Rechtsprechung aktuell

Unwissenheit schützt vor Strafe nicht

Wird in einer Apotheke ein verschreibungspflichtiges Medizinprodukt ohne Rezept abgegeben, so kann sich der Apotheken–leiter nicht darauf berufen, ihm sei die Verschreibungspflicht nicht bekannt gewesen. Sobald Änderungen von Abverkaufs–bestimmungen in der Fachpresse veröffentlicht werden, muss er dies zur Kenntnis nehmen und sein Personal hierüber unterrichten.

So jedenfalls sieht es das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Meinigen: Dieses hat einen Apothekenleiter mit einer Geldbuße von 500 Euro belegt, nachdem eine bei ihm angestellte Pharmazieingenieurin das verschreibungspflichtige Medizinprodukt CM3-Kapseln ohne Vorlage eines Rezeptes abgegeben hatte. Dass der Apotheker zudem in einer Zeitungsanzeige und im Internet ohne Hinweis auf die Verschreibungspflicht für das Präparat geworben hatte, beanstandete das Berufsgericht hingegen nicht. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Meinigen vom 18. Januar 2006, Az.: 7 B 70001/03.Me – nicht rechtskräftig)

Im Mai 2003 bewarb der beschuldigte Apotheker neben Waren des Randsortiments auch CM3-Kapseln "zur Behandlung des Übergewichts und zur Gewichtskontrolle" mit einem Preis von 26,99 Euro in einer Zeitungsanzeige. Ein Hinweis auf die Verschreibungspflicht fehlte, obwohl im Juni 2002 sowohl in der Deutschen Apotheker Zeitung als auch in der Pharmazeutischen Zeitung bekannt gemacht wurde, dass das Medizinprodukt der Verschreibungspflicht unterstellt wurde. Auch auf seiner Website bot der Apotheker das Produkt ohne Hinweis auf die Verschreibungspflicht an. Eine Mitarbeiterin einer konkurrierenden Apotheke führte daraufhin einen verdeckten Testkauf in der fraglichen Apotheke durch und bekam das Präparat von einer angestellten Pharmazieingenieurin anstandslos ausgehändigt. Die Pharmazieingenieurin wurde daraufhin in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren mit einer Geldbuße von 50 Euro belegt. Der Apothekenleiter gab gegenüber der eingeschalteten Wettbewerbszentrale eine Unterlassungserklärung ab. Die zuständige Landesapothekerkammer Thüringen leitete jedoch ein berufsrechtliches Verfahren gegen ihn ein. Sie warf dem Apothekenleiter vor, seine Berufspflichten verletzt zu haben, indem er die ihm obliegende Verpflichtung, seinen Beruf gewissenhaft auszuführen, nicht erfüllt, die geltenden Gesetze und Verordnungen sowie das Satzungsrecht der Kammer nicht beachtet und überdies in irreführender Weise geworben habe. Der Beschuldigte berief sich darauf, von der Verschreibungspflicht nichts gewusst zu haben. Auch seine – regelmäßig gewartete – Kassen-Software habe keinen Hinweis hierauf gegeben.


Bei Werbung für Medizinprodukte: Hinweis auf Rezeptpflicht entbehrlich

Das Berufsgericht wies den Vorwurf der irreführenden Werbung mit Hinweis auf das Heilmittelwerbegesetz (HWG) zurück. Dieses gilt seit dem 1. Januar 2002 auch für Medizinprodukte wie CM3-Kapseln. Zwar sei die Anzeige und der Hinweis im Internet zweifelsfrei als Publikumswerbung einzustufen – diese sei jedoch grundsätzlich zulässig und darüber hinaus nicht irreführend. Irreführend gemäß § 3 HWG sei eine Werbung dann, wenn sie geeignet ist, durch objektiv unrichtige Angaben irrige Vorstellungen über solche Umstände hervorzurufen, die von Bedeutung sind, um die Wirkung, die Brauchbarkeit und den Wert des angepriesenen Mittels zu beurteilen. Dazu zählten insbesondere die Zusammensetzung und Beschaffenheit, Wirkungen und Indikationen. Ein fehlender Hinweis auf die Verschreibungspflicht zähle hierzu "ersichtlich nicht". Auch wenn der Katalog des § 3 nicht abschließend sei, würde er durch die Einbeziehung derartiger Sachverhalte überdehnt. Dafür spreche entscheidend, dass das HWG für Arzneimittel die Verschreibungspflichtigkeit im Falle der Werbung als Pflichtangabe vorsieht. Der Gesetzgeber habe damit zu erkennen gegeben, dass er den fehlenden Hinweis bei Medizinprodukten nicht als Irreführung ansehe. Zudem behandle der Gesetzgeber Arzneimittel und Medizinprodukte im Hinblick auf ihr Gefährdungspotenzial bewusst unterschiedlich.


Fachzeitschriften als primäre Infoquelle

Ganz unbelastet ging der Apotheker dennoch nicht aus dem Verfahren: Das Berufsgericht befand ihn für schuldig, fahrlässig gegen § 2 Abs. 2 S. 2 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) in Verbindung mit der Berufsordnung verstoßen zu haben. Nach der ApBetrO ist ein Apothekenleiter dafür verantwortlich, dass die Apotheke unter Beachtung der geltenden Vorschriften betrieben wird. Nach der Berufsordnung hat er sich über die für seine Berufsausübung geltenden Bestimmungen zu unterrichten. Wie der Apotheker einräumte, war ihm nicht bekannt, dass CM3-Kapseln der Verschreibungspflicht unterworfen wurden, obwohl dies in der Fachpresse amtlich bekannt gemacht wurde. Daher konnte er auch seine Mitarbeiter nicht über diese Änderung informieren. In der Folge wurde das fragliche Präparat unwissentlich ohne Rezept abgegeben. Da dem Apotheker kein Vorsatz nachzuweisen war, beließen es die Richter bei einem Fahrlässigkeitsvorwurf. Bei entsprechender Sorgfalt hätte sich der Beschuldigte in zumutbarer Weise über die Verschreibungspflicht des Produktes informieren können. Dass die Kassen-Software hierauf nicht hingewiesen habe, entlaste ihn nicht. Denn elektronische Sicherheitsvorkehrungen könnten nicht an die Stelle sonstiger Informationsquellen treten. Zu den primären Informationsquellen des Apothekers zählten nach wie vor die amtlichen Bekanntmachungen der einschlägigen Fachzeitschriften. 

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