Statine

Geht die Kontroverse erst richtig los?

Remagen - 19.09.2016, 09:30 Uhr

BMJ-Chefredakteurin gegen Lancet-Herausgeber, Studien gegen Studien: Was stimmt nun? (Foto: DAZ)

BMJ-Chefredakteurin gegen Lancet-Herausgeber, Studien gegen Studien: Was stimmt nun? (Foto: DAZ)


Lehrstück in Sachen „good publishing practice“

Die Frage, ob die Publikationen selbst ebenfalls zurückgezogen werden sollten, verwies die Chefredakteurin des BMJ Fiona Godlee an ein unabhängiges Expertengremium. Dieses kam im August 2014 zu dem Ergebnis, dass es keinen Grund gebe, dies zu tun.

Die Wissenschaftler-Gruppe rund um Rory Collins gab sich damit jedoch nicht zufrieden. Im Oktober 2014 wandte sie sich an den Ausschuss für Publikations-Ethik in Großbritannien (Committee on Publication Ethics, COPE), um den Umgang des BMJ mit den Publikationen noch einmal überprüfen zu lassen. COPE ist ein Gremium von Verlagen und Redakteuren, das sich um ethische Fragen im Zusammenhang mit Publikationstätigkeiten kümmert.

Diesen Vorgang rekapituliert nun wiederum der Chefredakteur des Lancet Richard Horton in seinem Kommentar zu einem neuen umfangreichen Statin-Review. Er wirft dem COPE Versagen vor. Man habe sich nicht ausreichend um das Anliegen gekümmert und keinen Handlungsbedarf gesehen. Die britischen Wissenschaftler hätten dies mit Überraschung und Enttäuschung aufgenommen.

BMJ hat sich korrekt verhalten

Daraufhin kartet jetzt die BMJ-Chefredakteurin Fiona Godlee beherzt nach und weist Hortons Anschuldigungen vehement zurück. COPE habe es keineswegs abgelehnt, zu handeln, hält sie ihm entgegen. Um dies zu untermauern, veröffentlicht das BMJ nun den Schlussbericht des COPE von Januar 2015.

Dieser kommt zu der klaren Schlussfolgerung, dass das BMJ sich hinsichtlich des Umgangs mit den Artikeln von Abramson und Malhotra absolut adäquat verhalten habe. Hierdurch sieht Godlee auch die Entscheidung des unabhängigen Expertengremiums von August 2014, die Artikel nicht zurückzunehmen, als bestätigt an. „Wir hoffen, dass die Veröffentlichung des Dokumentes dazu dient, die öffentliche Wahrnehmung zu korrigieren", resümiert Godlee.  



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Statine, weiter sehr spannend: AMTS-Aushandlung zwischen Ärzten und Herstellern

von Wolfgang Müller am 19.09.2016 um 12:07 Uhr

Machen wir uns Nichts vor:
Es hat doch vor ein paar Jahren sogar schon Versuche gegeben, Statine quasi als "Künstliches Vitamin" für ALLE über 50-jährigen zu etablieren. Genau wie ASS in niedriger Dosierung. Das ist halt das freie Spiel der Kräfte in einem marktwirtschaftlichen Gesundheitswesen, da gehört eben auch das Spiel mit der Durchführung und Interpretation von Klinischen Studien dazu. Genau wie das Spiel mit der kontinuierlich versuchten Absenkung von Norm- sowie behandlungsbedürftigen Labor-Grenzwerten.

Ich bin sicher: Jeder erfahrene Allgemeinmediziner oder Apotheker, der als "Befundkranker" selbst gerade mal eben so in das inzwischen doch recht großzügige Raster für eine "offizielle" Behandlungsbedürftigkeit mit Statinen fällt, wird von der Einnahme lieber Abstand nehmen. So segensreich diese bahnbrechende Medikamentengruppe bei den eindeutig Behandlungsbedürftigen auch ist.

Da wird wahrlich noch jahrzehntelang eine aggressive Kontroverse unter Einsatz üppiger Ressourcen stattfinden, um die Grenze für eine Statin-Behandlungs-Notwendigkeit in einigermaßen standfeste Leitlinien zu fassen. Das ist lange noch nicht in trockenen Tüchern. Ähnliches sehen wir doch auch immer wieder beim Ginkgo, dieses Hin und Her mit sich widersprechenden Studien.

Und hoffentlich spielt in solchen heilberuflich/marktwirtschaftlichen Grenzsituationen neben reiner Leitlinien-Abarbeitung auch in einer strahlend formalisierten AMTS-Zukunft noch der gesunde ärztliche und apothekerliche Menschenverstand eine Hauptrolle ........

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