Kommentar zum Aut-idem-Verbot

Gute Liste, schlechte Liste

04.05.2015, 17:30 Uhr

Die Substiutionsausschlussliste - Fluch oder Segen? (Bild: Trueffelpix/Fotolia)

Die Substiutionsausschlussliste - Fluch oder Segen? (Bild: Trueffelpix/Fotolia)


Stuttgart – Die Diskussion um die geplante Erweiterung der Substitutionsausschlussliste führt zwangsläufig zu folgenden Fragen: Warum brauchen wir so eine Liste und was ist das Ziel der Liste? Ein Kommentar von Doris Uhl.

Was die Liste soll, ist ganz schnell beantwortet: Sie soll verhindern, dass Patienten durch Rabattverträge und problematischen Austausch von Arzneimitteln Schaden nehmen. Wie wir zu dieser Liste gekommen sind, ebenfalls: Ärzte und Apotheker haben die Instrumente Aut-idem-Kreuz und Pharmazeutische Bedenken aus Angst vor Regress und Retax nicht im Sinne der Patienten genutzt. Apotheker und GKV sollten das Problem lösen, aber sie konnten sich nicht einigen. Deshalb fühlte sich der Gesetzgeber zur Handlung genötigt und hat dem Gemeinsamen Bundesausschuss  (G-BA) diese Aufgabe übertragen.

Dieser hat einen Kriterienkatalog erarbeitet und dabei den Schwerpunkt auf die gut fassbaren Parameter „enge therapeutische Breite“  und „notwendige ärztliche Kontrollen bei einer Therapieumstellung“ gelegt. Unterschiede in der Galenik spielen für den G-BA keine Rolle mehr, die austauschbaren Darreichungsformen hat er an anderer Stelle festgelegt. Wenn also ein Patient mit dem retardierten Antiepileptikum A gut eingestellt war, nach einer Umstellung auf B aber plötzlich einen Anfall erleidet, dann ist für den G-BA ausgeschlossen, dass die Galenik schuld ist. Er geht dann davon aus, dass es sich hier um eine patientenindividuelle Besonderheit handelt. Doch patientenindividuelle Beeinträchtigungen allein rechtfertigen nach den Kriterien des G-BA noch keine Aufnahme in die Substitutionsausschlussliste. Deshalb ist es nahezu ausgeschlossen, dass der G-BA Forderungen nachkommen wird, nach denen undifferenziert ganze Arzneimittelgruppen wie alle Schmerzmittel der WHO-Stufe III oder alle Inhalativa bei Asthma und COPD  vom Austausch ausgeschlossen werden.

Immer dann, wenn es also um patientenindividuelle Gefährdungen durch einen Austausch geht, sind Ärzte und Apotheker wieder in der Pflicht und werden vom G-BA auf die dafür vorgesehenen Instrumente Aut-idem-Kreuz und pharmazeutische Bedenken verwiesen. 

Damit sind die Probleme, die die Substitutionsausschlussliste für Ärzte und Apotheker lösen sollte, nicht vom Tisch. Doch damit nicht genug: Die gut gemeinte Liste generiert ganz eigene, neue Probleme. So zeigt das Beispiel L-Thyroxin eindrucksvoll, welche Klimmzüge gemacht werden müssen, wenn ein vom Austauschverbot betroffenes Arzneimittel nicht vorrätig bzw. lieferbar ist.

Ein möglicher Lösungsweg

Wenn also die Substitutionsausschlussliste nicht die Verordnungssicherheit geben kann, die im Interesse der Patienten notwendig ist und darüber hinaus noch dazu beiträgt, dass die Versorgung erschwert wird, dann liegt die Forderung nach ihrer Abschaffung auf der Hand. Eine Lösung ist das allerdings auch nicht. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass Ärzte und Apotheker ihre Angst vor Regress und Retax über Bord werfen und von Aut-idem-Kreuz und pharmazeutischen Bedenken den notwendigen Gebrauch machen. Aber es gibt noch einen anderen Weg: Statt den Austausch der gelisteten Arzneimittel zu verbieten, könnte man für diese Arzneimittel die Pflicht zur Substitution aufheben. Das würde Ärzten wie Apothekern den notwendigen Handlungsspielraum für eine optimale Versorgung gewähren ohne dass gleich wieder Regress und Retax drohen. Wenn man dann auch noch den Kriterienkatalog erweitern und patientenindividuelle Beeinträchtigungen als alleiniges Kriterium nicht generell ausklammern würde, dann könnte aus der jetzt eher schlechten Liste doch noch eine gute werden.


Dr. Doris Uhl (du), Apothekerin
Chefredaktion DAZ

redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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