Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

09.02.2014, 08:00 Uhr


Ja, wirklich, manchmal kann einem unsere ABDA schon leid tun. Da versucht sie, eine basisdemokratische Leitbilddiskussion im Internet aufzusetzen, jeder soll mitreden dürfen – und dann hagelt es eine Technikpanne nach der anderen. Eine Woche ist rum, und arg viel diskutiert wurde noch nicht. Und die Hessen dürfen nicht wissen, was die Niedersachsen diskutieren – alles streng geheim, mein liebes Tagebuch, Du weißt, der Datenschutz. Ob’s noch was wird? Und ansonsten hat man beim Blick in die Apothekerszene so ein bisschen das Gefühl, nur nichts ändern, alles so lassen wie’s ist: das Pharmaziestudium, die Gratis-Apothekerarbeit für Kassen, kein Rezeptfax vom Arzt an die Apotheke und die Pille danach vom Arzt. Aber die BAK-Winter-Fortbildung gibt’s im nächsten Jahr zusammen mit Österreich und der Schweiz. In Schladming und mit Jodeldiplom.

3. Februar 2014

Unser Präsident der Bundesapothekerkammer, Andreas Kiefer, meint, der Apothekerberuf müsse sich zwar wandeln und weiterentwickeln, Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) und Medikationsmanagement gehörten in Zukunft dazu. Aber ein Wandel unseres  Pharmaziestudiums sei weniger notwendig. Hm, mein liebes Tagebuch, ob das gut geht? Mal überspitzt formuliert: Wie soll der Apothekerberuf tiefer in die Medikationsberatung einsteigen können, wenn er im Studium dazu ausgebildet wird, den Stas-Otto-Gang perfekt zu beherrschen, jedes Iönchen zu finden, also naturwissenschaftlich fit ist, aber nur  unzureichend dafür ausgebildet wird, wie er den Medikationsplan eines Patienten optimieren kann? Selbst der Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, Dieter Steinhilber, seines Zeichen pharmazeutischer Chemiker, sagte unlängst in einem DAZ-Interview, dass die naturwissenschaftlichen Fächer ihren Lehrstoff überdenken sollten, und schon früher der Grundlagenbereich Inhalte mit pharmazeutischem Bezug vermitteln sollte: „Wir müssen hin zu einer Optimierung der Arzneimitteltherapie gehen“. Ja, Steinhilber sieht den größten Nachholbedarf im Dritten Ausbildungsabschnitt, in der Umsetzung der gelernten Grundlagen in die Praxis: „Und da sind die Kammern gefragt.“ Herr Kiefer, den Ball haben Sie. Die BAK sollte sich rasch überlegen, wie sie das praktische Jahr besser strukturiert.

Ärzte dürfen keine Rezepte an Apotheken faxen, weil sie sonst in ihrer Praxis eine nicht genehmigte Rezeptsammelstelle betreiben, so ein Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts. Selbst dann nicht, wenn der Patient dies ausdrücklich wünscht. Mein liebes Tagebuch, nach den Buchstaben des Gesetzes mag das so sein. Aber ist das nicht praxisfremd? Immobile Patienten müssen ihren Pflegedienst beauftragen, zuerst das Rezept vom Arzt abzuholen (Wege, Zeit, Kosten), um dann das Rezept in der Apotheke einzulösen. Wo liegt da der tiefe Unterschied, ob der Pfleger das Rezept holt oder ein Fax die Übermittlung vornimmt? Selbst Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens kann sich die Faxübermittlung von Rezepten an eine Apotheke z. B. auf dem Land vorstellen. Mein liebes Tagebuch, warum nicht? Allerdings sollte man Vorkehrungen vor Missbrauch treffen. Der Patient muss seine Apotheke frei wählen können.

