Gesundheitspolitik

Später Freispruch für Berliner Apotheker

Gericht: Rx-Boni wurden ohne Vorsatz gewährt

BERLIN (ks) | Ein Berliner Apotheker, gegen den das Berufs­gericht im April 2013 wegen seiner Werbung für Ein-Euro-Gutscheine für die Rezeptein­reichung eine Geldbuße von 5000 Euro verhängt hatte, ist nun vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg frei­gesprochen worden. Zwar habe er mit seinen Rx-Boni eine Berufspflichtverletzung begangen – es habe ihm jedoch am für eine Ahndung nötigen Vorsatz gefehlt, befand das Gericht. (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.09.2018, Az.: OVG 90 H 2.13)

Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) am 9. September 2010 seine sogenannten Boni-Urteile gesprochen hatte, denen zufolge Rezept-Boni bis zu einem Euro wettbewerbsrechtlich nicht „spürbar“ und damit erlaubt seien, hatten zahlreiche Apotheker Werbeaktionen gestartet. So schaltete ein Berliner Apotheker im Oktober und im November 2010 zwei Anzeigen, in denen er mit einem Ein-Euro- Wertgutschein für die Rezepteinreichung warb. Die Apothekerkammer Berlin ging gegen ihn, ebenso wie gegen weitere Apotheker, vor und erließ zwei Rügebescheide mit der Auflage, einmal 5000 und einmal 2500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen. Der Apotheker wehrte sich – allerdings zunächst erfolglos.

Im April 2013 bestätigte das Berufsgericht für die Heilberufe am Verwaltungsgericht Berlin, dass die Ahndung durch die Kammer rechtens war und verhängte eine 5000 Euro-Geldbuße. Die wettbewerbsrechtliche Spürbarkeitsschwelle wollte das Gericht nicht einfach auf das Berufsrecht übertragen. Es war die Zeit, in der deutlich wurde: Was wettbewerbsrechtlich in Ordnung ist, muss noch lange nicht ordnungs- oder berufsrechtlich zulässig sein.

Kein Zweifel an objektiver Berufspflichtverletzung

Mehr als fünf Jahre später entschied nun das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg über die Berufung des Apothekers. Es änderte das vorinstanzliche Urteil ab und sprach den Pharmazeuten frei. In seinem umfangreichen Urteil erklärt das Gericht zunächst aber ausführlich, warum es ebenfalls einen Verstoß gegen das auch in der Berliner Berufsordnung verbotene Abgehen von den Vorschriften über Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel eine Berufspflichtverletzung annimmt. Die wettbewerbsrecht­lichen Überlegungen des BGH zur Spürbarkeitsgrenze (die mittlerweile infolge einer Gesetzesänderung überholt sind) könnten die arzneimittelpreisrechtlichen Vorschriften und die ihrer Durchsetzung dienenden berufsrechtlichen Regelungen nicht einschränken. Denn hier geht es um verschiedene Regelungsbereiche mit unterschiedlichen Zielrichtungen. Das Wettbewerbsrecht soll vor spür­baren Beeinträchtigungen durch Mitbewerber schützen, während die im Arzneimittelgesetz und der Arzneimittelpreisverordnung ge­regelten Festpreise die im öffent­lichen Interesse gebotene flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung sicherstellen sollen – nämlich indem kein ruinöser Wettbewerb zwischen den Apothekern stattfindet. Sehr detailliert legt das Gericht die Be­deutung der Rx-Preisbindung dar, auch dass im Ordnungsrecht keine konkrete Gefährdung anderer Apotheken nötig und ein Verweis auf die hohe Apothekendichte in Teilen Berlins daher nicht von ­Bedeutung ist. Vielmehr müsse ­einem die Versorgungssicherheit gefährdenden Preis­wettbewerb schon von Anfang an entgegen­gewirkt werden. Auch auf verfassungs- und europarechtliche Aspekte gehen die Richter eingehend ein – es bleibt für sie kein Zweifel, dass eine objektive Verletzung der Berufspflichten vorlag.

Aber: Dem Apotheker lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht nachweisen, dass er diese vorsätzlich verletzt hat. Und im berufsgerichtlichen Verfahren gilt das Schuldprinzip. Der Beschuldigte muss wissen, dass er Vorschriften verletzt hat und dies auch wollen. Dem Urteil zufolge fehlte es dem Apotheker hier bereits am Wissenselement des Vorsatzes.

Ende 2010 war die Rechtslage noch unklar

Zwar hatte auch der BGH in seinen Urteilen vom September 2010 festgestellt, dass die Wertgutscheine für Rezepte gegen die Preisvorschriften für verschreibungspflichtige Arzneimittel verstießen. Doch die vollständigen Urteilsgründe lagen zum Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Werbung noch nicht vor. Es sei auch nicht festzustellen, dass der Apotheker differenzierte Informationen über den Kammer-News­letter, die BGH-Pressemitteilung oder die Fachpresse erhalten habe. Er sei auch nicht verpflichtet gewesen, sich diese Infor­mationen zu beschaffen, so das Gericht. Vielmehr habe er an­gesichts der Presseberichte, die nicht zwischen der wettbewerbs- und der arzneimittelrechtlichen Zulässigkeit solcher Werbeaktionen unterschieden, davon ausgehen können, dass seine Aktion wettbewerbsrechtlich zulässig war. Tatsächlich sei die Rechts­lage damals angesichts divergierender Gerichtsentscheidungen noch ungeklärt gewesen.

Und so endete ein langer Streit mit einem Freispruch – und die Apothekerkammer Berlin muss die Kosten des Verfahrens zahlen. Das nun ergangene Urteil ist unanfechtbar. |

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