Mukoviszidose

Patienten übertragen resistenten Keim

Hinxton - 14.11.2016, 08:45 Uhr

Antibiotikatherapien gegen die Keime sind schwer durchzuführen. (Foto: bubutu / Fotolia)

Antibiotikatherapien gegen die Keime sind schwer durchzuführen. (Foto: bubutu / Fotolia)


Das Bakterium Mycobacterium abscessus führt bei Patienten mit Mukoviszidose zu schweren Lungenentzündungen. Forscher fanden nun heraus, dass es in Krankenhäusern von Mensch zu Mensch übertragbar geworden ist. Er breitet sich offenbar schon unter Patienten aus.

Ausgerechnet in Lungenkliniken kursiert ein Keim, der Patienten mit der Lungenkrankheit Mukoviszidose gefährlich werden kann. Das Bakterium Mycobacterium abscessus, gegen das viele Antibiotika wirkungslos sind, gelangt vermutlich über kontaminierte Oberflächen oder die Luft von Patient zu Patient, berichtet ein internationales Forscherteam in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts „Science“. Der Keim verursacht schwere Lungenentzündungen, die Infektion ist oft hartnäckig und schwer zu behandeln. In vielen Kliniken gilt sie als gegen eine Lungentransplantation sprechendes Kriterium.

Bislang hatten Fachleute angenommen, dass sich die Patienten das Bakterium aus der Umgebung zuziehen und jede Infektion quasi ein Einzelfall ist. In der jüngeren Vergangenheit hat die Zahl der Infektionen weltweit jedoch erheblich zugenommen. Aus diesem Grund untersuchten die Forscher um Josephine Bryant vom Wellcome Trust Sanger Institute in Hinxton (Großbritannien), ob doch Übertragungen von Mensch zu Mensch dafür verantwortlich sein könnten – entweder über direkten Kontakt oder indirekt zum Beispiel über verunreinigte Oberflächen, Gegenstände oder die Luft.

Offenbar ist der Keim kürzlich mutiert

Die Wissenschaftler analysierten dazu das Erbgut von 1000 Bakterien-Proben. Diese waren 517 Patienten mit Mukoviszidose – auch Zystische Fibrose (ZF) genannt – aus Europa, den USA und Australien entnommen worden. Es zeigte sich, dass die Bakterien vieler Proben genetisch eng verwandt waren – und zwar nicht nur Proben aus einer Klinik, sondern aus Kliniken in unterschiedlichen Regionen der Welt. Dies spreche dafür, dass sich der Keim innerhalb der globalen ZF-Gemeinschaft ausbreite und mithin von Mensch zu Mensch übertragen werde, schreiben die Forscher. Sie fanden Hinweise darauf, dass die Bakterien über kontaminierte Oberflächen und Aersole übertragen werden.

„Der Keim scheint ursprünglich aus der Umwelt in die Patienten-Population gelangt zu sein, aber wir glauben, dass er sich kürzlich so verändert hat, dass er von Patient zu Patient springen kann, und dass er dabei gefährlicher geworden ist“, erläutert Studienleiter Andres Floto von der University of Cambridge (Großbritannien). In Zellversuchen und in Versuchen mit Mäusen zeigten die Wissenschaftler, dass die kursierenden genetisch verwandten Bakterien gefährlicher sind und schwerere Infektionen verursachen als die nicht-verwandten Vertreter, die eher aus der Umwelt erworben wurden.

Aktivitäten gegen die Ausbreitung

Wie die Bakterien die Ländergrenzen überwinden, sei bisher unklar. Die Forscher vermuten, dass gesunde Menschen unwissentlich die Bakterien verbreiten und Lungenpatienten anstecken. „Unsere Forschung sollte zu einem gewissen Grad Hoffnung machen: Nun, da wir das Ausmaß des Problems kennen und beginnen zu verstehen, wie die Infektion sich verbreitet, können wir anfangen, darauf zu reagieren“, sagt Julian Parkhill vom Wellcome Trust Sanger Institute. Die Arbeit habe bereits dazu geführt, dass Maßnahmen zur Infektionskontrolle angepasst wurden, und sie helfe dabei, die Wirksamkeit dieser Maßnahmen zu kontrollieren.

An manchen Kliniken wird schon gescreent

Für Marcus Mall, Leiter des Mukoviszidose-Zentrums am Universitätsklinikum Heidelberg, ist die neue Veröffentlichung eine „sehr interessante und bedeutende Studie“. Sie zeige, „dass dieser Keim zunehmende Bedeutung erlangt und dass man womöglich in der Diagnostik gezielter danach schauen sollte“, erklärte der Forscher, der an der Studie nicht beteiligt war.

In Heidelberg würden die Patienten regelmäßig auf die Gruppe von Keimen getestet, zu der auch Mycobacterium abscessus gehört, die sogenannten nichttuberkulösen Mykobakterien. Das sei aber nicht flächendeckend der Fall. In Spezialambulanzen für Mukoviszidose in Deutschland werde außerdem dafür gesorgt, dass sich Patienten in der Klinik nicht begegnen, um allgemein Ansteckungen zu vermeiden. Nach Auskunft von Mall ist der Keim in Deutschland bei weniger als drei Prozent aller Kinder und Jugendlichen mit Mukoviszidose zu finden, aber bereits bei mehr als zehn Prozent der erwachsenen Patienten.

Behandlung erst bei chronischem Befall

Für die Behandlung sei auch der in der Studie thematisierte Aspekt wichtig, dass die von Mensch zu Mensch übertragenen Keime mit gemeinsamer Abstammung scheinbar aggressiver und gefährlicher sind als die Umweltkeime. „Wenn sich das bestätigt, könnte es ratsam sein, künftig den Ursprung des Keims genauer zu charakterisieren“, sagte Mall. Grundsätzlich sei die Behandlung des multiresistenten Bakteriums schwierig und langwierig. Auch deshalb würden Patienten nur behandelt, wenn die Infektion chronisch ist, eine klinische Verschlechterung mit sich bringt und die Lungenfunktion weiter beeinträchtigt.

Mukoviszidose ist eine erbliche Erkrankung, die von Geburt an besteht. Es kommt dabei zur vermehrten Bildung von zähflüssigem Schleim in der Lunge und im Verdauungstrakt, auch andere Organe können betroffen sein. Infektionen mit Bakterien verursachen chronische Entzündungen der Atemwege. 



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