4. Februar 2014

Vom Leitbildprozess zum Pannenprozess. Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Die groß angekündigte und im Prinzip begrüßenswerte öffentliche Diskussion zum Leitbild im Internet floppte – zumindest in der ersten Woche. Technische Pannen beim Einspielen eines Updates hätten dazu geführt, dass Kommentare und Forumsbeiträge, Benutzernamen und Passwörter gelöscht worden seien. Viele Apothekerinnen und Apotheker mussten sich einen neuen Zugangscode per Post schicken lassen – die erste von den drei Diskussionswochen ist damit schon vorbei. Klar, mein liebes Tagebuch, technische Fehler können immer wieder mal vorkommen. Aber irgendwie fragt man sich dann doch, warum gerade hier? Es gibt Diskussions- und Umfrageforen im Internet, die reibungslos funktionieren. Wurde das Procedere vor dem Freischalten möglicherweise nicht ausreichend getestet? Hat die ABDA auf die falsche Agentur gesetzt, die für teures Geld mit der Erstellung dieser Seite beauftragt wurde? Wir werden es nicht erfahren. Das erste Zwischenfazit nach einer Woche leitbildprozess.de: megagroßer Frust. Das macht alles nicht viel Lust auf ein neues Leitbild. Ja, mein liebes Tagebuch, und dann ist da noch die für keinen verständliche Begrenzung der Diskussion auf die Kammerbereiche – die meines Wissens im Vorfeld nicht kommuniziert wurde. Die offizielle Antwort dazu von der ABDA, warum dies so ist: „Die einzelnen Apothekerkammern haben – auf Basis ihrer jeweiligen Landesdatenschutzgesetze – Verträge zur Auftragsdatenverarbeitung geschlossen. Sie beinhalten die klare Maßgabe der Datentrennung, d.h. eine Vermischung mit den Mitgliederdaten anderer Kammern ist auszuschließen. Eine einfache Einwilligung bei der Anmeldung und ein damit entstehender Verstoß gegen die Verträge der Kammern sind unzulässig.“ Verständlich ist das nicht. Warum soll ein Apotheker aus Hessen nicht wissen dürfen, welchen Kommentar ein Apotheker aus Niedersachsen postet? Letztlich hätte man eine Einverständniserklärung ankreuzen oder auch Nicknames zulassen können. Mein liebes Tagebuch, wie geht das wohl weiter? An der Internetdiskussion werden sich, wie es aussieht, nur wenige beteiligen. Die Arbeitsgruppen von Kammern und Verbänden werden sich die „Ergebnisse“ aus den Fingern saugen müssen. Na, da sind wir schon heute auf die erste Ergebnisfassung  gespannt, die im Mai auf einem Online-Portal (Ohgottohgott, schon wieder online, made by cyrano? – das verspricht nichts Gutes) kommentiert werden soll.

5. Februar 2014

Ein Bericht auf DAZ.online hat die Diskussion entfacht, jetzt ist sie voll im Gange: Der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich meint, die Rabattverträge seien der Schlüssel dafür, dass sich das Ansehen der Apotheker verbessert habe. Mein liebes Tagebuch, dieser Meinung kann man sein. Auf der anderen Seite stehen die Apotheker, die tagtäglich mit den Rabattverträgen und ihrer Umsetzung zu kämpfen haben und diesem Bürokratiewerk wenig Positives abgewinnen können. Hennrich mag Recht haben, dass die Politik die Rolle des Apothekers weniger infrage stellt. Klar, wenn sich ein Berufsstand so brav von den Kassen ausnützen lässt, dann sagt man lieber nichts Schlechtes über ihn. Denken wir nur an die vielen Inkassoleistungen, die Apotheker für die Kassen kostenlos erbringen, die bürokratischen Bestimmungen, die Apotheker peinlichst einhalten müssen – und als Dank die Drohung mit Nullretax. Und das alles für bescheidene 3% mehr in knapp zehn Jahren, keine Aussicht auf eine Dynamisierung und keine Anpassung von Rezepturpreisen und BtM-Gebühren. Gerade mit einer Erhöhung von Rezepturpreisen und BtM-Gebühren verlangen die Apotheker wahrlich nichts Weltfremdes. Die Mehrausgaben der Krankenkassen würden im Grundrauschen untergehen, aber eine kleine Anerkennung unserer Leistungen darstellen. Zurück zu Herrn Hennrich. Bleiben wir im Dialog mit ihm! Er interessiert sich für unsere Anliegen. Und er setzt aufs Medikationsmanagement wegen Einsparungen und zur Profilierung der Apotheker.

6. Februar 2014

Noch immer Pannen auf leitbildprozess.de. Bei manchen Apothekerinnen und Apothekern ist der Aktivierungscode nicht angekommen. Eine Antivirensoftware warnt vor dem Aufrufen der Leitbild-Internetseite. Jetzt ist schon fast eine Woche vorbei, ohne dass Diskussionsbeiträge in nennenswerter Zahl hätten veröffentlicht werden können. Mein liebes Tagebuch, gibt es einen Reset-Knopf? Und wie sieht es mit der Diskussionszeit aus? Wäre es nicht sinnvoll angesichts der Pannenkaskade, eine Woche zu verlängern?

