Jahrestagung Consumer Health Care

Digitalisierung – Bedrohung für die freiberufliche Apotheke?

Berlin - 01.11.2017, 10:20 Uhr

Professor Hilko Meyer wertet das EuGH-Urteil überdies ganz klar als „Angriff auf die nationale Zuständigkeit für das Gesundheitswesen“

Professor Hilko Meyer wertet das EuGH-Urteil überdies ganz klar als „Angriff auf die nationale Zuständigkeit für das Gesundheitswesen“


„Angriff auf die nationale Zuständigkeit für das Gesundheitswesen“

In dieser sich verschärfenden Situation sei das Urteil des EuGH zu den Rx-Boni für ihn „eingeschlagen wie eine Bombe“. Der EuGH habe damit nicht nur auf einen Schlag ein ganzes System außer Kraft gesetzt. Meyer wertet das Urteil überdies ganz klar als „Angriff auf die nationale Zuständigkeit für das Gesundheitswesen“ und bezeichnete die Argumentation des EuGH überdies als „dreist“. Der deutsche Arzneimittelmarkt biete größere Marktfreiheiten als andere EU-Staaten: Es gebe keine Bedarfsplanung, keine Niederlassungsbeschränkung, keine staatliche Gebührenordnung für Apotheken, kein ärztliches Dispensierrecht und kein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Dabei wären solche Eingriffe nach der Rechtsprechung des EUGH gerechtfertigt. Die Apotheken in Deutschland befänden sich demzufolge in einer wettbewerbsintensiveren Situation als in manchen anderen Ländern, und genau hierauf sei der EuGH offenbar angesprungen, denn in den Wettbewerb dürfe die EU ja eingreifen.

Wie geht der Geist wieder in die Flasche?

Meyer äußerte sich auch zu den möglichen politischen Handlungsoptionen als Reaktion auf das Urteil. Er hält es für fraglich, ob das EuGH-Urteil aus 2003 heute noch tragen würde. In diesem hatte der Gerichtshof  befunden, dass das deutsche Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel zwar gegen die Warenverkehrsfreiheit verstoße, dass es aber gerechtfertigt, weil verhältnismäßig sei. Seit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) aus dem Jahr 2004 ist der Versandhandel mit sämtlichen Arzneimitteln in Deutschland erlaubt. „Ich habe so das Gefühl, dass es nicht gelingt, den Geist, der da aus der Flasche gelassen wurde,  wieder reinzukriegen“, sagte Meyer, zumal mit der anstehenden Jamaica-Koalition nun eine völlig neue politische Sachlage entstanden sei. 

Digitalisierung könnte die freiberufliche Apotheke weiter bedrohen

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen  biete nun in der Zukunft noch erheblich mehr Möglichkeiten für grenzüberschreitende Dienstleistungen. Meyer befürchtet, dass die freiberufliche Apotheke hierdurch angesichts der jüngsten Ausrichtung der europäischen Gesetzgeber weiter bedroht werden könnte. Zwar dürften nationale Gesetzgeber die Aufgaben, Standards und die  Vergütung der Apotheken weiterhin selbst ausgestalten, aber sie müssten dabei substantiiert darlegen, warum diese im Sinne des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt sind und sie gegenüber der EU sattelfest machen. „Gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung im Gesundheitswesen kommt es darauf an, dass die Regelungen zur  Qualität und zu den Preisen apothekerlicher Leistungen konsistent und diskriminierungsfrei sind“, resümierte Meyer.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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