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Streit um Werbegaben
BGH sieht auch kleine Apotheken-Geschenke skeptisch
Während niederländische Versandapotheken seit der EuGH-Entscheidung zur Rx-Preisbindung bis zu 30 Euro Rabatt pro Rezept geben, streiten deutsche Apotheken vor dem Bundesgerichtshof derzeit um die Frage, ob ihnen zumindest geringwertige Geschenke bei Rx-Arzneimitteln erlaubt sind. Der Vorsitzende Richter ließ bei der Verhandlung am heutigen Donnerstag durchblicken, dass sie damit wohl nicht durchkommen werden. Ein Urteil steht aber noch aus.
Womit dürfen Apotheken bei der Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel Kunden locken? Beim Bundesgerichtshof sind derzeit Verfahren gegen zwei Apotheker anhängig: Eine Darmstädter Apothekerin hatte Kunden Gutscheine für „2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti“ mitgegeben, ein Berliner Apotheker Ein-Euro-Gutscheine zur Einlösung beim nächsten Apothekenbesuch. Geklagt gegen sie hatte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Diese hatte im Fall der Apothekerin mit ihren Brötchen-Gutscheinen in den Vorinstanzen Recht bekommen, während das Berufungsgericht dem Berliner Apotheker die Gutscheine gestattet hatte.
Bei der heutigen Verhandlung beider Fälle beim ersten Zivilsenat des Bundesgerichtshof ließ der Vorsitzende Richter Thomas Koch durchblicken, dass das Gericht in seinem für die nächsten Wochen zu erwartendem Urteil derartige Gutscheine verbieten wird. Er erläuterte zunächst die Rechtslage: Nach § 3a des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs (UWG) handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Gleichzeitig muss der Verstoß geeignet sein, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
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Eine derartige Vorschrift findet sich in § 78 Absatz 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG), nach dem ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für rezeptpflichtige Arzneimittel zu gewährleisten ist. Nach § 7 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) ist es im Allgemeinen außerdem unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben – „Waren oder Leistungen“ – anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen. Ausnahmen gelten für geringwertige Zuwendungen oder Werbegaben, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes gekennzeichnet sind, wie auch geringwertige Kleinigkeiten. Dabei sieht die Norm noch eine Ausnahme der Ausnahme vor: Selbst solche geringwertigen Zuwendungen oder Werbegaben sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten. Außerdem dürfen Apotheker nach § 7 HWG beispielsweise Fahrtkosten von Kunden mit dem öffentlichen Nahverkehr erstatten, die in Zusammenhang mit dem Besuch der Apotheke stehen.
"Die Apotheken-Umschau ist nicht gefährdet"
Bei den aktuellen Fällen stellen sich einige Fragen, die sich etwa bei einem Rechtsstreit um eine Prämie zur Neukundengewinnung vor einem Jahr noch nicht gestellt haben, erläuterte Koch. Die Vorschriften sollten verhindern, dass „ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen Apotheken stattfindet“, sagte er – und sie sollten nach dem Willen des Gesetzgebers eine flächendeckende Versorgung sicherstellen. Nach Einschätzung des Senats sind sie außerdem vereinbar mit den Regelungen auf EU-Ebene – zwar sei das Lauterkeitsrecht vollständig harmonisiert, doch könnten Mitgliedsstaaten Gesundheitsfragen selbst regeln. „Um solche Regelungen handelt es sich hier“, sagte er.
Dass das Berufungsgericht im Fall der Brötchengutscheine einen Verstoß gegen die arzneimittelrechtlichen Ordnungen gesehen hat „dürfte wohl richtig sein“, erklärte Koch bei der Verhandlung. Verboten sei jeder sachwerte Vorteil – es komme nicht darauf an, ob es sich um eine Geldzahlung handelt und welcher Zweck verfolgt wird. Die Apothekerin hatte geltend gemacht, dass der Gutschein kein Barrabatt sei, sondern der Kundenbindung diene. Es liege wohl auch keine Ausnahme vor, erklärte der Vorsitzende Richter: Wenn ein Fahrschein vergütet wird sei das zulässig. „Die Apotheken-Umschau ist auch nicht gefährdet, darf abgegeben werden“, hielt er fest. Anders sei es auch bei Geschenken wie Taschentüchern oder Traubenzucker, die traditionell abgegeben werden.
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Der Richter bezog sich auch explizit auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der 2016 geurteilt hatte, dass EU-ausländische Versandapotheken in Deutschland Rabatte für verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren dürfen. Der EuGH habe keine Anhaltspunkte gesehen, dass eine Preisbindung erforderlich sei, erklärte Koch. Es sei zwar rechtmäßig, dass der Gesetzgeber gewährleistet, „dass auch in strukturschwachen Regionen Apotheken sind“, erklärte der Richter – das Ziel könne nach der Argumentation seiner Kollegen vom EuGH aber auch erreicht werden, indem der Versandhandel die flächendeckende Versorgung sicherstellt.