Jetzt also im zweiten Anlauf unter Dach und Fach: Der US-Konzern McKesson hat 75 Prozent am Stuttgarter Pharmahändler Celesio übernommen. Mein liebes Tagebuch, Celesio wird also ein bisschen ein Ami. Und Anzag wurde ein Brite. Und Sanacorp ist ein bisschen Franzose, oder? Und dann gibt es noch die Phoenix und die Noweda und die Privaten. Das ist die Großhandelslandschaft 2014 – für jeden etwas dabei.

7. Februar 2014

Zoff im Kammerbereich Westfalen-Lippe. Auf einer Kammerveranstaltung zur Leitbilddiskussion hatte die Liste BasisApotheker um Gunnar Müller Wahlwerbung verteilt. Das ging der Kammer zu weit und sie forderte Müller im Stil einer Abmahnung auf, Wahlwerbung auf Kammerveranstaltungen zu unterlassen und eine Verzichtserklärung abzugeben. Müller wiederum verweigert dies und sieht den Brief der Kammer als gegenstandslos an. Sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung stehe nicht im Widerspruch zu einem etwaigen Neutralitätsanspruch der Kammer. Mein liebes Tagebuch, es können sich nicht alle lieben. Aber warum muss es immer gleich so harsch zugehen? Klar, Werbeflyer auf einer Kammerveranstaltung ist schon ein bisserl mehr als Provokation. Das geht nicht. Aber muss dann gleich ein abmahnungsähnliches Schreiben folgen, das wiederum zu Gegenreaktionen herausfordert? Vielleicht hätte ein Telefonanruf mit dem Hinweis, das Verteilen von Flyern künftig zu unterlassen, mehr gebracht.

Nochmals die BasisApotheker. Angesichts der Pannen bei der Leitbilddiskussion im Internet fordern sie in einem offenen Brief an den ABDA-Präsidenten einen Neustart der Debatte. Und sie bemängeln u. a., dass der Meinungsaustausch mit den Apothekerinnen und Apotheker anderer Kammerbereiche nicht vorgesehen sei. Außerdem raten sie zu einer Verlängerung der Diskussionsphase. Mein liebes Tagebuch, mit diesen Forderungen und Vorschlägen dürften sie richtig liegen.

Deutsche, österreichische und Schweizer Apotheker wollen in Zukunft ihre Kammerfortbildung stärker verzahnen, teilte die ABDA-Tochter Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutscher Apotheker am letzten Kongresstag in Davos mit. Man wolle den Winterkongress zum wissenschaftlichen Leitkongress des deutschsprachigen Raums weiterentwickeln. Alle drei Länder wollen am wissenschaftlichen Programm mitwirken und Referenten empfehlen. Na, mein liebes Tagebuch, da sind wir mal gespannt, wie sich der nächste Winterkongress in Schladming anfühlen wird und wie lange das Drei-Länder-Techtelmechtel gut geht. Und was Schladming angeht, hört man unterschiedliche Stimmen. Es gibt viel Zustimmung für den Ortswechsel in die Steiermark, da die Davoser Preise schon arg hoch sind. Aber es gibt auch diejenigen, die dem Schweizer Skiort nachtrauern. Und dann kommt noch die Frage auf, inwieweit eine einwöchige Fortbildungs- und Freizeitwoche überhaupt noch zeitgemäß ist. Der Zulauf wird’s zeigen.

8. Februar 2014


Der neue Bundesgesundheitsminister Gröhe traut den deutschen Apothekerinnen und Apothekern sichtlich nicht arg viel zu. Die Apotheker könnten zwar die Beratung übernehmen, er zweifelt jedoch daran, dass die Beratung zur „Pille danach“ im Notdienst an der Fensterklappe in ausreichender Weise geschehen könnte. Die Verschreibung durch einen Arzt ermögliche ein Beratungsgespräch, das in der vertraulichen Atmosphäre einer Praxis erfolge und der Schweigepflicht unterliege. Mein liebes Tagebuch, was ist nachts leichter zu finden: ein Arzt, der die „Pille danach“ verschreibt, oder eine Nachtdienstapotheke? Und ich frage mich nur, warum das wohl in allen anderen europäischen Ländern – mit Ausnahme von Italien und Polen – kein Problem ist und die dortigen Gesundheitsminister ihren Apothekerinnen und Apotheker diese Aufgabe übertragen haben?


Peter Ditzel


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