Mittelohrentzündung bei Kindern

Neues Gel könnte die Therapie stark vereinfachen

Stuttgart - 16.09.2016, 12:00 Uhr

Die Otitis media kommt bei Kindern häufig vor – die Therapie ist bislang nicht ganz einfach. (Foto: Robert Kneschke)

Die Otitis media kommt bei Kindern häufig vor – die Therapie ist bislang nicht ganz einfach. (Foto: Robert Kneschke)


Die orale Antibiotika-Therapie von Kindern mit Mittelohrentzündung ist langwierig und häufig mit Nebenwirkungen verbunden. Nicht selten kommt es durch Therapiefehler zu wiederkehrenden Infektionen. Ein lokal anzuwendendes Gel soll in Zukunft die Therapie effektiver und einfacher machen.

Mittelohrentzündungen (Otitis media) gehören zu den häufigsten bakteriellen Infektionen im Kindesalter. Rund 90 Prozent aller Kleinkinder sind bis zu ihrem fünften Lebensjahr einmal im Leben betroffen. Die Mittelohrentzündung ist eine der Hauptursachen für eine antibiotische Therapie in der Pädiatrie.

Die orale Gabe von Antibiotika kann sich bei Kleinkindern allerdings sehr schwierig gestalten. Darüber hinaus müssen hohe Dosen eingenommen werden, damit das Antibiotikum in ausreichender Konzentration am Zielort vorliegt. Dadurch entstehen unangenehme Nebenwirkungen wie Diarrhö, Hautausschlag oder Mundfäule. Viele Eltern brechen die Therapie zu früh ab, weil sich das Kind bereits besser fühlt. Das begünstigt wiederkehrende Infektionen und erhöht die Gefahr, dass sich Antibiotika-resistente Bakterien entwickeln. Ein Forscherteam aus Boston hat nun ein Gel für die Anwendung im Ohr entwickelt, das den Wirkstoff über sieben Tage abgibt und daher nur einmal appliziert werden muss.

Das Trommelfell als Barriere

Das Gel ist bei Kühlschrank-Temperatur flüssig. Es wird in den Ohrkanal gegeben, wo es bei Körpertemperatur schnell aushärtet und an Ort und Stelle verbleibt. Mithilfe von chemischen Penetrationsbeschleunigern (chemical penetration enhancers, CPEs) gelangt der Wirkstoff durch das Trommelfell direkt zum Mittelohr. Bei den CPEs handelt es sich um Stoffe, die den Lipiden im Stratum corneum strukturell sehr ähnlich sind. Damit ist es möglich, die Barriere des Trommelfells zu überwinden. Die CPEs lagern sich in die Membran des Trommelfells ein und öffnen Poren, durch die das Antibiotikum hindurch gelangt. 

In einem Tierversuch wurden Chinchillas mit Haemophilus influenzae infiziert. Die so entstandene Mittelohrentzündung konnte bei zehn von zehn Tieren mithilfe eines Ciprofloxacin-Gels innerhalb von sieben Tagen geheilt werden. Zum Vergleich: Gewöhnliche Ciprofloxacin-Tropfen waren nur bei fünf von acht Tieren erfolgreich. Es konnten keine Antibiotika im Blut der Tiere nachgewiesen werden. Als Nebenwirkung wurde ein leichter Gehörverlust registriert. Dieser konnte aber durch die Gabe von geringeren Gelmengen gemildert werden.

Ob die transtympanische (durch das Trommelfell) Anwendung von Antibiotika auch für die Therapie beim Menschen geeignet ist, bleibt abzuwarten.

Quelle:

Yang R et al. Treatment of otitis media by transtympanic delivery of antibiotics. Science Translational Medicine 14 September 2016; Vol 8 Issue 356 356ra120


Dr. Mathias Schneider, Apotheker, Volontär DAZ
redaktion@daz.online


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