Bekanntwerden des Skandals heftige Vorwürfe erhoben hatte, „mit ausreichenden Dienstposten für Überwachungsaufgaben auszustatten sind“. Auch die AfD will sich im Bundesrat für die Abschaffung der Quote einsetzen. Zur Erinnerung: Erst kürzlich hatte Brandenburgs Gesundheitsministerin Susanna Karawanskij versucht, die Streichung der Quote über den Bundesrat durchzusetzen, war dann aber gescheitert.

Ohne konkrete Aussagen zu treffen, fordert auch die Linke Brandenburg, dass die Arzneimittelsicherheit im Bund und im Land weiter „gestärkt und kontrolliert“ werden müsse. Die SPD erklärt ebenfalls recht vage, dass eine „zuverlässige und strenge Arzneimittelaufsicht unabdingbar“ sei, diese müsse auch entsprechend personell ausgestattet werden.

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Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, dass die Wahl in Thüringen am 1. September stattfindet. Das ist nicht der Fall, sie ist am 27. Oktober. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Erkenntnis fehlt

von Reinhard Rodiger am 12.08.2019 um 17:51 Uhr

Die Erkenntnis fehlt, dass die SPD die Finanzsituation der Apotheken ruiniert hat und die Grünen merken nicht, dass nicht die Apotheken sich entfernen, sondern von beiden zerstört wurden. Durch die Schwächung der Rentabilität durch den Versand bzw. die Freigabe der Preise in Teilen. Das ist die Vorlage für die Zukunft.

Wenn die SPD jetzt plötzlich die Bedeutung der Apotheken für die Infrastruktur entdeckt, darf man gespannt sein, wie sie die weitere Schwächung via Versand durch die Grünen bearbeitet.

Bemerkenswert ist, dass die SPD sich von der Bundes-SPD zu distanzieren scheint, sich aber wohl nicht durchsetzen kann. Und die Grünen haben nichts gelernt. Sie standen mal für das, was die SPD jetzt wahltaktisch neu entdeckt , für Vermeidung unnützer Transportbewegungen und regionale Arbeitsplätze.

Doch regional entscheidend könnte die Abkehr der Grünen vom Kohleaustiegstermin und dessen Vorverlegen sein.
Damit sind sie nicht nur für Apotheker nicht wählbar.

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Jaaa....auf das Argument hab ich gewartet!

von Christiane Patzelt am 12.08.2019 um 16:26 Uhr

Werte Grüne,
danke für nichts! Erst werden uns die finanziellen Mittel jahrelang gekürzt, dann folgen wir dem Markt und schließen immer mehr Betriebsstätten und jetzt wird uns das vorgeworfen und der Versandhandel als neue heilige Kuh der Grünen erhoben! Von der Klimabelastung des Versandes (aus Holland) mal abgesehen, habt ihr eigentlich eine Ahnung, was das mit frauen-familienfreundlichen, halbwegs gut bezahlten Arbeitsplätzen vor Ort macht? Ich könnt schreien bei soviel Dummheit im Wahlprogramm! Und ich war jahrelang Grüne-Wählerin! Aber das hier geht auf keine Kuhhaut, schon gar nicht für das Flächenland Brandenburg! Leute, ihr habt euren Job nicht gemacht! Kann ich nicht wählen!

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