Der deutsche Gesetzgeber wolle jedoch bislang keine Rabatte, stellte der Richter fest. Die Regelung des UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), dass geschäftliche Handlungen erst dann verboten sind, wenn sie die Interessen von Marktteilnehmern „spürbar“ beeinträchtigen, würde die arzneimittelrechtlichen Regelungen vielleicht konterkarieren, argumentierte er. Womöglich sei daher für die Abgabe geringwertige Werbegaben „kein Raum mehr“. Im Falle des Berliner Apothekers hatte die Vorinstanz geurteilt, dass der Ein-Euro-Gutschein noch nicht zu spürbaren Beeinträchtigungen führe.
Apotheker-Anwalt: Nicht jede wettbewerbliche Maßnahme verbieten
Rechtsanwalt Reiner Hall, der zusammen mit seinem Kollegen Morton Douglas die Apothekerseite vertrat, stellte infrage, ob eine „so geringwertige Zugabe“ wie der Brötchengutschein tatsächlich noch unter die Norm fällt – und, falls ja, ob es zu spürbaren Beeinträchtigungen käme. „Sie haben das ja alles schulmäßig vordekliniert, Herr Vorsitzender“, sagte Hall. Der Gesetzgeber habe eine Gleichstellung der Apotheker im Blick gehabt. „Ob er auch solche sachlichen Zuwendungen wie einen Brötchengutschein oder Papiertaschentücher im Blick hatte, das geht jedenfalls aus der Gesetzesbegründung nicht hervor“, erklärte der Anwalt. Wenn Apotheker Parkkosten oder Fahrkarten erstatten, ginge dies über die mit einem Wert von 30 Cent bezifferten Brötchengutscheine mit Sicherheit hinaus.
Unklar sei, welchen Wert eine Zeitschrift für Kunden habe –
„jedenfalls hat sie einen Wert“, erklärte Hall. „Dann frage ich mich, wie man
gleichzeitig sagt, dass ein Brötchengutschein im Wert von 30 Cent verboten
werden soll“, sagte er. An dem Ergebnis, das der Vorsitzende Richter zuvor vorgezeichnet
hatte, störe ihn, dass der Apotheker dann jede wettbewerbliche Maßnahme, die in
einer Freundlichkeit gegenüber seinem Kunden bestünde, untersagt wäre, sagte
Hall. Im Fall der Darmstädter Apothekerin bekomme der Kunde ja keine 30 Cent,
sondern müsse zu einer Bäckerei laufen. „Eine geringwertigere Zugabe kann ich
mir gar nicht vorstellen“, erklärte Hall.
An der Gesetzesänderung des § 7 HWG sei eindeutig zu sehen, dass der Gesetzgeber eine frühere Entscheidung des BGH-Senats nicht geteilt hat, dass Werbeaktionen von Apotheken zu spürbaren Beeinträchtigungen führen müssen, entgegnete Rechtsanwalt Christian Rohnke, der die klagende Wettbewerbszentrale vertritt. Der Gesetzgeber habe bei der Änderung ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Senats Bezug genommen, sagte er. „Wenn das so klar ist, was der Gesetzgeber will, dann kann man daran nicht vorbeigehen.“
Ziel: Kreativitätswettbewerb verhindern
Man könne zwar sagen, dass das Gesetz schlecht gemacht sei, weil es an anderer Stelle gewisse Zuwendungen zulässt. Ziel sei jedoch, einen „Kreativitätswettbewerb“ zu verhindern. Der Argumentation, dass Werbegeschenke ja kaum geringfügiger sein könnten, widersprach er auch. Wenn der Gesetzgeber das gewollt hätte, wäre es ein Leichtes gewesen, eine entsprechende Vorschrift in die Arzneimittelpreisverordnung oder das Arzneimittelgesetz aufzunehmen. „Das hat der Gesetzgeber bewusst nicht gemacht“, sagte er. „Es ist ganz klar, dass der Gesetzgeber selbst hier den Spielraum schließen wollte.“
Das Kriterium der Spürbarkeit sei jedoch nach wie vor im Gesetz festgelegt, entgegnete Hall, „und die ist zu prüfen“. Die Spürbarkeit ist – so verstehe ich es – ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal, erklärte auch Rechtsanwalt Douglas. Was sei denn im Lichte der aktuellen Wettbewerbssituation noch spürbar, fragte er – angesichts von 30-Euro-Rabatten, die EU-Versender gewähren.
Die Richter wollen ihr Urteil bei einem späteren Termin verkünden. Dies könne zu einer schwarz-weiß-Situation führen, sagte Douglas nach der Sitzung: Holländer dürfen alles, Deutsche dürfen gar nichts, fürchtet er. Hier sei der Gesetzgeber gefragt, der aufgrund des EuGH-Urteils gerade Möglichkeiten diskutiert, Boni für rezeptpflichtige Arzneimittel so zu regeln, dass es zu einer fairen Lage kommt.
3 Kommentare
Kapitalismus im Arzneimittelraum Europa?
von Heiko Barz am 28.03.2019 um 18:33 Uhr
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Meisterleistung
von Kapitän am 28.03.2019 um 17:30 Uhr
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Brötchen backen will gelernt sein
von Bäcker-Blume am 28.03.2019 um 17:18 Uhr
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