Schweiz

Versorgungs-Innovationen nur mit Apothekern

Remagen - 25.10.2017, 10:30 Uhr

In der Schweiz wünschen sich mehrere heilberufliche Verbände mehr Versorgungs-Innovationen, die Apotheker sind an der Debatte beteiligt. (Foto: dpa)

In der Schweiz wünschen sich mehrere heilberufliche Verbände mehr Versorgungs-Innovationen, die Apotheker sind an der Debatte beteiligt. (Foto: dpa)


In vielen europäischen Ländern gibt es Pläne, die medizinische Grundversorgung zu reformieren, so auch bei unseren Nachbarn in der Schweiz und in Österreich. Gefordert werden neue Modelle und eine verbesserte Zusammenarbeit der Leistungserbringer. Nicht überall sind die Apotheker mit im Boot, in der Schweiz aber wohl auf jeden Fall.

In der Schweiz wünschen sich die Gemeinden, Städte und Leistungserbringer wie Krankenhäuser, Hausärzte, Apotheken (pharmaSuisse) und Heime neue Modelle für die medizinische Grundversorgung. Hierzu müsse die Politik die notwendigen Rahmenbedingungen und Anreize schaffen. Dies fordern die dortigen Verbände und Organisationen in einer gemeinsamen Resolution im Rahmen des „Forums Medizinische Grundversorgung“. Das Forum wurde im Herbst 2015 eingerichtet, nachdem im Jahr 2014 ein neuer Artikel zur Förderung der medizinischen Grundversorgung in die Bundesverfassung aufgenommen worden war. Es soll dafür sorgen, dass sich die Kantone und eine repräsentative Gruppe von Stakeholdern fortlaufend untereinander austauschen, um das Anliegen gemeinsam voranzubringen.

Interprofessionelle Zusammenarbeit verbessern

Die Beteiligten sind sich einig: Es braucht eine Neuausrichtung der Versorgungsstrukturen und eine bessere Zusammenarbeit aller Leistungserbringer mit neuen Finanzierungsmodellen. Sie wollen deshalb Modelle für eine integrierte Versorgung fördern, Pilotprojekte in unterschiedlichen Versorgungsregionen initiieren und gemeinsam weiterentwickeln sowie die Übernahme erfolgreicher Versorgungsmodelle in anderen Regionen forcieren.

Zwei Hauptaufgaben für die Apotheker definiert

In den letzten Jahren wurden in der Schweiz bereits deutliche Akzente gesetzt, um die Expertise der Apotheker in der Gesundheitsversorgung stärker zu nutzen. Im November 2012 hatte die Nationalrätin Ruth Humbel den Schweizer Bundesrat über ein „Postulat“ damit beauftragt, zu untersuchen, welche Aufgaben die Apotheken im Gesundheitswesen wahrnehmen können und wie ihr Tätigkeitsgebiet zur Sicherung der Grundversorgung ausgebaut werden kann. Vor einem Jahr wurde der Bericht dazu als Postulat vorgelegt.

Hiernach sieht der Bundesrat die Rolle der Apotheker primär in zwei Bereichen. Zum einen sollen sie verstärkt als niederschwelliger Zugang zum Gesundheitssystem genutzt werden, und zum anderen sollen sie mit ihrer Expertise noch mehr Qualität in die Arzneimitteltherapie hereinbringen.

Arzneimittelabgabe, Qualitätszirkel und NetCare

Die rechtlichen Pflöcke für die neue Positionierung wurden mit der Revision des schweizerischen Heilmittelgesetzes (HMG) und des Medizinalberufegesetzes (MedBG) zwischenzeitlich bereits eingeschlagen. In Zukunft sollen die Apotheker auch gewisse verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Vorliegen eines ärztlichen Rezepts abgeben dürfen. Die Qualität der Arzneimitteltherapie soll durch die Qualitätszirkel von Ärzten und Apothekern gesteigert werden, die es in einigen Kantonen bereits gibt. Ein weiteres Gemeinschaftsprojekt von Ärzten und Apothekern ist das Projekt netCare des Schweizerischen Apothekerverbandes pharmaSuisse. Hierbei nehmen speziell weitergebildete Apotheker anhand von Ablaufdiagrammen (Algorithmen) eine Erstabklärung (Triage) gesundheitlicher Beschwerden vor. Bei Bedarf wird ein Arzt per Telefon oder Videokonferenz zu Rate gezogen. Allerdings stoßen sowohl die erweiterten Abgabekompetenzen als auch die Qualitätszirkel und das Projekt netcare bei der schweizerischen Ärzteschaft bis dato nicht unbedingt auf Gegenliebe. 

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Österreich: Apotheker in der Primärversorgung „auf Abstand“

Trotzdem scheinen die Schweizer Apotheker damit schon erheblich besser dazustehen als ihre österreichischen Nachbarn. Dort sorgt ein Gesetzesvorhaben für Unruhe, mit dem die medizinische Grundversorgung neu strukturiert werden soll. Geplant sind sogenannte Primärversorgungseinheiten, in denen die Patienten eine Rundum-Betreuung erhalten.

Eine Primärversorgungseinheit soll entsprechend den örtlichen Verhältnissen entweder an einem Standort oder als Netzwerk an mehreren Standorten eingerichtet werden können. Ein Primärversorgungskernteam soll aus Ärzten bzw. Fachärzten bestehen. Apotheker sollen nicht dazugehören, aber als „Primärversorgungs-Partner“ außerhalb der Primärversorgungseinheit infrage kommen. Bislang hält sich die Begeisterung für das Modell in Grenzen. Die österreichische Ärztekammer (ÖÄK) befürchtet, dass die Hausärzte durch die neuen Einrichtungen verdrängt werden könnten, und die Apotheker kritisieren, dass sie dabei außen vor bleiben sollen.

Dorfgemeinschaft 2.0 mit den Apothekern

Wie sieht es diesbezüglich in Deutschland aus? Ein Beispiel dazu: Im südwestlichen Niedersachsen wird gerade ein interessantes Projekt mit der Bezeichnung „Dorfgemeinschaft 2.0“  auf den Weg gebracht, eine digitale Plattform, die sich unter anderem mit Gesundheit und Pflege befasst. Hieran sollen sich lokale Dienstleister wie Ärzte, Apotheken und Pflegedienste beteiligen. Hier wären die Apotheker also mit im Boot. Das Projekt steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Das wohl größte innovative Versorgungsmodell, an dem Apotheker beteiligt sind, ist die Arzneimittelinitiative in Sachsen und Thüringen (ARMIN). Dort führen Apotheker gemeinsam mit den Medizinern ein Medikationsmanagement durch.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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