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BGH-Urteile zu Apotheken-Gutscheinen: Was ist jetzt noch erlaubt?

Was die Entscheidung für Traubenzucker, Taschentücher, Kundenzeitschriften bedeutet

BERLIN (ks) | Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass auch eine geringfügige Werbegabe wie ein Brötchengutschein wettbewerbswidrig ist, wenn sie bei der Rezept­einlösung ausgegeben wird. Was ­bedeutet das für andere kleine Werbegeschenke, zum Beispiel Taschentücher, Traubenzucker oder Kundenzeitschriften? Sind sie nun auch verboten? Einiges wird sich erst genauer sagen lassen, wenn die Urteilsgründe aus Karlsruhe vor­liegen. Aber das Ende aller Zuwendungen bedeuten die aktuellen Urteile des BGH sicher nicht.

Am 6. Juni verkündete der BGH seine Urteile in zwei Verfahren der Wettbewerbszentrale. Einmal hatte sie gegen eine Darmstädter Apothekerin geklagt, die ihren Kunden im Jahr 2014 bei einer Rezepteinlösung einen Gutschein über „2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti“ gewährte. Dieser Gutschein konnte bei einer in der Nähe der Apotheke gelegenen Bäckerei eingelöst werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt hielt ihn für unzulässig. Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) stelle nach einer Änderung im Jahr 2013 klar, dass entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Zuwendungen oder Werbegaben unzulässig seien (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG). Anders entschied das Kammergericht im Verfahren der Wettbewerbszentrale gegen einen Berliner Apotheker. Dieser hatte 2014 Ein-Euro-Gutscheine ausgegeben. Diese konnten die Kunden bei einem weiteren Einkauf in der Apotheke einlösen. Die Berliner Richter nahmen zwar wie die Kollegen aus Frankfurt einen Verstoß gegen die Preisbindungsvorschriften an. Wettbewerbswidrig sei dieser aber nicht, weil er nicht geeignet sei, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteil­nehmern oder Mitbewerbern „spürbar“ zu beeinträchtigen.

BGH: Auch Kleinigkeiten beeinträchtigen „spürbar“

Nun war es also Sache des BGH zu entscheiden, was stimmt: Muss der Verstoß gegen das Zuwendungsverbot im Heilmittelwerbegesetz „spürbar“ sein? Und hat möglicherweise das 2016 ergangene EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung Auswirkungen auf die Beurteilung solcher Rx-Boni inländischer Apotheken? In seiner bislang lediglich vorliegenden Pressemitteilung machen die Karlsruher Richter ihre Position deutlich: Ein Verstoß gegen das Zuwendungsverbot in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, der entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Werbegaben generell untersagt, beeinträchtigt die Marktteilnehmer auch spürbar. „Der Umstand, dass es sich sowohl bei einem Brötchen-Gutschein als auch bei einem Ein-Euro-Gutschein um Werbegaben von geringem Wert handelt, ändert daran nichts.“ Er ist also ebenso wettbewerbswidrig wie der Ein-Euro-Gutschein (siehe AZ Nr. 24, 2019, S. 1).

Ausnahmevorschrift für Kundenzeitschriften

Keine Ausführungen macht die Pressemitteilung zu anderen in Apotheken üblichen Zuwendungen, wie Traubenzucker für Kinder, Warenpröbchen, Papiertaschentüchern oder Kundenzeitschriften. Sie weist allerdings durchaus darauf hin, dass § 7 HWG ausdrücklich Ausnahmen vom grundsätzlichen Zugabeverbot vorsieht. Und eine solche Ausnahme ist etwa für Kundenzeitschriften bestimmt. Solche sind zulässig, wenn sie „nach ihrer Aufmachung und Ausgestaltung der Kundenwerbung und den Interessen der verteilenden Person dienen, durch einen entsprechenden Aufdruck auf der Titelseite diesen Zweck erkennbar machen und in ihren Herstellungs­kosten geringwertig sind“. An dieser Regelung hatte der Gesetzgeber nicht Hand angelegt, als er 2013 die Regelung des § 7 HWG nachjustierte. Dass er gerade Kundenzeitschriften in Apotheken verhindern wollte, ist nicht ersichtlich. Zudem: Die Abgabe von Kundenzeitschriften ist keinesfalls zwingend an die Rezepteinlösung gekoppelt. Oft liegen sie in der Apotheke aus – auch Kunden die nichts, OTC oder Waren des Randsortiments kaufen, können sie mitnehmen. Beim Wort & Bild Verlag, der unter anderem die Umschau herausgibt, ist man überzeugt, dass seine Kundenzeitschriften von den aktuellen Urteilen nicht betroffen sind, weil sie unter die besagte Ausnahmevorschrift fallen. Man kann sich zwar fragen, ob einige Kundenzeitschriften wirklich so geringwertig in ihren Herstellungskosten sind – aber das wäre ein anderer Fall, der in einem anderen Verfahren zu entscheiden wäre.

Kann der Traubenzucker fürs Kind unsachlich beeinflussen?

