Studie zur Pharmaindustrie in Hessen

Wirtschaftlich stark, aber mit Schwächen bei jungen Arbeitnehmern

München - 08.04.2019, 10:30 Uhr

Das Marktforschungsunternehmen PriceWaterhouseCoopers hat eine Meinungsumfrage zur Reputation der Pharmaindustrie in Hessen (hier ein Foto aus dem Labor der Firma B. Braun in Melsungen) durchgeführt. ( r / Foto: Imago)

Das Marktforschungsunternehmen PriceWaterhouseCoopers hat eine Meinungsumfrage zur Reputation der Pharmaindustrie in Hessen (hier ein Foto aus dem Labor der Firma B. Braun in Melsungen) durchgeführt. ( r / Foto: Imago)


Hessen ist einer der größten Pharma-Standorte Deutschlands: Merck, Stada, AbbVie, Henning - alles Firmen mit Sitz in Hessen. Die Pharmaindustrie hat in Hessen nicht nur eine große wirtschaftliche Bedeutung, sie besitzt in der Bevölkerung vielfach auch ein positives Image. Allerdings muss die Branche bei den unter 30-Jährigen mehr tun, um sich als attraktiver Arbeitgeber darzustellen. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung der Wirtschafts- und Unternehmensberatungsfirma Price Waterhouse Cooper (PwC) hervor.

Auch wenn die Zeiten, als der Pharmariese Hoechst noch seinen Sitz in Hessen hatte, längst vorbei sind, so spielt die Branche in dem Bundesland nach wie vor eine wichtige Rolle. Nach Zahlen des Statistischen Landesamtes arbeiten immerhin rund 22.000 Frauen und Männer für Mittelständler und Großkonzerne aus diesem Wirtschaftszweig. Sie erzielten demnach zuletzt einen Jahresumsatz von annähernd zwölf Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Metallindustrie kam auf 36.000 Mitarbeiter und Gesamterlöse von 6,6 Milliarden Euro.

Vor diesem Hintergrund befragten die Wirtschaftsberater von PwC kürzlich 1.000 Bürger in Hessen, wie sie zu der Pharmaindustrie stehen. Dabei erhielt die Branche überwiegend gute Noten. So sprechen ihr 67 Prozent eine hohe wirtschaftliche Bedeutung für Hessen zu, wo immerhin etwa ein Viertel des Umsatzes der deutschen Pharmaindustrie erwirtschaftet wird. Mit 38 Prozent Zustimmung wird die Branche auch als einer der wichtigsten Arbeitgeber in dem Land betrachtet – das ist Platz 3 nach der Finanz- und Versicherungswirtschaft (53 Prozent) und der Verkehrs- und Logistikbranche (39 Prozent).

„Der Standort Hessen ist stark von der pharmazeutischen Industrie geprägt. Rund 60.000 Menschen arbeiten in Hessen in der Chemie- und Pharmaindustrie. Durch diese Nähe haben viele Bürger einen tiefen Einblick in die Branche und sehen sie entsprechend positiv“, sagt Michael Burkhart, Managing Partner Region Mitte und Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC. Für viele Menschen in Hessen entstehe dadurch eine Win-Win-Situation: Auf der einen Seite würden sie bestätigen, dass Pharmaunternehmen durch die Nähe zu Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen vom Standort profitieren, auf der anderen Seite würden sie anerkennen, dass die Pharmaindustrie ein wichtiger Arbeitgeber sei.

Pharmabranche hat junge Generation zu wenig im Blick

Nachholpotenzial hat die Branche allerdings bei der jüngeren Generation. So ist die Gruppe der unter 30-Jährigen weniger von der Pharmaindustrie als möglichem Arbeitsgeber nach Studium oder Ausbildung überzeugt: Lediglich 23 Prozent sehen sie als bedeutenden Arbeitgeber in Hessen – gegenüber 47 Prozent der 50- bis 65-Jährigen. „Gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel muss die Branche deshalb dringend mehr tun, um sich positiv in den Fokus junger Absolventen zu rücken und ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. Die Pharmaindustrie braucht die Generation Z, weil sie ein hohes Maß an Innovationskraft und digitaler Kompetenz mitbringt“, stellt Burkhart fest.

Ein Bestandteil der Untersuchung widmet sich auch der Frage, ob der Staat forschenden Pharmaunternehmen durch Steuererleichterungen unter die Arme greifen sollte? Ja, findet die Mehrheit der Bürger in Hessen: 61 Prozent sind laut der PwC-Untersuchung dafür, dass Forschung und Entwicklung (F&E) in der Pharmaindustrie durch eine steuerliche Forschungsförderung vorangetrieben werden, wie es ein Gesetzesentwurf des Bundesfinanzministeriums vorsieht, der zum 1. Januar 2020 in Kraft treten soll. Unter jüngeren Befragten befürworten sogar 76 Prozent eine derartige Förderung. Die Bürger erhofften sich vor allem, dass die Unternehmen durch die finanzielle Entlastung mehr für die Bekämpfung von Krankheiten tun können (61 Prozent) und dass das zu Verbesserungen für die Patienten führt, wie 69 Prozent angeben. 

Entscheidender als der Preis sind neue Medikamente

PwC-Manager Burkhart zeigt sich überrascht, wie klar die hessischen Bürger eine steuerliche Forschungsförderung für die Pharmabranche befürworten. „In früheren Studien, etwa unserem jährlichen Healthcare-Barometer, fiel der Blick auf die Pharmaindustrie kritischer aus – sie wurde in erster Linie als Gewinnmaximierer wahrgenommen.“

Dass vor allem drei Viertel der jüngeren Menschen unter 30 Jahren eine staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung befürworten, überrascht ihn dagegen nicht: „Die junge Generation ist mit den US-Tech-Giganten aufgewachsen, die als größte Investoren in Forschung und Entwicklung gelten. Jüngeren Bürgern ist nach meiner Einschätzung daher klar, dass sich Spitzenergebnisse nur mit hohen Investitionen in die Forschung erzielen lassen“.

62 Prozent für mehr Forschung

In Bezug auf Innovationen stellen 62 Prozent der befragten Bürger fest, dass die Pharmaunternehmen in erster Linie in die eigene Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln zur Bekämpfung von Krankheiten investieren sollten. Auch die Suche nach Alternativen zu Tierversuchen spielt für viele eine wichtige Rolle (52 Prozent). Die Senkung der Arzneimittelpreise landet mit 43 Prozent hingegen erst auf dem dritten Rang. Bemerkenswert ist nach Angaben der Autoren jedoch, dass innovative Behandlungsformen wie die personalisierte Medizin oder eine stärkere Technologisierung der Medizin nur von 26 beziehungsweise 25 Prozent als wichtigstes Investitionsfeld genannt werden.

Burkhart: „Der Pharma-Industrie kann ich nur empfehlen, die Öffentlichkeit transparenter und vor allem verständlicher über die konkreten Chancen und Vorteile dieser neuen Entwicklungen und Technologien zu informieren. Denn damit kann Skepsis abgebaut werden – vor allem kann sie dann aber auch die junge digitalaffine Generation stärker für sich begeistern, da sie im digitalen Zeitalter mehr denn je als Mitarbeiter von morgen braucht.“



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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