Korruption im Gesundheitswesen

Mit einem Bein im Gefängnis?

Berlin - 04.04.2014, 13:29 Uhr


Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, im Strafgesetzbuch einen neuen und eigenständigen Tatbestand zur Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen zu verankern. Gleichzeitig fordert die Große Koalition jedoch an anderer Stelle eine stärkere Zusammenarbeit und Absprache der Leistungserbringer. Dass diese gesetzgeberischen Ziele durchaus ein gehöriges Konfliktpotenzial in sich bergen, machte Professor Hilko J. Meyer von der Fachhochschule Frankfurt/Main auf dem ApothekenRechtTag im Rahmen der Interpharm deutlich.

Zwar gibt es bereits heute zahlreiche Gesetze, die korruptiven Gefahren im Gesundheitswesen entgegenwirken – unter anderem in den Berufsordnungen der Ärzte und Apotheker, dem Apothekengesetz, den Kodizes der Pharmaverbände, dem Heilmittelwerbegesetz und dem Sozialgesetzbuch V. Allerdings verbietet das Strafgesetzbuch bis dato nur die Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung bzw. die Bestechung bzw. Bestechlichkeit öffentlich Bediensteter – beispielsweise in Krankenhäusern angestellter Ärzte und Apotheker. Der Betriebsinhaber selbst wird dabei nicht erfasst.

Der erste Versuch einer neuen Regelung scheiterte allerdings. Union und SPD griffen das Thema „Korruption im Gesundheitswesen“ in ihrem Koalitionsvertrag dann abermals auf. Bislang gibt es allerdings noch keinen neuen Entwurf – vermutlich, weil mit der beabsichtigten Überführung des Tatbestands aus dem Nebenstrafrecht (SGB V) in das Kernstrafrecht (StGB) auch die Zuständigkeit vom Gesundheitsministerium zum Justizministerium wechselte. „Und dort muss man jetzt erst mal anfangen nachzudenken“, so Meyer. Er rechnet mit einer Einführung des neuen Straftatbestands ins Strafgesetzbuch im Laufe von zwei Jahren.

Mayer gab zu bedenken, dass die Einführung einer neuen Regelung im StGB dazu führe, dass ein Verhalten, das bislang „nur“ berufs- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich sanktioniert war, nunmehr in vielen Fällen auch strafrechtlich „scharfgestellt“ werde. Hier träfen dann die unterschiedlichen Maßstäbe der verschiedenen Rechtsmaterien frontal aufeinander – und die könnten sich, so Meyer, „sehr oft beißen“. Beispiel Entlassmanagement im Krankenhaus: Das Problem sei hier die hermetische Grenze zwischen stationärem und ambulantem Sektor mit zwei völlig unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen, unterschiedlichen Finanztöpfen, unterschiedlichen Professionen und auch unterschiedlichen (und weitgehend inkompatiblen) IT-Systemen.

Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs verdeutliche die absurde Lage: In einer jüngst ergangenen Entscheidung gestattet das Gericht einem Krankenhaus und Apotheke zwischengeschalteten Unternehmen ein Geschäftsmodell, bei dem ein Krankenhaus bestimmten Apotheken Rezepte zuweist. Meyer: „Die, die fachkundig Hand in Hand arbeiten sollen, dürfen das nicht – aber irgendjemand ohne Ausbildung, ohne wirkliche Zuständigkeit, der darf zuständig sein.“ Und die Liste der Geschäftsmodelle im Gesundheitswesen, die derzeit in einem rechtlichen Graubereich etabliert werden, ist lang: „Da wird einem angst und bange, wenn die Beteiligten künftig ständig mit einem Bein im Gefängnis stehen werden.“

An die Gesundheitspolitik richtete Meyer das Petitum, den vorgesehenen Straftatbestand zur „Korruption im Gesundheitswesen“ zu präzisieren – und dabei eine klare Verantwortungsabgrenzung vorzunehmen. Insbesondere sei zu regeln, unter welchen Voraussetzungen Gesundheitsberufe und Leistungserbringer zukünftig zusammenarbeiten sollten. Diese Vorgabe dürfe nicht durch (strafrechtliche) Abspracheverbote konterkariert werden. Auf Seiten der Berufsverbände (auch der Apotheker) müsse jetzt die Zeit genutzt werden, um den zuständigen politischen Instanzen zu verdeutlichen, welche weitreichenden Konsequenzen unreflektierte strafrechtliche Sanktionsnormen für die Angehörigen des Gesundheitswesen haben können.


Juliane Ziegler


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