Aber wie sieht es nun aus mit anderen kleinen Werbegaben? Sie können nach den bisherigen Ausführungen des BGH durchaus problematisch sein. Streitgegenstand waren sie allerdings nicht. Ob die Entscheidungsgründe des BGH hierzu mehr Aufschluss geben, muss sich zeigen. Der Stuttgarter Rechtsanwalt und HWG-Experte Dr. Timo Kieser meint, die Abgabe von Taschentüchern, Traubenzucker, Halsbonbons könnte auch weiterhin gerechtfertigt sein, wenn diese nicht als Zugabe für eine Rezepteinlösung ausgelobt werden, sondern nach einem Kauf mitgegeben werden und damit als Ausdruck von Kundenfreundlichkeit zu werten sind. Tatsächlich dürfte keine Apotheke mit derartigen Zugaben werben, so wie es bei geldwerten Gutscheinen der Fall war. Und es ist kaum anzunehmen, dass durch das Verschenken von Traubenzucker oder Tempos die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung besteht, die das Heilmittelwerbegesetz verhindern will. Eine Apotheke, die auf der ganz sicheren Seite sein will, sollte dennoch darauf achten, diese kleinen Zugaben wirklich nur den Kunden zukommen zu lassen, die kein Rezept einlösen.

„Im Verhältnis zur fehlenden Gleichpreisigkeit beim Rx-Versandhandel sind Tempo­taschentücher ein Witz. Falls der Bundesrichter Thomas Koch bei einer geschenkten Packung Taschentücher einen ruinösen Wettbewerb befürchtet, was ist dann mit dem europäischen Versandhandel? DocMorris und Co. dürfen Geschenke machen ... Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man darüber lachen. Aber so bleibt einem das ­Lachen im Halse stecken.“

MdB Sylvia Gabelmann (Linke)

Handelsübliches Zubehör und Nebenleistungen

Rechtsanwalt Kieser weist überdies auf weitere Ausnahmeregelungen für Zugaben hin, etwa wenn es sich um handelsübliches Zubehör zur Ware oder handelsübliche Nebenleistungen handelt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HWG). Dazu nennt die Regelung selbst Beispiele: Als handelsüblich gilt demnach „insbesondere eine im Hinblick auf den Wert der Ware oder Leistung angemessene teilweise oder vollständige Erstattung oder Übernahme von Fahrtkosten für Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs, die im Zusammenhang mit dem Besuch des Geschäftslokals oder des Orts der Erbringung der Leistung aufgewendet werden darf“. Dies gelte auch, wenn die Apotheke nur aufgesucht wird, um ein Rezept einzulösen, so Kieser. Er selbst hält auch die Übernahme von Parkkosten, die im Zusammenhang mit dem Apothekenbesuch stehen, für zulässig, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis stehen.

„Mit dem BGH-Urteil wird die Benachteiligung inländischer gegenüber ausländischer Apotheken weiter manifestiert. Wir fordern die Bundesregierung auf, jetzt die Benachteiligung inländischer Apotheken zu beenden und begrenzte Boni für alle Apotheken, im Inland wie im Ausland, zu ermöglichen. Umsatzeinbußen müssen hierbei nicht befürchtet werden, wenn die Vergütung der Apotheken in Abhängigkeit von deren Umsatz bemessen wird. Kleine und mittlere Apotheken können so gezielt gefördert werden. Einen entsprechenden Vorschlag haben wir bereits in den Bundestag eingebracht.“

MdB Kordula Schulz-Asche ­(Grüne)

Zu handelsüblichem Zubehör und Nebenleistungen gehören aus Kiesers Sicht zudem Verpackungen, Tüten oder Taschen. Auch die Übernahme von Versandkosten oder die kostenlose Botenzustellung von Rx-Arzneimitteln dürfte als handelsübliche und damit zulässige Nebenleistung anzusehen sein. Für Kieser ist es überdies nicht auszuschließen, dass Papiertaschen­tücher bei der Rezepteinlösung „handelsübliches Zubehör“ sein könnten – etwa wenn in der Grippesaison entsprechende Arzneimittel gekauft werden. Doch ob das wirklich so ist, muss wohl die Rechtsprechung klären.

Klar ist: Auch nach den BGH-Urteilen gibt es noch offene Fragen. Kieser geht davon aus, dass künftig jede Zuwendung genau unter die Lupe genommen wird. Leider gehe mit den aktuellen BGH-Urteilen die Schere zwischen Privilegien der ausländischen Versandapotheken und Restriktionen der inländischen Präsenzapotheken weiter auseinander. Für ihn wäre es nun ein Schritt in die richtige Richtung, wenn das generelle HWG-Zugabeverbot bei Rx-Arzneimitteln für die inländischen Apotheker abgeschafft wird und die Spürbarkeitsgrenze von 1 Euro bei Rx – auch berufsrechtlich – gilt.

Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas, der die Apothekerin im „Ofenkrusti-Fall“ vertreten hat, sieht den Ball „nun endgültig im Feld des Gesetzgebers“. Wenn dieser jetzt nicht aktiv werde, könne dies nur bedeuten, dass er „das deutsche Apothekenwesen nach und nach zerstören möchte und es billigend in Kauf nimmt, dass deutsche Apotheken reihenweise in die Insolvenz gehen.“ |

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