Resistenzen

WHO erstellt Liste mit bedrohlichen Bakterien

Genf - 28.02.2017, 12:30 Uhr

Resistente Keime sind ein immer größeres Problem. Die WHO will nun der Erforschung neuer Antibiotika eine Richtung geben. (Foto: jarun011 / Fotolia)

Resistente Keime sind ein immer größeres Problem. Die WHO will nun der Erforschung neuer Antibiotika eine Richtung geben. (Foto: jarun011 / Fotolia)


Um Forschung und Entwicklung zu neuen Antibiotika auf die wichtigsten resistenten Keime auszurichten, hat die Weltgesundheitsorganisation eine Liste der Bakterienfamilien erstellt, die am resistentesten und somit am gefährlichsten sind. Das Thema wird diese Woche auch bei einem Treffen der G20-Gesundheitsminister in Berlin besprochen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat nun erstmals eine Liste von Bakterienfamilien erstellt, die sie in Bezug auf Antibiotikaresistenzen als besonders gefährlich ansieht. Es handelt sich um zwölf insbesondere gram-negative Familien, bei denen oft mehrfache Antibiotika-Resistenzen auftreten. „Diese Bakterien haben eingebaute Fähigkeiten, um neue Wege zu finden, Behandlungen zu widerstehen – und sie können genetisches Material an andere Bakterien weitergeben, die so auch Arzneimittel-resistent werden“, erklärte die WHO in einer Stellungnahme.

Die Weltgesundheitsorganisation wolle keine Panik verbreiten – sondern Forscher und Politiker darauf aufmerksam machen, wo am meisten Handlungsbedarf besteht. „Diese Liste ist ein neues Werkzeug um sicherzustellen, dass Forschung und Entwicklung auf den dringendsten Bedarf für die öffentliche Gesundheit reagiert“, erklärte die WHO-Expertin Marie-Paule Kieny. „Antibiotika-Resistenzen nehmen weiter zu – und wir haben bald keine Behandlungs-Optionen mehr.“

Marktkräfte reichen nicht

Dabei fordert die WHO Staaten auf, aktiv zu werden und die Thematik nicht nur Pharmafirmen zu überlassen. „Wenn wir nur auf die Marktkräfte setzen, werden dringend benötigte neue Antibiotika nicht schnell genug entwickelt“, betonte Kieny.

Die drei als am kritischsten bewerteten mehrfach resistenten Bakterien sind Acinetobacter, Pseudomonaden und verschiedene Enterobakterien – die Blutvergiftungen oder Lungenentzündungen auslösen können. Carbapeneme oder Antibiotika der dritten Generation wie Cephalosporine wirken oft nicht mehr gegen sie. 

Antibiotikaresistenzen auch Thema bei G20-Treffen in Berlin

Das Thema steht in dieser Woche auch bei einem Treffen der G20-Gesundheitsminister in Berlin auf der Tagesordnung. „Für unsere Gesundheitssysteme brauchen wir wirksame Antibiotika“, zitiert die WHO Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. „Für ein gesünderes Morgen müssen wir heute handeln“, erklärte der CDU-Minister. „Die erste WHO-Prioritätenliste ist ein wichtiges neues Werkzeug, um Forschung und Entwicklung sicherzustellen und ihr in Bezug auf neue Antibiotika eine Richtung zu geben.“

Absichtlich hat die WHO Tuberkulose – für die es gegenüber traditionell angewandten Behandlungsarten auch zunehmende Resistenzen gibt – nicht auf die Liste gesetzt, da es bereits andere Programme gibt, um gegen diese Erkrankung anzugehen. Nach WHO-Angaben sind jährlich rund 480.000 Menschen auf der Welt von resistenter Tuberkulose betroffen.

Uni Tübingen beteiligt

Die Liste der zwölf Bakterienfamilien wurde von der WHO zusammen mit Forschern der Uni Tübingen entwickelt und von internationalen Experten begutachtet. Kriterien waren dabei, wie tödlich die verursachten Infektionen verlaufen, ob langwierige Krankenhausaufenthalte nötig sind, wie oft sie in den betroffenen Patientengruppen resistent gegen die gängigen Antibiotikagruppen sind, wie leicht ihre Verbreitung verhindert werden kann, und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.

Es dürfe nicht länger gewartet werden

„Neue Antibiotika, die sich gegen die Erreger der Prioritätenliste richten, werden Todesfälle durch resistente Infektionen überall auf der Welt verhindern helfen“, erklärte Evelina Tacconelli vom „Comprehensive Infectious Disease Center“ (CIDiC) der Uni Tübingen. „Auch nur etwas länger zu warten wird weitere Probleme für die öffentliche Gesundheit verursachen und die Behandlung von Patienten auf dramatische beeinträchtigen.“

Doch Forschung und Entwicklung reichen nicht aus, betont die WHO: Bessere Präventionsprogramme gegen Infektionen und ein angemessener Gebrauch bestehender Antibiotika im Human- wie auch Tierbereich sind genauso notwendig wie eine vernünftige Anwendung zukünftiger Antibiotika. 

WHO-Prioritätenliste

Priorität 1: Kritisch

  • Acinetobacter baumannii, Carbapenem-resistent
  • Pseudomonas aeruginosa, Carbapenem-resistent
  • Enterobacteriaceae, Carbapenem-resistent, ESBL-produzieren

Priorität 2: Hoch

  • Enterococcus faecium, Vancomycin-resistent
  • Staphylococcus aureus, Methicillin-resistent, Vancomycin-resistent
  • Helicobacter pylori, Clarithromycin-resistent
  • Campylobacter spp., Fluoroquinolon-resistent
  • Salmonellae, Fluoroquinolon-resistent
  • Neisseria gonorrhoeae, Cephalosporin-resistent, Fluoroquinolon-resistent

Priorität 3: Mittel

  • Streptococcus pneumoniae, auf Penicillin nicht ansprechend
  • Haemophilus influenzae, Ampicillin-resistent
  • Shigella spp., Fluoroquinolon-resistent


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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