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Austauschverbotsliste - die Zweite!

G-BA befürwortet Substitutionsverbot nur für Phenprocoumon, Phenobarbital und zwei Opioide

STUTTGART (du) | Die Substitutionsausschlussliste soll erweitert werden. Der G-BA plant die Aufnahme von Buprenorphin-Pflastern und Oxycodon-Retardtabletten mit unterschiedlicher Applikationshäufigkeit sowie von Phenobarbital- und Phenprocoumon-Tabletten. Ob Carbamazepin- und Valproinsäure-Retardtabletten sowie Primidon-Tabletten ebenfalls vom Austausch ausgeschlossen werden sollen, darüber ist sich der G-BA noch nicht einig.

Das ist dem G-BA-Beschluss über die Einleitung eines Stellungnahmeverfahrens zur Erweiterung (2. Tranche) der vom Aut-idem-Ausschluss betroffenen Arzneimittelliste zu entnehmen (siehe auch Tabelle).

Tab: Geplante Erweiterung Arzneimittel, die in Anlage VII der Arzneimittel-Richtlinie aufgenommen werden und so unter das Substitutionsverbot fallen sollen.
eindeutiges G-BA-Votum
Buprenorphin transdermale Pflaster mit unterschiedlicher Applikationshäufigkeit
Oxycodon Retardtabletten mit unterschiedlicher Applikationshäufigkeit
Phenobarbital Tabletten
Phenprocoumon Tabletten
dissente G-BA-Positionen
Primidon Tabletten
Carbamazepin Retardtabletten
Valproinsäure (auch als Natriumvalproat und Valproinsäure in Kombination mit Natriumvalproat) Retardtabletten

Listenplatz für Marcumar und Co.

Einig ist man sich beim G-BA, dass das Antikoagulans Phenprocoumon (Marcumar® und Generika) in die Anlage VII Teil B der Arzneimittelricht­linie (AM-RL) aufgenommen werden soll. Begründet wird diese Aufnahme mit einer Änderung der Fachinformationen der Phenprocoumon-Präparate Phenprocoumon acis 3 mg Tabletten und Marcumar® Mitte 2014. So wurde bei Marcumar® folgender Hinweis aufgenommen: Phenprocoumon hat einen engen therapeutischen Bereich. Daher ist bei einem Wechsel von einem Präparat auf ein anderes Vorsicht geboten und ein engmaschiges Monitoring des INR-Wertes erforderlich.

Zu den Voraussetzungen für die Bestimmung zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Substitutionsausschlussliste zählen unter anderem eine geringe therapeutische Breite und eine gemäß Fachinformation über die Therapieeinstellung hinausgehende Notwendigkeit eines Drug Monitorings oder einer vergleichbaren Anforderung. Hieraus wird abgeleitet, dass ein Austausch auf ein anderes wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ohne ärztliche Kontrolle möglich ist. Das Verordnungsvolumen oraler Phenprocoumon-haltiger Antikoagulanzien lag im Jahr 2013 bei 371,4 Mio. DDD, das der ebenfalls vom Austausch ausgeschlossenen Levothyroxin-Präparate bei 1157,5 Mio DDD (Quelle: Arzneiverordnungsreport 2014). Wie bei Levothyroxin-haltigen Präparaten sind auch Phenprocoumon-haltige Arzneimittel immer wieder von Lieferengpässen betroffen. Bei einem Substitutionsausschluss ist in den Apotheken bei Lieferproblemen mit ähnlichen Schwierigkeiten zu rechnen wie zurzeit bei nicht lieferbaren Levothryroxin-Präparaten.

Bei Opioiden nur Klarstellung

Verschiedene Schmerzorganisationen fordern schon seit Langem, alle Opioide der WHO-Stufe III von der Substitutionspflicht auszunehmen. Dieser Forderung möchte der G-BA nicht nachkommen. Er sieht lediglich Klarstellungbedarf bei Opioiden mit unterschiedlicher Applikationshäufigkeit. Vor diesem Hintergrund sollen transdermale Buprenorphin-Pflaster und Oxycodon-Retardtabletten mit unterschiedlicher Applikationshäufigkeit in die Substitutionsausschlussliste aufgenommen werden.

Andere Opioide wie Morphin, Hydromorphon, Fentanyl, Tilidin und Tramadol sollen nicht auf die Liste, da hier nach Ansicht des G-BA weder die Kriterien einer engen therapeutischen Breite oder der Notwendigkeit eines Drug monitorings bei Ersetzung durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel zum Tragen kommen. Dagegen betont der G-BA die sehr individuelle Prägung des Schmerzgeschehens und argumentiert, dass für die Aufnahme in die Ausschlussliste mehr als nur patientenindividuell begründete relevante klinische Beeinträchtigungen auftreten müssen. Für die Lösung patientenindividueller Probleme wird auf die Möglichkeit des Arztes verwiesen, einen Austausch durch Setzen des Aut-idem-Kreuzes zu verhindern.

