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Pharmabranche auch in Krisenzeiten stabil

BERLIN (ks). Trotz schwieriger Rahmenbedingungen und der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise erweist sich die Pharmabranche in Deutschland als stabil. In einem Ranking der Zukunftsbranchen konnte sie sich auf dem zweiten Platz behaupten. Doch der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) warnt die Politik, den Wirtschaftszweig als "Selbstläufer" zu betrachten. Eines seiner wichtigsten Anliegen ist eine steuerliche Berücksichtigung des Aufwandes für Forschung und Entwicklung (F&E).
Steuerlich absetzbar? Zehn Prozent des gesamten F&E-Aufwands sollen von der Steuerschuld abzugsfähig werden, wünscht sich der VFA.

Foto: Wyeth Pharma GmbH

Für die Studie "Deutschlands Zukunftsbranchen" hat die IW Consult GmbH – ein Tochterunternehmen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) – im Auftrag des VFA 35 Wirtschaftszweige hinsichtlich ihrer Zukunftsfähigkeit verglichen. Seit der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2007 haben sich die Rangplätze kräftig durchmischt. Lediglich Pharma konnte sich "mit hoher Robustheit" auf dem zweiten Platz unter 35 Branchen behaupten, erklärte IW-Direktor Prof. Dr. Michael Hüther bei der Vorstellung der Studie am 25. Juni in Berlin. Sie punktet mit einer starken Entwicklungsdynamik und einer hohen Innovationskraft. Den ersten Platz der Rangliste erreicht die Medizin-, Mess-, Steuer- und Regeltechnik/Optik (2007: Rang 3). Ihre Stärken sind hohe Innovationsaufwendungen und starke Rahmenbedingungen. Auf Platz drei findet sich der Maschinenbau (2007: Rang 8) – er profitiert von seiner starken Internationalisierung und ebenfalls besten Rahmenbedingungen. Vor drei Jahren nahmen noch die unternehmensnahen Dienstleistungen den ersten Platz ein, dazu zählen etwa die Bereiche Unternehmensberatung, Finanzdienstleistungen sowie Immobilienwirtschaft. Doch sie sind nunmehr auf den 9. Platz abgerutscht und überhaupt die einzige Dienstleistungsbranche unter den Top Ten. Der Strukturwandel werde ganz klar von der Industrie und Forschung getragen, so Hüther.

Gewinner bleiben Gewinner

Ergänzend wurde für die Studie genauer betrachtet, wie sich die Branchen in der gegenwärtigen Krise entwickeln werden. Nach Einschätzung von Experten – befragt wurden 60 Ökonomen, Zukunftsforscher, Unternehmensberater und Unternehmensvertreter – verlieren derzeit jene, die zunächst im Aufschwung gewonnen hatten. Das sind vor allem die Hersteller von Büromaschinen, die Automobilindustrie, aber auch der Maschinenbau. Allerdings sehen die Experten die Krise für die Top-Branchen lediglich als "Atempause". Wesentliche Strukturen und Wirkungszusammenhänge würden durch sie nicht außer Kraft gesetzt, sondern nur temporär gestört, so Hüther. Die Pharmabranche findet sich ohnehin mit den konjunkturunabhängigen Branchen – etwa Erziehung und Unterricht, Gesundheitswesen und Ernährungsgewerbe – auf den hinteren Plätzen des Krisenindex. Letzten Endes werden der Studie zufolge die Gewinnerbranchen der Vergangenheit auch in Zukunft die Nase vorn haben: Wer international aufgestellt ist, intensiv forscht und Innovationen auf den Markt bringt, wird gut aus der Krise herauskommen und auch künftig gute Zukunftsperspektiven haben. Die Pharmabranche hat den Experten zufolge auch deshalb so gute Chancen, weil der Bereich der Gesundheit am meisten von einem gesteigerten Nachfrageverhalten profitieren wird.

