Krankenversicherer übernimmt PBM

Milliardendeal im US-Gesundheitswesen rückt näher

München - 13.08.2018, 16:30 Uhr

Der US-Krankenversicherungskonzern Cigna will den Arzneimittelhändler Express Scripts übernehmen. ( r / Foto: Imago)

Der US-Krankenversicherungskonzern Cigna will den Arzneimittelhändler Express Scripts übernehmen. ( r / Foto: Imago)


Das Rennen um die milliardenschwere Übernahme des US-Pharmacy Benefit Managers Express Scripts durch den Krankenversicherer Cigna nimmt eine neue Wendung: Nachdem vergangene Woche der mächtige Investor Carl Icahn vor dem Deal gewarnt hatte, ruft der einflussreiche Aktionärsberater ISS nun die Anteilseigner dazu auf, dem Geschäft zuzustimmen.

Es wäre ein Deal mit Signalwirkung, und er würde die Gewichte auf dem US-amerikanischen Versicherungsmarkt deutlich verschieben: Seit März versucht der US-Versicherer Cigna, den Pharmacy Benefit Manager (PBM) Express Scripts zum Preis von 67 Milliarden Dollar (58 Milliarden Euro) zu übernehmen. Gemeinsam würden die Konzerne eine ungeheure Marktmacht entwickeln - Express Scripts als Spezialist von Preisverhandlungen für Arzneimittel, und Cigna mit seinen Beziehungen zu weltweit 95 Millionen Krankenversicherten. 

Doch die Befürworter und Bremser des Deals zerren heftig an unterschiedlichen Seiten desselben Seils. Erst in der vergangenen Woche hatte der milliardenschwere aktivistische Investor Carl Icahn, der sich selbst kürzlich an Cigna beteiligt hatte, versucht, mittels eines ausführlichen Briefs an die Cigna-Aktionäre die Übernahme zu stoppen. In einem düsteren Szenario wies er darauf hin, dass die Fusion, sollte sie zustande kommen, „mit den schlimmsten Akquisitionen in der Unternehmensgeschichte konkurrieren könnte.“ Als Risikofaktoren nannte er insbesondere die regulatorischen Herausforderungen des PBM-Modells sowie das Wettbewerbsrisiko durch den Amazon-Konzern, der eine existenzielle Bedrohung für PBMs wie Express Scripts sei. US-Präsident Donald Trump hatte seinerseits angekündigt, den Einfluss der PBM deutlich reduzieren zu wollen. Aus seiner Sicht sind diese Mittelsmänner im US-Gesundheitssystem verantwortlich für einen erheblichen Teil der Kostensteigerungen, die zu den höchsten weltweit zählen. Unterstützt von Trump hatte das US-Gesundheitsministerium kürzlich konkrete Pläne vorgestellt, wie der Einfluss der PBM limitiert werden soll.

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Doch nun haben die Befürworter der Übernahme ihrerseits Unterstützung erhalten. Nach übereinstimmenden Berichten mehrerer US-Medien hat der einflussreiche Aktionärsberater ISS den Cigna-Anteilseignern empfohlen, dem Milliardendeal zuzustimmen. Nach Angaben von ISS handele es sich dabei um ein überzeugendes Geschäft. Außerdem erhalte der fusionierte Konzern dadurch auf einen Schlag die nötige Größe und einen starken Zufluss an Barmitteln. Zuvor hatte sich bereits der Cigna-Großaktionär Glenview positiv zu dem Vorhaben geäußert.

Apothekenkette, PBM, Versicherung: alles in einem Konzern

Cigna ist einer der größten Krankenversicherer in den USA. Der Konzern hatte den Deal im März angekündigt und gesagt, dass beide Unternehmen gut zueinander passten. Gemeinsam könnten sie die Versorgung der Patienten verbessern und die Gesundheitskosten senken. Cigna bot 48,75 Dollar in bar für jede Express-Scripts-Aktie. Der daraus resultierende Gesamtpreis von 54 Milliarden Dollar entsprach einem Aufschlag von 31 Prozent auf den damaligen Aktienkurs von Express Scripts und beinhaltet die Übernahme der Schulden von Express Scripts im Wert von etwa 15 Milliarden Dollar.

Express Scripts ist als Dienstleister auf Preisverhandlungen spezialisiert. Einem Krankenversicherer können solche Fähigkeiten gegenüber der Pharmaindustrie einen wichtigen Vorteil verschaffen. Vor diesem Hintergrund ist auch die aktuelle Übernahme von Cignas Wettbewerber Aetna durch CVS Health zu sehen. Durch den 69-Milliarden-Dollar-Deal würde ein Gesundheitskonglomerat entstehen, das Krankenversicherungen, Verordnungsleistungen und Apotheken unter einem Dach vereinigt. Die Aktionäre beider Unternehmen haben der Transaktion bereits zugestimmt. Laut CVS soll das Geschäft im späten dritten Quartal oder Anfang des vierten Quartals abgeschlossen sein.

Die Aktien von Cigna gaben zuletzt leicht nach, nachdem sie in diesem Jahr insgesamt fast zehn Prozent verloren haben. Unterdessen zogen die Anteile der Express-Skripte im August kräftig an und sind seit Januar um mehr als 12 Prozent gestiegen.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa-AFX haben Aktionärsberater wie ISS im angelsächsischen Raum großen Einfluss. Aber auch in Deutschland hätten sie vor Hauptversammlungen mit ihren Argumenten schon dazu beigetragen, dass Aktionäre Vorschläge eines Dax-Konzerns auf der Hauptversammlung ablehnten, oder das Unternehmen ein kritisiertes Vorhaben von der Tagesordnung genommen habe.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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