Höchstrichterliches Urteil ohne Folgen

Suizid-Arzneimittel: Tagesspiegel klagt gegen BMG 

Berlin - 04.07.2018, 15:45 Uhr

Das BMG will nicht, dass das BfArM das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Suizid-Arzneimitteln umsetzt. (m / Foto: Imago)

Das BMG will nicht, dass das BfArM das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Suizid-Arzneimitteln umsetzt. (m / Foto: Imago)


Bundesgesundheitsministerium muss sich erklären

Mittlerweile ist das Ministerium einen Schritt weiter. Staatssekretär Lutz Stroppe schrieb Ende Juni an BfArM-Präsident Karl Broich und nahm darin Bezug auf die dem BfArM vorliegenden Anträge. „Nach intensiver Beratung im Bundesministerium für Gesundheit möchten wir Sie hiermit bitten, solche Anträge zu versagen“, heißt es in dem Brief. Die Ergebnisse des Di Fabio-Gutachtens entsprächen der Einschätzung des BMG, so Stroppe. Und weiter: „Nach unserer Überzeugung [darf] durch eine deutsche Verwaltungsbehörde auf Bundesebene keine Entscheidung dahingehend getroffen werden, die Tötung eines Menschen durch Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb des konkreten Suizidmittels zuzulassen und damit aktiv zu unterstützen.“ Das BfArM äußert sich bislang nicht dazu, wie es nach diesem Brief mit den bereits vorliegenden und den noch eigehenden Anträgen umgehen wird.

Rechtliche oder politische Motive?

Man kann das höchstrichterliche Urteil sicherlich kritisieren, ethisch wie auch politisch. Tatsache ist, dass es in der Welt ist und damit – streng rechtlich gesehen – beachtet werden muss. Und so ist der praktische Umgang mit dem Urteil nicht jedem verständlich. Auch nicht dem Tagesspiegel-Journalisten und Juristen Jost Müller-Neuhof. Er wollte genauer wissen, was hinter der „fortgesetzten Weigerung“ des BMG steckt, das Sterbehilfe-Urteil umzusetzen. Dazu hat er presserechtliche Auskunftsansprüche gegen das BMG vor dem Verwaltungsgericht Köln geltend gemacht. Einen Großteil der Fragen zu den Hintergründen seiner Pressearbeit hat das Ministerium mittlerweile beantwortet, so dass der Rechtsstreit in diesen Punkten erledigt ist. Doch einige Informationen zu Leitungsvermerken und behördeninternen Mailwechseln, die nach dem Urteil verfasst wurden, soll das Ministerium nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts noch liefern. Müller-Neuhof möchte nachvollziehen können, wie es zu der Haltung an der BMG-Spitze des Ministeriums kam und ob dieser – neben rechtlichen – vorrangig politische Motive zugrunde liegen. Er geht davon aus, dass das BMG frühzeitig begonnen hat, das Urteil zu umgehen. Mit Di Fabio habe man sich einen prominenten Verfassungsrechtler für das Gutachten ausgesucht, der zugleich bekennender Katholik und Sterbehilfe-Gegner ist. Das Ergebnis des Gutachtens war damit für das BMG wohl kaum überraschend. Ob das BMG nun weitere Auskünfte erteilt, bleibt abzuwarten. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Minister Jens Spahn (CDU) kann Beschwerde einlegen.

Lauterbach: Sauber wäre ein neues Gesetz

Es stellt sich die Frage, wie die Politik nun weiter vorgeht. Der SPD-Gesundheitspolitiker twitterte nach Stroppes Brief an das BfArM: „Gesundheitsminister Spahn fordert Bundesbehörde BfArM auf, das geltende Recht zu missachten. Grundlage ist das Gutachten eines Richters in Rente. Wenn das in Kürze alle Ministerien tun, haben wir keinen Rechtsstaat mehr. Sauber wäre jetzt ein neues Gesetz“. Genaueres war aus seinem Büro allerdings noch nicht zu erfahren – die Gespräche laufen, heißt es. Lauterbach gehört zu den Politikern, die das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts für richtig halten.

Eine Nachfrage von DAZ.online im BMG, ob es eine gesetzliche Klarstellung plant, blieb bislang unbeantwortet.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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