Neurologie

Riluzol bessert Koordinationsstörungen

Rom - 08.05.2010, 07:00 Uhr


In einer Pilotstudie ist es italienischen Neurologen erstmals gelungen, Koordinationsstörungen, die im Kleinhirn entstehen, medikamentös erfolgreich zu behandeln: Bei 13 von 19

Störungen der Bewegungskoordination, Ataxien, die auf Schäden am Kleinhirn zurückgehen, treffen häufig Kinder und junge Erwachsene. Einige Patienten können mit regelmäßiger Krankengymnastik und logopädischen Übungen lernen, besser mit ihren Problemen umzugehen. Versuche, den Krankheitsprozess medikamentös zu verlangsamen, waren bislang aber nicht erfolgreich.

In der neuen Studie wurde versucht, mit dem Wirkstoff Riluzol (Rilutek®) überaktive Nervenzellen zu regulieren, die bei vielen Formen der Kleinhirn-Ataxie eine Rolle spielen könnten. Riluzol ist bisher ausschließlich bei Patienten mit amyotropher Lateralsklerose zugelassen, einer Erkrankung mit Muskelschwund und Lähmungen. Nach Aussage der DGN schränken die kurze Studiendauer und die unausgewogene Zusammensetzung der beiden Vergleichsgruppen die Aussagekraft der italienischen Untersuchung jedoch ein. Eine Studie mit einer größeren Patientengruppe in Deutschland sei bereits in Planung.

Bei der neuen italienischen Studie waren am S. Andrea Hospital der Sapienza-Universität Rom insgesamt 38 Patienten im Alter zwischen 20 und 78 Jahren im Losverfahren auf zwei Gruppen verteilt worden. Die eine Gruppe hatte acht Wochen lang zweimal täglich Tabletten mit 50 Milligramm Riluzol erhalten, die andere Gruppe ein Placebo. Gemessen wurde der Nutzen der Behandlung anhand der 100 Punkte umfassenden Skala ICARS (International Cooperative Ataxia Rating Scale). Hier verbesserten sich im Vergleich zum Ausgangswert bereits nach vier Wochen neun von 19 Patienten um fünf oder mehr Punkte gegenüber lediglich einem Patienten unter Placebo. Nach acht Wochen hatten sich sogar 13 Patienten unter Riluzol um mindestens fünf Punkte verbessert, aber weiterhin nur einer, der ein Placebo erhalten hatte. Im Durchschnitt hatten die Riluzol-Empfänger zum Studienende sieben Punkte hinzugewonnen – ein statistisch signifikanter Unterschied zu den 0,16 Punkten, um die sich die Placeboempfänger verschlechtert hatten.

Unter der Behandlung mit Riluzol verbesserten sich Körperhaltung, Bewegungskoordination und Sprechvermögen hoch signifikant; bei den Augenbewegungen ergab sich kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Lediglich vier Meldungen über leichte Nebenwirkungen wurden erfasst: Zwei Verum-Empfänger zeigten erhöhte Leberwerte (Alanin-Aminotransferase >1,5 über Normallimit), und in beiden Gruppen litt jeweils ein Patient vorübergehend unter Schwindel. Insgesamt könnten diese Ergebnisse den Langzeitgebrauch von Riluzol bei Patienten mit chronischen Kleinhirn-Ataxien rechtfertigen, meinen die italienischen Wissenschaftler. Weitere Studien mit längerer Beobachtungsdauer und größeren Patientendaten zur Bestätigung der Ergebnisse seien aber noch notwendig.

Quelle: Ristori, G., et al.: Neurology 2010;74(10): 839-845



Dr. Bettina Hellwig


Das könnte Sie auch interessieren

Einsetzen der Erkrankung kann verzögert werden

Teriflunomid senkt Schubrate bei MS

Erwartung beeinflusst den Therapieerfolg bei Depression

Je zuversichtlicher der Patient, desto stärker die Placebowirkung

Antidepressivum kann Depressionssymptomatik nicht bessern

Fluoxetin nach Schlaganfall enttäuscht

Hinweise auf gleich gute Wirksamkeit gegen Depressionen bei älteren Patienten

Safran auf den Spuren von Sertralin

Oral vs. subkutan im Test

Kommt die Insulintablette?

Hinweise auf den therapeutischen Nutzen von Synbiotika

Mit Bakterien gegen Neurodermitis?