Impfstudie

Helfen Antikörper von Rindern auf der Suche nach einem HIV-Impfstoff? 

La Jolla/Köln - 24.07.2017, 10:05 Uhr

Rinder können laut einer Studie höchst effektive Antikörper gegen HIV bilden. (Foto: Željko Radojko / Fotolia)

Rinder können laut einer Studie höchst effektive Antikörper gegen HIV bilden. (Foto: Željko Radojko / Fotolia)


Rinder können sich selbst nicht mit HIV infizieren. Sie bilden aber höchst effektive Antikörper gegen den Aids-Erreger. Das zeigte eine Impfstudie an Kälbern. Die Erkenntnisse sind zwar aufgrund des stark unterschiedlichen Immunssystems nicht direkt übertragbar. Doch die Forscher hoffen, dass sie sich für die Suche nach Impfstrategien oder die Entwicklung von Vaginalcremes nutzen lassen. 

Rinder können außerordentlich effektive Antkörper gegen das HI-Virus produzieren. Eine Impfstudie an Kälbern zeigt, dass die Tiere ein gutes Jahr nach der Immunisierung diverse Antikörper bildeten, die im Labor 96 Prozent von 117 Varianten des Aids-Erregers neutralisierten. Das berichtet das Team um Devin Sok vom Scripps Research Institute in La Jolla (US-Staat Kalifornien) im Fachblatt „Nature“. Ein deutscher Experte spricht von einer sehr spannenden Idee, die wichtige Hinweise für Impfstrategien liefere, sich aber kaum direkt auf den Menschen übertragen lasse.

Bisher gibt es keinen Impfstoff, der Menschen guten Schutz gegen den Aids-Erreger bietet. Das liegt unter anderem daran, dass das Virus sehr mutationsfreudig ist. Zwar entwickeln manche HIV-Patienten schützende Antikörper, das dauert aber ein bis zwei Jahre. „Eine Minderheit der HIV-Infizierten bildet breit neutralisierende Antikörper, aber erst nach beträchtlicher Zeit, wenn das Virus sich im Körper schon gegen diese Verteidigung gewappnet hat“, sagt Studienleiter Dennis Burton.

Die Studie zeigt, dass Hausrinder diesbezüglich offenbar ein gutes Immunrepertoire haben. Die Forscher injizierten vier Kälbern einen Stoff (BG505), der einem zentralen Protein der HIV-Hülle ähnelt. Nach knapp 13 Monaten produzierte ein Kalb breit neutralisierende Antikörper (bnAB), die 96 Prozent von 117 Varianten des Aids-Erregers neutralisierten.

Eine mögliche Strategie, die Immunreaktion zu steigern

Diese Antikörper sind außerordentlich effektiv - die im Blut enthaltene Menge würde Schutz bieten. Dies liegt offenbar an ihrer chemischen Struktur. Bekannt ist, dass Antikörper mit langen Versionen der schlaufenartigen Region HCDR3 besser an bestimmte Antigene des Virus andocken. Bei Rindern ist diese Region noch wesentlich länger - sie kann mehr als 70 Aminosäuren umfassen und erreicht so zentrale Punkte der Virushülle. Möglicherweise ließe sich die Immunreaktion von Menschen steigern, wenn sie ähnlich lange HCDR3-Regionen bilden könnten, vermuten die Forscher. Die Studie könne zu effektiveren Impfstrategien führen. Zudem könnte man die von den Rindern gebildeten Antikörper für präventive Therapien nutzen, etwa Vaginalcremes.

Henning Grüll vom Labor für experimentelle Immunologie der Uniklinik Köln spricht von einer sehr spannenden Studie. „Es ist das erste Mal gelungen, durch Immunisierung eine sehr potente breit neutralisierende Immunantwort in genetisch unveränderten Lebewesen hervorzurufen.“ Bemerkenswert sei vor allem die hohe Aktivität der im Blut enthaltenen Antikörper. „Man kann davon ausgehen, dass eine vergleichbar potente Immunantwort im Menschen relevanten Schutz vor HIV böte.“

Begrenzt auf den Menschen übetragbar

Allerdings sei die Übertragbarkeit begrenzt: Das Immunrepertoire von Rindern unterscheide sich stark von dem des Menschen. „Die Studie deutet aber auf Strategien hin, die man bei der Suche nach einem Impfstoff anwenden könnte“, sagt der Experte. So könne man versuchen, B-Zellen mit möglichst langen HCDR3-Regionen zu stimulieren. „Das wäre vorstellbar, ist allerdings sehr schwierig.“


Walter Willems, dpa
redaktion@daz.online


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