Wegen wettbewerbswidriger Strategie

Belgische Apothekerkammer soll eine Million Euro zahlen

Remagen - 19.06.2019, 10:15 Uhr

Die belgische Wettbewerbsbehörde hat gegen die Apothekerkammer des Landes eine Geldbuße verhängt, weil diese die Entwicklung eines Apotheken-Konzerns behindert haben soll. ( r / Foto: imago images / reporters)

Die belgische Wettbewerbsbehörde hat gegen die Apothekerkammer des Landes eine Geldbuße verhängt, weil diese die Entwicklung eines Apotheken-Konzerns behindert haben soll. ( r / Foto: imago images / reporters)


Die Apothekerkammer Belgiens ist ins Fadenkreuz der Wettbewerbshüter geraten. Sie soll versucht haben, die Entwicklung der MediCare-Market-Gruppe zu behindern. Dafür hat die Wettbewerbsbehörde des Landes nun eine Geldbuße in Höhe von einer Million Euro verhängt.

Der Wettbewerbsausschuss der belgischen Wettbewerbsbehörde (BCA) hat der Apothekerkammer des Landes „Ordre des pharmaciens - Orde der apothekers" eine Geldstrafe von einer Million Euro aufgebrummt.  Damit sollen wettbewerbswidrige Praktiken der Kammer sanktioniert werden. Nach Meinung BCA soll sie versucht haben, die Entwicklung der MediCare-Market-Gruppe auf dem Markt für Apothekerdienstleistungen zu behindern oder diese völlig zu verdrängen. Nach einem Bericht im „Echo“ soll die in Belgien expandierende MediCare-Market-Gruppe der Apothekerkammer von Anfang an einen Dorn im Auge gewesen sein.

Laut „Echo“ betreibt diese in Belgien derzeit insgesamt 32 Apotheken-Geschäfte, darunter 16 Apotheken-Supermärkte und 16 Parapharmazien mit rund 400 Beschäftigten. Eigenen Angaben zufolge betreibt MediCare-Market auch einen sehr aktiven Internet-Handel. 2017 soll das Unternehmen mehr als 50 Millionen Euro umgesetzt haben. Unter anderem mit einem Verweis auf die Preispolitik gibt das Unternehmen an, die Gesundheitsversorgung „demokratisieren“ zu wollen.

Kammer als Hüterin des Verhaltenskodexes

Wie der Pressemitteilung der Wettbewerbsbehörde zu entnehmen ist, war die Kammer ab Oktober 2015 gegen die MediCare-Market-Gruppe vorgegangen und hatte versucht, diese disziplinarisch zu belangen. Außerdem war eine gerichtliche Verfügung beantragt worden, mit der eine Verwechslungsgefahr zwischen den Apotheken und Parapharmazien (OTC-Shops) des Konzerns vorgebracht wurde, insbesondere dort, wo diese zusammenhängend sind.

Die Untersuchung des Falls durch die Ermittlungs- und Strafverfolgungsabteilung der BCA wurde Ende April 2016 begonnen und Ende Oktober 2018 abgeschlossen. In ihrem Entscheidungsentwurf von Ende Mai 2019 stellte die Abteilung fest, dass der Nationalrat des „Ordre des pharmaciens“ für die Entwicklung des Verhaltenskodexes verantwortlich und „Hüter der nichtkommerziellen Natur des Apothekerberufs“ sei. Zwischen Oktober 2015 und Januar 2017 soll die Kammer gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen verstoßen haben, indem sie eine Strategie verabschiedete und umsetzte, um die wirtschaftlichen Interessen der Mehrheit seiner Mitglieder zu verteidigen. Unter anderem soll versucht worden sein, von der Medicare-Market-Gruppe Mindestpreise für die Arzneimittel zu verlangen. Der Markt für Apothekerdienstleistungen sie stark reguliert und der Preiswettbewerb eingeschränkt. Der Eintritt neue Akteure, wie der MediCare-Market-Gruppe, in diesen Markt solle den Wettbewerb beleben, so die Auffassung der Ermittler.

Gesamtstrategie im Fokus der Kritik

Der Wettbewerbsausschuss hat diese Auffassung nun bestätigt. Die Kritik der Wettbewerbshüter wird nicht unbedingt an den rechtlichen Schritten der Kammer gegen die MediCare-Market-Gruppe selbst festgemacht, sondern an deren Gesamtstrategie. Diese basiere auf einer Reihe von Maßnahmen, einschließlich der Verweisung an die Disziplinargremien, die Einleitung einer gerichtlichen Verfügung, die öffentliche Verbreitung von Drohgebärden usw. und ziele darauf ab, das Modell des MediCare-Marktes zu verdrängen und die Entwicklung vergleichbarer Geschäftsmodelle zu verhindern. Die rechtlichen Schritte des Nationalrates des „Ordre des Pharmaciens“ seien an sich nicht wettbewerbswidrig, aber sie seien eben Teil der wettbewerbswidrigen Strategie.

Schwerwiegende Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht

Die Apothekerkammer habe mit ihrem Vorgehen einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, wird als Begründung weiter ausgeführt, und Entscheidungen zum Ausschluss eines innovativen Vertriebsmodells getroffen. Diese seien schädlich für das Wohlergehen der Verbraucher, und insbesondere für den Preiswettbewerb (Verkaufspreise von Arzneimitteln) und den nichttarifären Wettbewerb (Innovation) und werden als schwerwiegende Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht gewertet. Sie verstießen außerdem gegen die Rechtsprechung und Entscheidungspraxis zum Wettbewerbsrecht auf europäischer und belgischer Ebene.

Geldbuße soll abschreckend wirken

Die BCA sei befugt, gegen Unternehmensvereinigungen Geldbußen auf der Grundlage ihres Umsatzes Mitglieder zu verhängen. Als Bemessungsgrundlage für die Geldbuße wurde konsequenterweise der relevante Umsatz der Apotheken in ganz Belgien genommen. Anhand des durchschnittlichen Jahresumsatzes einer einzelnen Apotheke wurde auf der Basis von insgesamt rund 5.000 Apotheken eine Geldstrafe von einer Million Euro ermittelt. Der Wettbewerbsausschuss ist der Meinung, dass der Betrag die Schwere der festgestellten Zuwiderhandlung angemessen berücksichtigt und dass er abschreckend wirkt, ohne über das Ziel hinauszuschießen.  

Apothekerkammer will den Beschluss prüfen

In einer Pressemitteilung als Reaktion auf den Beschluss der belgischen Wettbewerbsbehörde pocht die belgische Apothekerkammer auf ihren gesetzlichen Auftrag, das öffentliche Interesse im Gesundheitsbereich zu wahren. Diese bis heute notwendige Aufgabe erfülle sie weiterhin, um die Qualität der pharmazeutischen Versorgung im Interesse des Patienten sicherzustellen. Damit werde der freie Wettbewerb und der freie Dienstleistungsverkehr nicht in Frage gestellt, sondern den Bürgern der notwendige Schutz geboten, indem die Sicherheit und die Qualität der Versorgung gewahrt werden, wobei die Rolle des Apothekers in diesem Sinne betont wird. Der Wettbewerbsausschuss sei offenbar der Auffassung, dass die Apothekerkammer mit ihrem Vorgehen den Rahmen ihres Mandats überschritten habe. Man werde die Entscheidung mit den Anwälten weiter untersuchen, um mögliche Optionen auszuloten.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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