Auch bezweifelt der G-BA, dass die Bioverfügbarkeit von Morphin-, Hydro­morphon- und Oxycodon-Präparaten von der Nahrungsaufnahme abhängig ist und bei Substitution zum Problem werden kann. In den Tragenden Gründen zu dem Beschluss heißt es dazu: „Es lässt sich weder feststellen, dass bei diesen Wirkstoffen eine Abhängigkeit von der Nahrungsaufnahme besteht, noch lassen sich Unterschiede in den Angaben zwischen wirkstoffgleichen Arzneimitteln feststellen.“

Durchbruchschmerzen nur ein individuelles Problem?

Ein Problem, dass bei der Therapie mit retardierten Opioiden immer wieder auftritt, sind Durchbruchschmerzen. Befürworter des Substitutionsverbots möchten durch einen Austauschausschluss retardierter Opioide das Risiko für Durchbruchschmerzen minimieren. Der G-BA kann hier jedoch keinen Zusammenhang mit dem Austausch wirkstoffgleicher Arzneimittel erkennen. Er beruft sich auf entsprechende Angaben in den Fachinformationen, die die „generell sehr individuelle Prägung der Schmerztherapie“ belegen würden. So können nach den Fachinformationen bei retardierten Opioiden und transdermalen Pflastern unter Umständen regelmäßig zusätzliche Dosen eines kurz wirksamen Analgetikums bei Durchbruchschmerzen notwendig sein. Den Fentanyl-Pflaster-Fachinformationen entnimmt der G-BA zudem, dass von Durchbruchschmerzen unter dieser Therapie fast alle Patienten betroffen sind.

Dissens bei Antikonvulsiva

Auch für Antiepileptika wurde immer wieder der Verzicht auf einen Austausch gefordert. Mit ähnlichen Argumenten wie bei den Opioiden (ausreichende therapeutische Breite, keine klinisch relevanten Beeinträchtigungen, die über patientenindividuelle Beeinträchtigungen hinausgehen) wurde die Aufnahme der Antikonvulsiva Oxcarbazepin, Levetiracetam, Lamotrigin und Topiramat in die Liste abgelehnt. Für die Wirkstoffe Carbamazepin, Valproinsäure und Primidon gibt es G-BA-Vertreter, die die Aufnahme in die Substitutionsausschlussliste befürworten, und solche, die die Aufnahmekriterien als nicht erfüllt ansehen. Befürworter der Aufnahme argumentieren bei Primidon mit der Verwandtschaft zu Phenobarbital und der dort laut Fachinformation notwendigen Serumspiegelkontrolle. Diese sei auf den Metaboliten Primidon übertragbar. Carb­amazepin und Valproinsäure werden als Substanzen mit geringer therapeutischer Breite eingestuft, die bezugnehmende Zulassung biete bei einer Umstellung keine absolute Sicherheit vor größeren Plasmaspiegelschwankungen.

Gegner eines Substitutionsausschlusses verweisen für Primidon auf den fehlenden Hinweis einer Serumspiegelkontrolle in den Fachinformationen. Bei Carbamazepin und Valproinsäure können sie keine Anhaltspunkte für klinische Beeinträchtigungen feststellen, die über patientenindividuelle Veränderungen hinausgehen. Auch seien weder ein Drug monitoring noch andere therapeutische Kontrollen vorgesehen. Damit fehlt den Gegnern eines Austauschverbots für diese Antikonvulsiva der Hinweis, dass ein Ersatz durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ohne ärztliche Kontrolle möglich ist.

Inhalativa nicht auf der Liste

Für Enttäuschung dürfte die für die 2. Tranche geplante Liste auch bei der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, dem Verband Pneumologischer Kliniken, dem Bundesverband der Pneumologen und der Deutschen Atemwegsliga gesorgt haben. Ende März hatten sie in einer Stellungnahme noch einmal ihrer Forderung Nachdruck verliehen, alle bei Asthma und COPD eingesetzten Inhalativa vom Austausch auszuschließen. Allerdings wurde schon befürchtet, dass die G-BA-Aufnahmekriterien für die Inhalativa nicht zu erfüllen sind. Deshalb hatte man versucht, mit der Stellungnahme dem G-BA eine Entscheidungshilfe zu geben. Betont wurde, dass die wichtigsten, den Anwendungserfolg beeinflussenden Probleme aus der inadäquaten Anwendung des verordneten Systems rühren würden. Bei Austausch sei mit einer schlechteren Symptomkontrolle, häufigeren Besuchen in Notfallambulanzen und häufigeren Exazerbationen zu rechnen. Ungeachtet dessen hat der G-BA die Inhalativa nicht in den Beschluss aufgenommen.

Position der ABDA unbekannt

Der G-BA-Beschluss zur Einleitung des Stellungnahmeverfahrens ist auf den 8. April 2015 datiert. Stellungnahme-berechtigte Verbände haben nach Zustellung des Beschlusses vier Wochen Zeit, darauf zu reagieren. Zu diesen Verbänden zählt auch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Hier wollte man sich auf Anfrage der DAZ nicht zu der geplanten Erweiterung äußern und bat um Verständnis dafür, dass man Stellungnahmen zunächst den entsprechenden Adressaten zukommen lassen wolle. Erst danach könne man deren Inhalte öffentlich kommunizieren und kommentieren. |

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