Gesetzesvorhaben sorgt für Furore

Neugeordnete Primärversorgung in Österreich ohne Apotheker 

Remagen - 06.06.2017, 12:30 Uhr

In Österreich soll die primäre Gesundheitsversorgung neu strukturiert werden. Weder Ärzte noch Apotheker sind jedoch begeistert. (Foto: niyazz / Fotolia)

In Österreich soll die primäre Gesundheitsversorgung neu strukturiert werden. Weder Ärzte noch Apotheker sind jedoch begeistert. (Foto: niyazz / Fotolia)


In Österreich sorgt ein Gesetzesvorhaben für Furore, mit dem die primäre Gesundheitsversorgung neu strukturiert werden soll. Geplant sind sogenannte Primärversorgungseinheiten, in denen die Patienten eine Rundum-Betreuung erhalten. Die Ärzteschaft befürchtet Nachteile für die eigenständigen Praxen, und auch die Apotheker sind nicht begeistert. Sie sollen nämlich außen vor bleiben.

Im Februar 2017 hat das österreichische Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (BMGF) den Referentenentwurf für ein „Gesundheitsreformumsetzungsgesetz 2017 – GRUG 2017“  vorgelegt. Das Hauptanliegen des Artikelgesetzes ist, ein Bundesgesetz über die Primärversorgung in Primärversorgungseinheiten (Primärversorgungsgesetz 2017 – PVG 2017, auch Primary Health Care-Gesetz, PHC-Gesetz) zu erlassen. 

Was hat man sich hierunter vorzustellen? Nach dem Gesetzentwurf soll eine Primärversorgungseinheit entsprechend den örtlichen Verhältnissen entweder an einem Standort oder als Netzwerk an mehreren Standorten eingerichtet werden können. Primärversorgungseinheiten mit einem Standort sollen nur in der Organisationsform einer Gruppenpraxis oder eines selbständigen Ambulatoriums geführt werden können. Wird die Form des Netzwerks gewählt, zum Beispiel in Form eines Vereins, so soll sie nur von freiberuflich tätigen Ärzten, anderen nichtärztlichen Angehörigen von Gesundheits- und Sozialberufen oder deren Trägerorganisationen gebildet werden können. Je nach Bedarf soll das Primärversorgungskernteam aus Ärzten bzw. Fachärzten um weitere relevante Berufsgruppen, wie etwa Ergotherapeuten, Hebammen oder Logopäden bzw. Einrichtungen erweitert werden können. Das Kernteam soll darüber hinaus einen regelmäßigen Kontakt mit verschiedenen „Primärversorgungs-Partnern“ außerhalb der Primärversorgungseinheit pflegen. Hierzu gehören auch die Apotheken. 

Allgemeinmedizin aufwerten

Mit den neuen Einheiten wollen die Gesundheitspolitiker nicht nur die ambulante wohnortnahe Versorgung der Patienten verbessern, sondern auch den Ärzten etwas Gutes tun. Das Modell soll die Allgemeinmedizin aufwerten und die Rolle der Hausärzte durch mehr Vernetzung, attraktivere Honorierungsformen und flexiblere Formen der Berufsausübung stärken. Dies soll letzten Endes auch die Primärversorgung im ländlichen Bereich verbessern.

Die Umstellung auf die Primärversorgungseinheiten soll langfristig erfolgen, so dass in bereits bestehende niedergelassene hausärztliche Strukturen oder in bestehende Vertragsverhältnisse nicht eingegriffen wird. Die beteiligten Berufsgruppen sollen die Möglichkeit erhalten, auf das neue System umzusteigen. Bei der Auswahl der Bewerber für neue Primärversorgungseinheiten soll bestehenden Praxen ein Vorrang eingeräumt werden. Der Angst vor dem Einstieg von Großkonzernen wird begegnet, indem „beherrschende Eigentümerstrukturen“ ausgeschlossen werden sollen. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Besser nicht dabei

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 06.06.2017 um 15:34 Uhr

Die Kollegen in Österreich sollten froh sein, dass man sie nicht in ein solches System drängt. Da drohen Konzernstrukturen (MVZs lassen grüßen) und Honorierung durch Fallpauschalen, also Verlagerung des Risikos auf die Leistungserbringer. Natürlich muss die Zusammenarbeit mit den neuen Strukturen organisiert werden, aber nicht mehr.

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