Experten zu EHEC

Mehr Erkrankungen und Tote wahrscheinlich

Berlin - 31.05.2011, 10:01 Uhr


EHEC ist bundesweit weiter auf dem Vormarsch. Die Behörden rechnen mit weiteren Todesfällen. Die eindeutige Quelle des gefährlichen Keims ist immer noch nicht gefunden.

Gleichzeitig melden auch andere europäische Staaten immer mehr EHEC-Fälle. Zudem sollen nach EU-Angaben auch US-Bürger mit der lebensgefährlichen Durchfallerkrankung infiziert haben. Hoffnungen beim Kampf gegen EHEC machen ein Schnelltest und ein Antikörper.

Bislang starben in Deutschland mindestens 14 Menschen durch die Durchfallerkrankung – 12 davon sind Frauen. Erstmals gab es jetzt auch Todesfälle außerhalb Norddeutschlands. In Nordrhein-Westfalen starben gleich zwei Frauen an den Folgen der Durchfallinfektion. Mecklenburg-Vorpommern meldete die erste EHEC-Tote.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zeigte sich nach dem Spitzentreffen in Berlin besorgt: „Ergebnis ist, dass leider weiter mit einer steigenden Fallzahl zu rechnen ist.“ Nach den Worten des Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI), Reinhard Burger, seien weitere Todesfälle „eher wahrscheinlich“.

Unterdessen haben Wissenschaftler der Uniklinik Münster einen Schnelltest zum Nachweis des EHEC-Erregers entwickelt. Mit dem molekularbiologischen Verfahren könnten schon kleinste Mengen von EHEC-Erregern in wenigen Stunden nachgewiesen werden, sagte ein Sprecher am Montagabend. Der Test könne in jedem molekularbiologischen Labor gemacht werden. Nähere Einzelheiten sollten an diesem Dienstag (31. Mai) folgen.

Die Zahl der bestätigter und Verdachtsfälle nahm am Montag bundesweit auf mehr als 1400 zu. Am Vortag waren es mehr als 1200. Mittlerweile gebe es 353 bestätigte Fälle mit der schweren EHEC-Komplikation HUS (hämolytisch-urämisches Syndrom).

Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) betonte: „EHEC hat längst eine europäische Dimension.“ Nach Angaben der EU-Kommission hat es in Schweden bisher 30 nachgewiesene EHEC-Fälle gegeben, 13 davon sind HUS-Patienten. Auch in Dänemark, Großbritannien, Österreich und den Niederlanden seien Menschen an EHEC erkrankt, einige von ihnen schwer. Frankreich hat nach Medieninformationen 3 Verdachtsfälle.

Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) zeigte sich nach dem Spitzentreffen vorsichtig optimistisch mit Blick auf die EHEC-Welle. In der Hansestadt habe es zuletzt nur ein Viertel der Neufälle im Vergleich zu den vergangenen Tagen gegeben. Laut RKI gebe es insgesamt kein nennenswertes Absinken der Fallzahlen. Es sei nicht davon auszugehen, dass die kontaminierten Lebensmittel verderblich oder schon aufgegessen seien.

Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) meldete erste Erfolge bei der Behandlung von HUS-Patienten mit einem neuen Mittel: Die Therapie mit dem Antikörper Eculizumab zeige kleine Erfolge. Allerdings sei es kein „Wundermittel“, hieß es.

Auch am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) kommt die Antikörper-Therapie zum Einsatz. Wie erfolgreich der Rettungsversuch sei, werde sich aber erst in drei bis vier Wochen zeigen, sagte der Nierenspezialist Prof. Rolf Stahl. Sorge bereiten den Ärzten Probleme mit dem Nervensystem bei viele HUS-Erkrankten. Es gebe „zunehmend mehr neurologische Ausfälle“ wie Sprachstörungen – ähnlich wie bei einem Schlaganfall – oder Zuckungen bis hin zu epileptischen Anfällen, erklärte der Neurologe Prof. Christian Gerloff.

Für die EHEC-Behandlung sind große Mengen an Blutplasma nötig. Einige Kliniken hätten mit Engpässen zu kämpfen, sagte der Sprecher der DRK-Blutspendedienste, Friedrich-Ernst Düppe. Das Deutsche Rote Kreuz verfüge aber noch über genügend Plasma-Konserven.

Aigner verteidigte die Gemüsewarnung am Montag erneut. Zum Schutz der Verbraucher sei es richtig gewesen, frühzeitig Verzehrhinweise zu geben. Unterdessen hat die EHEC-Seuche in der Landwirtschaft einen Millionenschaden angerichtet. Sowohl in Deutschland als auch im europäischen Ausland bleiben Bauern auf der Ware sitzen. Spanien will die EU um Hilfen bitten und prüft Schadenersatzforderungen gegen Deutschland. Spanische Bauern sehen sich vorschnell als Quelle für den Erreger an den Pranger gestellt.

Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) plädierte für den Kauf von regionalen Produkten. Je näher der Anbau gelegen sei, „desto nachvollziehbarer sind die Produktionsbedingungen“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (vom 31. Mai).


dpa