Metaanalyse

Bluthochdruck betrifft immer mehr arme Staaten

Dallas - 09.08.2016, 07:05 Uhr

Bei immer mehr Patienten aus ärmeren Ländern steigt der Blutdruck zu hoch. (Foto: Antonio Gravante / Fotolia)

Bei immer mehr Patienten aus ärmeren Ländern steigt der Blutdruck zu hoch. (Foto: Antonio Gravante / Fotolia)


Während die Gefahr durch Bluthochdruck in den ärmeren Staaten steigt, geht sie in den reicheren leicht zurück. Forscher fordern eine weltweite Krankenversicherung, die die Arzneimittelkosten trägt. Auch in Deutschland verursacht Bluthochdruck weiterhin eine hohe Krankheitslast.

Ärmere Länder haben einen höheren Anteil an Menschen mit Bluthochdruck als reiche – und die Kluft vergrößert sich. Das zeigten Forscher um Jiang He von der Tulane University in New Orleans nach einer Analyse von 135 Studien. Sie umfasst Daten von 970 000 Menschen aus 90 Ländern. In Staaten mit geringen oder mittleren Einkommen haben demnach rund 32 Prozent der Bürger hohen Blutdruck, in den Industrieländern waren es 29 Prozent. Die Forscher hatten dazu Zahlen von Datensätzen aus den Jahren 2005 bis 2014 gemittelt und die Altersstruktur berücksichtigt.

Ein Jahrzehnt früher – in den gemittelten Daten von 1996 bis 2004 – war es noch in etwa umgekehrt: Damals hatten nur 24 Prozent der Menschen in Staaten mit geringen und mittleren Einkommen Bluthochdruck, in den reichen waren es 31 Prozent.

Kein Geld für Arzneimittel

Alterstandardisiert sei Bluthochdruck in reicheren Ländern in einem Jahrzehnt um knapp drei Prozentpunkte zurückgegangen, was vor allem auf das allgemein höhere Bewusstsein für Bluthochdruck, stärkere Kontrollen und mehr Behandlungen zurückzuführen sei.

In den Ländern mit geringen und mittleren Einkommen seien die Zahlen dagegen um fast acht Prozentpunkte gestiegen. Als Grund nannte Seniorautor Jiang He Verstädterung, die oft mit einem ungesunden Lebensstil wie etwa salz-, fett- und kalorienhaltiger Nahrung einhergehe. Eine Rolle könne auch Bewegungsmangel spielen. Zudem gebe es eine weitere wichtige Ursache: „Gesundheitssysteme in vielen Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen sind überlastet und haben keine Ressourcen, Bluthochdruck effektiv zu kontrollieren und zu behandeln“, wird He in einer Mitteilung der American Heart Association zitiert. Die Forscher rufen Staaten und die internationale Gemeinschaft dazu auf, Bluthochdruck in ärmeren und aufstrebenden Staaten besser zu bekämpfen.

Blutdruck-Messung in Bussen oder Kirchen

Wichtig sei es zunächst, Menschen in ärmeren Staaten auf den meist symptomlosen Blutdruckhochdruck aufmerksam zu machen, schreibt Andrew E. Moran vom Columbia University Medical Center in einem „Circulation“-Kommentar. Solange es nicht genügend Gesundheitsstationen gebe, könne man Blutdruck auch etwa in speziellen Bussen oder Gotteshäusern messen. Da für viele Menschen die Medikamente zu teuer seien, sprach er sich für eine weltweite allgemeine Krankenversicherung aus.

Wenn ein Patient Medikamente gegen seinen Bluthochdruck nehme, senkt er laut Moran das Risiko für einen Tod durch Schlaganfall um 30 bis 40 Prozent und das für einen Tod durch Herzerkrankungen um 20 bis 25 Prozent.

Viele Länder ohne Blutdruck-Daten

Aufgrund der höheren Bevölkerungszahl leben in den Ländern mit geringen und mittleren Einkommen nach Angaben der Forscher um He dreimal so viele Menschen mit Bluthochdruck wie in den reichen. Dennoch leiden nach Daten des Welternährungsprogramms immer noch rund 795 Millionen Menschen auf der Erde unter Hunger. Somit habe jeder neunte Mensch nicht genügend zu essen.

Die Forscher hatten Menschen ab 20 Jahren in die Studie aufgenommen. Als Bluthochdruck bezeichneten sie einen Wert ab 140/90 mmHg. Derzeit wird international zwar diskutiert, ob nicht schon ab einem Wert von 120/80 mmHg Medikamente genommen werden sollten. Es gebe weltweit aber so wenige Studien mit diesem Grenzwert, dass diese für die Überblicksarbeit nicht genommen worden seien. Die Forscher weisen auch darauf hin, dass es aus mehr als der Hälfte aller Länder nicht genügend Daten zum Blutdruck gebe und diese daher nicht in die Auswertung aufgenommen wurden.

Unsichtbarer Killer – auch in Deutschland

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit jährlich rund 9,4 Millionen Todesfälle auf erhöhten Blutdruck zurückzuführen. „Bluthochdruck ist ein stiller, unsichtbarer Killer, der selten Symptome verursacht“, schreibt WHO-Chefin Margaret Chan. Er ist laut WHO verantwortlich für mindesten 45 Prozent der Todesfälle durch Herzerkrankungen und 51 Prozent der Todesfälle durch Schlaganfall. Auch die WHO verweist darauf, dass Bluthochdruck in ärmeren Staaten verbreiteter sei als in reichen, weil er in Industrieländern stärker bekämpft werde.

Hohe Krankheitslast

Bluthochdruck ist nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) einer der wichtigsten veränderbaren Faktoren gegen einen vorzeitigen Tod. In Deutschland sei der Blutdruck bei Erwachsenen in zehn Jahren im Schnitt gesunken: Der erste – der systolische – Wert sei um 5 mmHg gefallen. Ursachen seien unter anderem das Absenken des Grenzwertes für Bluthochdruck von 160/95 mmHg auf 140/90 mmHg und damit eine häufigere Behandlung, aber auch eine etwas gesündere Lebensweise mit mehr Sport und Gemüse.

Dennoch haben Schätzungen zufolge rund ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland Bluthochdruck. Bluthochdruck habe zusammen mit Übergewicht den zweithöchsten Anteil an der gesamten Krankheitslast in Deutschland – dazu zählen verlorene Lebenszeit und gesundheitliche Einschränkungen. An erster Stelle steht ungesunde Ernährung.



dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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