Nach Heilpraktiker-Skandal

AMK warnt Apotheker vor 3-Brompyruvat

Stuttgart - 31.01.2018, 10:10 Uhr

3-Brompyruvat ist das bromierte Derivat der Brenztraubensäure.

3-Brompyruvat ist das bromierte Derivat der Brenztraubensäure.


Nachdem im Sommer 2016 mehrere Krebspatienten eines Heilpraktikers nach Gabe des ungeprüften Präparats 3-Brompyruvat verstarben, hat sich nun die AMK hiermit beschäftigt. Sie hat Empfehlungen zusammengestellt, wie Apotheker mit der Substanz umgehen sollten.

Als vor gut anderthalb Jahren mindestens drei Krebspatienten kurz nach der alternativmedizinischen Behandlung eines Heilpraktikers aus Brüggen-Bracht verstarben, sorgte der Fall bundesweit für Aufsehen. Er zog Forderungen nach sich, das Heilpraktikerwesen in Deutschland zu reformieren – oder sogar gänzlich abzuschaffen. Die Staatsanwaltschaft Krefeld ermittelt seitdem, doch ist die Aufklärung schwierig, inwiefern die Todesfälle mit der Gabe des ungeprüften Mittels 3-Brompyruvat zusammenhängen. Bislang wurde noch nicht einmal Anklage gegen den Heilpraktiker erhoben.

Unklar ist auch, inwiefern der Heilpraktiker berechtigt war, das Mittel seinen Patienten zu verabreichen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärte im Herbst 2016, nach seiner Einschätzung handele es sich um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel: Laut § 48 Arzneimittelgesetz sind Arzneimittel mit Wirkstoffen, deren Wirkungen in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannt sind, rezeptpflichtig. „Bei 3-Bromopyruvat (3-BP) handelt es sich nach hiesiger Einschätzung um einen solchen Stoff“, betonte das BfArM. „Damit dürfen entsprechende Arzneimittel (Fertigarzneimittel sowie Rezeptur- und Defekturarzneimittel) zur Anwendung beim Menschen nur bei Vorlage einer ärztlichen Verschreibung abgegeben werden.“

Wie sollen Apotheker mit dem Stoff umgehen? 

Hiergegen hätte der Heilpraktiker verstoßen, da er die Substanz unter anderem von einem Apotheker in Hessen bezogen hatte – doch nach Ansicht von Behörden in Nordrhein-Westfalen hätte er zum fraglichen Zeitpunkt womöglich davon ausgehen können, dass ihm die Verabreichung gestattet sei. In einer Stellungnahme befasste sich nun die AMK mit der Frage, wie Apotheker mit dem Brenztraubensäure-Derivat 3-BP umgehen sollten.

Da 3-BP in den Glucose-Stoffwechsel eingreift, könnte es die Energieproduktion von Krebszellen hemmen, da Krebszellen diese Energiequelle bevorzugen, mutmaßt die AMK. Allerdings gibt es bislang wenig Untersuchungen hierzu. „In verschiedenen Tiermodellen zeigte 3-BP deutliche tumorspezifische antitumorale Wirkungen“, schreibt die AMK − „ohne toxische Effekte“, betont sie. Der Mechanismus dieser Wirkung in experimentellen Tumorstudien sei aber ungeklärt, da 3-BP außer der Hemmung der Glykolyse weitere Effekte zeigt. Auch sei über die Pharmakokinetik von 3-BP bislang wenig bekannt. 

Ethikkommission muss zustimmen

Es sind bislang nur wenige Einzelfälle in wissenschaftlichen Studien beschrieben, bei denen Patienten 3-BP erhielten – die AMK verweist auf zwei von diesen. Ein 28-jähriger Patient habe Infusionen „mit geringer Wirksamkeit“ erhalten, erklärt die AMK. Dabei lässt sie offen, wie sich in einer Einzelfallbeschreibung eine Wirksamkeit feststellen lässt. Ein weiterer Patient erhielt eine „nicht näher angegebene, spezielle und patentierte Formulierung von 3-BP intraarteriell“, schreibt die AMK. „Die Autoren vermuten, dass die 3-BP-Therapie das Leben dieses Patienten verlängert und seine Lebensqualität verbessert hätte“. Doch sei der Patient zwei Jahre später verstorben.

Bisher habe keine Bundesoberbehörde 3-BP als bedenklich eingestuft, betont die AMK. „Potenziell wirksame Dosierungsbereiche und Toxizität sind nicht hinreichend bekannt“, heißt es in der Mitteilung. „Daher erscheint nur die Anwendung als Heilversuch unter genau geprüften Umständen und unter Zustimmung einer Ethikkommission gerechtfertigt.“

Auf Rezepturen mit 3-BP treffe zu, was die AMK in den allgemeinen Empfehlungen ihrer Information zu “Bedenklichen Rezepturarzneimitteln“ anführt, schreibt die Kommission: „Stoffe, gegen die Vorbehalte wegen unzureichender Daten bestehen, können in Rezepturarzneimitteln nur Mittel der ferneren Wahl sein. Die AMK rät von der Abgabe ohne ärztliche Verschreibung und von der defekturmäßigen Herstellung dringend ab.“

Bewertung unbedingt dokumentieren

Die Apotheke solle sich beim Arzt über die Hintergründe der Verordnung informieren und ihm ihre Vorbehalte, möglichst mit Literaturbelegen, erläutern. Apotheker und Arzt sollten anhand der Literaturdaten gemeinsam den zu erwartenden Nutzen und die möglichen Risiken für den individuellen Patienten bewerten und Therapiealternativen erwägen. „Bewertet einer der Beteiligten das Nutzen/Risiko-Verhältnis negativ, so soll die Rezeptur nicht angefertigt werden“, schreibt die AMK. „Die Apotheke sollte die Ergebnisse der Nutzen/Risiko-Bewertung dokumentieren“. 

Außerdem müsse bei Vorlage einer Verschreibung eines 3-BP-haltigen Rezepturarzneimittels zunächst die pharmazeutische Qualität des Ausgangsstoffes und des Endproduktes sichergestellt werden. „Da dies hier voraussichtlich nicht entsprechend Paragraf 11 der ApBetrO möglich ist, müssen Apotheker und verschreibender Arzt Nutzen und Risiken auch im Hinblick auf die pharmazeutische Qualität und die vorgesehene Indikation gegeneinander abwägen“, erklärt die AMK. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.