Initiative Raucherentwöhnung

BAH kämpft für die Nikotinersatztherapie

Berlin - 15.11.2011, 14:05 Uhr


Seit Jahren bemüht sich der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), dass die Nikotinersatztherapie Eingang in den GKV-Leistungskatalog findet. Heute hat sich die „Initiative Raucherentwöhnung“, eine Arbeitsgemeinschaft im BAH, mit neuen Studien an die Öffentlichkeit gewandt.

Für Dr. Justus de Zeeuw, Chefarzt des Wuppertaler Lungenzentrums, gibt es keinen Zweifel: Tabakabhängigkeit erfüllt alle Kriterien einer Sucht und ist als Krankheit einzustufen – so sieht es auch die Weltgesundheitsorganisation. Auch wenn es Raucher gibt, die darauf beharren, sie rauchten aus „Genuss“ – fragt man einmal genauer nach, wären 90 Prozent von ihnen doch lieber rauchfrei. Mit gutem Grund – welche negativen Auswirkungen das Rauchen auf die Gesundheit hat, ist hinlänglich bekannt. Und ihnen könnte geholfen werden: Für die Behandlung ihrer Sucht stehen Nikotinpflaster, -kaugummis und -inhalatoren zur Verfügung. Allein mit Willenskraft der Zigarette abzuschwören gelingt den wenigsten Menschen. De Zeeuw zufolge sind es lediglich rund 3 Prozent, die so den Absprung schaffen. Dagegen sei etwa jeder dritte Aufhörwillige erfolgreich, wenn er auf NET plus ärztliche Betreuung setzt. Der Pneumologe hat daher kein Verständnis, dass die Politik die Tabaksucht offenbar nicht als Krankheit anerkennen will und die Kassen die Kosten für die Entwöhnung nicht zahlen.

Professor Wasem präsentierte gesundheitsökonomische Studien zur Kosteneffektivität der NET, die die Politik – oder zumindest die Kassen – zum Handeln bewegen sollen. Gegenübergestellt wurden zwei Strategien: ein Rauchstopp mit NET und einer unter Placebo. Schon die Placebo-Strategie hatte bei zehn Prozent der Probanden Erfolg, kamen wirkliche Arzneimittel zum Einsatz, waren es 17 Prozent. Betrachtet man die Kosten und Outcomes so zeigte sich, dass der durchschnittliche Lebenserwartungsgewinn für Patienten mit NET-Rauchstopp-Versuch (egal ob erfolgreich oder nicht) gegenüber Placebo um 0,2 Jahre höher lag. Die „medizinischen Restlebenskosten“ lagen bei NET-Probanden um rund 900 Euro niedriger als bei Placebo-Probanden. Untersuchungen wurden zudem mit Patienten durchgeführt, die an bestimmten Krankheiten leiden – Diabetes mellitus Typ 2, KHK und COPD. Auch hier zeigte sich durchweg ein Gewinn an Lebensjahren (wenn auch in bescheidener Größenordnung von wenigen Monaten) und eine Kostenersparnis durch NET.

Deutlicher werden der Zugewinn an Lebensjahren und die Ausgabenersparnis, wenn man nur solche Patienten betrachtet, bei denen die Therapie tatsächlich angeschlagen hat. Dann sind drei zusätzliche Jahre drin und die Netto-Einsparungen belaufen sich auf 14.800 Euro, so Dr. Uwe May – früher direkt beim BAH für das Thema NET zuständig, heute als externer Berater der May und Bauer GbR. Für May gibt es schlicht kein schlagendes Argument, die NET nicht als Kassenleistung zu akzeptieren. Beispielsweise das Schuldargument: Natürlich sind Raucher selbst schuld, wenn sie an Folgeerkrankungen leiden. Aber in unserem Gesundheitssystem wird gerade nicht nach der Schuld gefragt – täte man dies, stünde die Behandlung fast aller Typ-2-Diabetiker auf dem Spiel, deren Krankheit in der Regel eine Folge schlechter Ernährungsgewohnheiten und mangelnder Bewegung ist. Auch das Argument, wer eine Schachtel Zigaretten am Tag kaufen könne, könne sich auch die NET leisten, lässt May nicht gelten: Das Problem sei, dass die Menschen die Therapiekosten nun einmal nicht auf sich nehmen – auch viele Diabetiker wären durchaus in der Lage, ihre Arzneimittel selbst zu begleichen.

Und so hofft der BAH weiterhin, in der Politik Gehör zu finden. Am liebsten wäre ihm die große Lösung auf kollektiver Ebene: die Streichung der NET als Lifestyle-Arzneimittel im SGB V in Kombination mit der Aufnahme in die Liste erstattungsfähiger OTC. Auf selektiver Ebene wäre denkbar, dass Kassen die NET als Satzungsleistung anbieten. Zumindest sollte sie im Rahmen von Disease-Management-Programmen (DMP) bereits Erkrankten zur Verfügung gestellt werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dies bereits für das Asthma-DMP beschlossen – doch die Genehmigung des Bundesgesundheitsministeriums steht hier bereits seit Juli aus.


Kirsten Sucker-Sket