Notifizierungsverfahren

Welche EU-Hürden drohen dem Rx-Versandverbot?

Berlin - 20.12.2016, 07:00 Uhr

Stehen Beschwerden an? Schon in den ersten Wochen des Jahres 2017 könnte das Rx-Versandverbot zur Abstimmung an die EU-Kommission und alle anderen EU-Staaten gehen. (Foto: dpa)

Stehen Beschwerden an? Schon in den ersten Wochen des Jahres 2017 könnte das Rx-Versandverbot zur Abstimmung an die EU-Kommission und alle anderen EU-Staaten gehen. (Foto: dpa)


Deutschland droht Vertragsverletzungsverfahren

Grundsätzlich muss die Bundesregierung die EU benachrichtigen, wenn das Rx-Versandverbot nach einem Notifizierungsverfahren in Kraft tritt. Die EU-Kommission und die Länder haben dann noch einmal das Recht zu prüfen, ob die eventuell eingegangenen Beschwerden auch in das Gesetz eingeflossen sind. Hält sich die Bundesregierung nicht an das oben beschriebene Verfahren, droht ein Vertragsverletzungsverfahren.

Grundsätzlich gibt es auch ein sogenanntes Dringlichkeitsverfahren, wobei der oben beschriebene Prozess schneller durchlaufen werden kann. Dass das für das Rx-Versandverbot gilt, ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Schließlich müsste Deutschland in diesem Fall „dringende, unvorhergesehen Gründe“ oder eine Gesundheitsgefährdung nachweisen können.

Des Weiteren gibt es EuGH-Urteile zum Notifizierungsverfahren, die verdeutlichen, warum sich Deutschland unbedingt an die strengen Vorgaben halten sollte. In einem der Fälle hatte ein Mitgliedstaat eine eigentlich anzeigepflichtige Regelung nicht der EU gemeldet. Der EuGH urteilte in diesem bestimmten Fall, dass das entsprechende Gesetz aufgrund des ausgebliebenen Abstimmungsverfahrens nicht anwendbar für den Einzelen sei (Urteil vom 30. April 1996, Az.: C-194/94). 

Übrigens hat sich auch das Bundesverfassungsgericht schon mit derartigen Fragen befasst – sogar im Zusammenhang mit DocMorris. Die niederländische Versandapotheke hatte in einer Verfassungsbescherde gerügt, dass die Regelung im Arzneimittelgesetz, nach der sich die Arzneimittelpreisverordnung auf ausländische Versender erstreckt, hätte notifziert werden müssen. Die Verfassungsrichter nahmen die Beschwerde nicht zur Entscheidung an. Zur etwaigen Verletzung der Notifizierungspflicht führten sie aus, dass eine solche keine Frage des Verfassungsrechts sei und auch nicht die Nichtigkeit der Norm zur Folge habe.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

EU-Kommissar Vytenis Andriukaitis

„Jeder EU-Staat kann den Rx-Versand verbieten“

Wie das Rx-Versandverbot trotz anstehender Bundestagswahl beschlossen werden könnte

Der Trick mit dem Notifizierungsverfahren

Die Folgen des EuGH-Urteils beschäftigen Politiker in Bund und Ländern

Ringen um Rx-Versandverbot

4 Kommentare

EU Notifizierungsverfahren Rx Versandhandelsverbot

von Sylvia Trautmann am 21.12.2016 um 10:09 Uhr

Die Notwendigkeit eines Notifizierungsverfahrens für ein Gesetzgebungsverfahren zum Rx Versandhandelsverbot ziehe ich in Zweifel. Ich sehe in den EU Verträgen eindeutig, dass die gesetzlichen Regelungen zum Gesundheitswesen, wozu auch die Arzneimittelversorgung gehört, Ländersache ist. Hier gibt es kein Mitspracherecht anderer EU-Länder. Die Richter des EuGH weichen übrigens mit Ihrem Urteil von ihrer eigenen Rechtsprechung ab und negieren damit deutsche Grundsatzurteile! Es ist daher dringend geboten, dass sich der deutsche Bundestag und unsere Regierung ihre Entscheidungshoheit über die Ausgestaltung des deutschen Gesundheitswesens zurückholen, und zwar ohne "Notifizierung" innerhalb der EU. Ich erkenne darin die Feigheit unserer uneinigen Regierungsparteien, die Verantwortung für die schwerwiegenden Folgen des Fortbestandes vom Rx Versandhandel mit Boni und Preisverfall nicht übernehmen zu wollen. "Die EU ist Schuld" ist doch eine schöne, oberflächliche Behauptung, die naive Apotheker als dummes Wahlvolk sichert.Schließlich ist nächstes Jahr Bundestagswahlkampf. Die Linke sind übrigens die einzigste Partei derzeit, die sich klar und eindeutig zum Verbot des Rx Versandhandels positioniert haben. In der CDU gibt es darüber Uneinigkeit und viel Unwissenheit zum "Prinzip Apotheke". Mein Tipp: Gehen Sie zu Ihren SPD und CDU MdB-Abgeordneten, machen Gespräche und schenken Sie das gleichnamige Buch von Dr. Müller-Bohn. Es ist par excellence kurzbündig geschrieben und macht Schluss mit Reichtumsmärchen über Apotheker. Es stellt Ihre enormen Leistungen in öffentlichen Apotheken und ihre Unverzichtbarkeit im Gesundheitssystem heraus. Denken Sie an den Frosch aus der Parabel, der in der Milch nicht ertrinken wollte und daher ständig gestrampelt und n i c h t aufgeben hat. Dann stand er auf einem Butterberg und war seines Lebens wieder froh!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Wir sind wieder mal zu inkompetent !

von Ratatosk am 20.12.2016 um 18:49 Uhr

War ja so klar ! Fast jeder hat ein Versandhandelsverbot, aber wenn in Deutschland so was geplant wird, tut jeder so. als wäre das Quantenphysil. Was kann eigentlich unsere Politik und Verwaltung noch - außer die kleinen Unternehmen zu schickanieren und die großen zu hoffieren ?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Wissen ist Macht., na ja früher mal.

von Christian Timme am 20.12.2016 um 13:45 Uhr

Danke für Frage & Antwort, bitte weiterführen. Lieber gut informiert als nicht. Eine derartige Themenreihe könnte auch so manchen resistenten Politiker von falschen Aussagen abhalten etc. Hoffnung ist ja noch erlaubt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Was ist eigentlich...

von Thorsten Dunckel am 20.12.2016 um 10:13 Uhr

... mit dem Gebot dass das Gesundheitssystem eines Landes auch Landessache und nicht Sache der EU ist. Wer Versand will muss auch den Einkauf harmonisieren! Aber dann akzeptiert auch, dass die 2,9 Milliarden Euro Einsparung durch Umsetzung der Rabattverträge futsch sind!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.