Berufsgericht

Apotheker darf trotz tödlicher Fehlabgabe weiterarbeiten

Stuttgart - 19.10.2017, 17:45 Uhr

Das Berufsgericht für Heilberufe am Verwaltungsgericht Münster verhandelte den Fall eines Apothekers, der ein falsches Arzneimittel abgegeben hatte, woraufhin die Patientin verstorben war. (Foto: picture alliance / dpa )

Das Berufsgericht für Heilberufe am Verwaltungsgericht Münster verhandelte den Fall eines Apothekers, der ein falsches Arzneimittel abgegeben hatte, woraufhin die Patientin verstorben war. (Foto: picture alliance / dpa )


Berufsgericht sieht fehlerhafte Abgabe als „Augenblicksversagen“

Die Richter stellten klar fest, dass er durch die fehlerhafte Abgabe gegen seine Pflichten zur „gewissenhaften Berufsausübung verstoßen und dadurch dem in ihn als Apotheker gesetzten Vertrauen nicht entsprochen“ habe. Auch aus der Notwendigkeit, das Ansehen der Angehörigen des Berufsstandes der Apotheker zu wahren und um das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität und Zuverlässigkeit des Berufsstandes zu sichern, seien ein Verweis und eine Geldbuße zu verhängen, stellten sie fest.

Sie berücksichtigten dabei, dass das Landgericht Bielefeld von einer eher geringen strafrechtlichen Schuld des Beschuldigten ausgegangen sei. „Die gleichwohl verbleibende nicht unerhebliche Schwere der Berufspflichtverletzung des Beschuldigten werde durch entlastende Gesichtspunkte gemildert“, stellten die Richter fest. Die fehlerhafte Abgabe des Arzneimittels sehen sie als „Augenblicksversagen“ des Beschuldigten, auch da ihm ansonsten keine derartigen Fehler unterlaufen waren. 

Weder Kammer noch Apotheker wollen Rechtsmittel einlegen

Hinzu tritt nach Ansicht des Gerichts der Milderungsgrund der tätigen Reue. Der Apotheker habe von sich aus die Angehörigen der verstorbenen Patientin darauf hingewiesen, dass eine Verwechslung des ihr verschriebenen Arzneimittels vorliege, und zudem darauf hingewiesen, dass dies zu ihrem Tod geführt haben könnte, führten sie an – was „maßgeblich“ zur Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen ihn geführt habe. „Angesichts der Vorerkrankungen der Patientin spreche vieles dafür, dass die Verwechslung des Arzneimittels als Ursache für ihren Tod nicht entdeckt worden wäre, wenn der Beschuldigte darauf nicht hingewiesen hätte“, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts.

Auch aufgrund seiner „nachdrücklich und glaubhaft geschilderten tiefen emotionalen Betroffenheit“ am Tag der Feststellung seines Fehlverhaltens – und der Fortdauer dieser Betroffenheit bis heute – bedürfe es keiner über einen Verweis und eine Geldbuße hinausgehenden berufsgerichtlichen Maßnahme, um den Beschuldigten nachhaltig anzuhalten, seinen Berufspflichten künftig nachzukommen, erklärte das Berufsgericht. So hatte es auch keine Bedenken, dass das durch die Fehlabgabe beeinträchtigte Vertrauen der Bevölkerung in den Berufsstand der Apotheker wiederhergestellt wird.

Da sowohl der Apotheker als auch die Apothekerkammer erklärt haben, keine Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen, ist es bereits rechtskräftig (Az. 17 K 5288/17.T). Die „tiefe Reue“ des Betroffenen und die Tatsache, dass der Apotheker sofort reagiert hat, als er den Fehler eingesehen hat, habe die Apothekerkammer bewogen, den Fall nicht weiter zu verfolgen, erklärte ein Kammersprecher auf Nachfrage. 




Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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