13 Millionen Euro täglich für die Pharmaforschung

Für Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des VFA, zeigt die Studie, dass die volkswirtschaftliche Bedeutung der Pharmaindustrie höher ist als bislang angenommen. Dass die Branche ein solches Zukunftspotenzial hat, komme nicht von ungefähr: "Unsere Innovationskraft bleibt das Pfund, mit dem wir wuchern können". Auch im letzten Jahr seien die F&E-Aufwendungen um 6,9 Prozent auf nunmehr 4,84 Mrd. Euro gestiegen – dies sind 13 Mio. Euro täglich. 13,2 Prozent des Umsatzes seien in F&E-Aktivitäten investiert worden. Zum Vergleich: Bei allen F&E betreibenden Unternehmen lag diese Quote 2005 im Durchschnitt bei vier Prozent.

Forderungen an die Politik

Allerdings sei das schlechte Abschneiden der Pharmaindustrie hinsichtlich der staatlichen Rahmenbedingungen ein "deutlicher Warnhinweis in Richtung Politik", betonte Yzer. Die Branche sei "kein Selbstläufer", es gehe ihr nicht "automatisch" gut. Zwar erkennt man auch beim VFA an, dass in Deutschland Innovationen nach ihrer Zulassung unmittelbaren Marktzugang haben. Auch die von der Bundesregierung gestarteten verschiedenen Forschungsinitiativen sowie die Exzellenzinitiative enthielten "kluge Schachzüge". Insgesamt befinde sich die Pharmaindustrie aber in einem Spannungsfeld zwischen immer höheren Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionskosten einerseits und immer schneller aufeinanderfolgenden Kostendämpfungsmaßnahmen andererseits, beklagt Yzer. Die hohe Dichte an sich zum Teil widersprechenden Regulierungen sei ebenso innovationsfeindlich wie ineffiziente Antrags- und Genehmigungsverfahren. Um Chancengleichheit im internationalen Standortwettbewerb zu erreichen, brauche Deutschland zudem dringend eine steuerliche Forschungsförderung, so die VFA-Geschäftsführerin. Wichtige Mitbewerber wie die USA, Großbritannien und Frankreich könnten diese bereits aufweisen. Der VFA spricht sich daher gemeinsam mit anderen innovativen Branchen dafür aus, dass zehn Prozent des gesamten F&E-Aufwandes von der Steuerschuld abzugsfähig sind. Darüber sei es für die Pharmabranche essenziell, die Marktpreisbildung und den Schutz des geistigen Eigentums zu erhalten.

Kein Sonderweg bei Kosten-Nutzen-Bewertungen

Hinsichtlich der Preise sei zu bedenken, dass es hier nicht um die "Rohstoffe einer Pille" gehe – "verkauft wird Know how", betonte Yzer. Auch den Arzneimittelherstellern sei bewusst, dass die Ressourcen begrenzt sind – eine vierte Hürde, die den unmittelbaren Marktzugang verhindert, dürfe es aber nicht geben, wenn gewährleistet bleiben soll, dass die Patienten am medizinischen Fortschritt teilhaben können. Mit Kosten-Nutzen-Bewertungen von Arzneimitteln – so sie keine Bedingung für den Marktzutritt sind – können die Hersteller dagegen leben. Voraussetzung sei aber, dass sie "transparent, wissenschaftlich korrekt und ergebnisoffen" erfolgen. Die vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) angestrebte "Methode der Effizienzgrenzen" ist für Yzer ein deutscher Sonderweg, der nicht akzeptabel ist. Dennoch bleibt sie zuversichtlich: "Wir hoffen, dass sich Deutschland den internationalen Standards nicht verschließt". Bestärkt sieht sich Yzer darin, dass sich mittlerweile auch die Wirtschaftsministerkonferenz kritisch mit dem Thema auseinandergesetzt und erkannt hat, welche Bedeutung gesundheitspolitische Entscheidungen auf die Wirtschaft haben können. Zu beachten sei auch, dass sich auch alle renommierten Gesundheitsökonomen kritisch zum IQWiG-Modell äußern. "Wäre es nur die Pharmabranche, könnte man uns eine Blockadehaltung vorwerfen", so Yzer.

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