Neurostimulator

Akustische Reize gegen Tinnitus

01.04.2010, 09:33 Uhr


Seit Ende Februar ist ein neues Gerät zur Behandlung von chronischem Tinnitus auf dem europäischen Markt zugelassen: der Tinnitus-Neurostimulator T30CR. Er bekämpft das Klingeln

Eine klinische Studie lieferte erste positive Ergebnisse. Demnach nahmen durch die Anwendung des Geräts die Lautstärke der Ohrgeräusche und die empfundene Belästigung durch den Tinnitus kontinuierlich ab - nach zwölf Behandlungswochen bereits um 40 und 33 Prozent -, in der Placebogruppe hingegen nur um neun und acht Prozent. Die Tinnitus-Frequenz wurde zudem tiefer und damit angenehmer. Bei einigen Patienten verschwand sogar ein Tinnitus-Ton komplett, der schon über viele Jahre bestanden hatte. Die bisherigen Ergebnisse basieren auf dem Zwischenstand einer klinischen Studie an 45 Patienten.

Eingesetzt wird der Stimulator derzeit für die Behandlung von chronischem, subjektivem, tonalem Tinnitus. Dabei verursachen Fehlsteuerungen im Gehirn das permanente Ohrgeräusch: Statt gezielt und nacheinander feuern Nervenzellen übermäßig und gleichzeitig Signale ab. Diesen Gleichtakt unterbricht der Neurostimulator. Durch gezielte akustische Reize stört er die krankhaft überaktiven, hochsynchronen Nervenzellverbände und führt sie so in ein „gesundes Chaos“ zurück.

Basis der Therapie ist die so genannte Coordinated Reset (CR) Technologie. CR steht für einen mathematisch-physikalischen Stimulationsalgorithmus, der schwache Impulse, individuell angepasst, zu verschiedenen Zeiten an die synchronen Nervenzellverbände schickt und sie so „aus dem Takt“ bringt. Durch diese Stimulation bauen sich die Nervennetzwerke im Hirn wieder um. Deshalb wird mit dem Stimulator nicht nur eine maskierende Wirkung, sondern eine dauerhafte Linderung der Krankheit erzielt. Die ehemals betroffenen Nervenzellverbände verlernen den krankhaften Gleichtakt.

In der Praxis erfolgt die Therapie bei einem HNO-Facharzt, der bei einer ausführlichen Anamnese erst das individuelle akustische Tinnitus-Profil des Patienten aufnimmt. Dann programmiert er den streichholzschachtelgroßen Neurostimulator entsprechend mit einer koordinierten Tonfolge, deren Lautstärke knapp über der Hörschwelle liegt. Der Patient trägt den Neurostimulator mit seinen medizinischen Kopfhörern für mehrere Stunden pro Tag über einen Zeitraum von mehreren Monaten und danach nur noch nach Bedarf. Die Anwendung erfolgt zu Hause. Da der Tinnitus im Laufe der Therapie tiefer und leiser wird, ist eine mehrmalige Nachjustierung des Stimulators in der HNO-Praxis notwendig.

Der Stimulator basiert auf Forschungsergebnissen aus dem Forschungszentrum Jülich. Entwickelt hat ihn die Jülicher Firma Adaptive Neuromodulation GmbH (ANM). Derzeit werden die ersten HNO-Fachärzte spezifisch in der Anwendung der neuen Therapie geschult. Patienten können sich über eine Liste auf den Internetseiten der Firma (www.anm-medical.com) informieren, welche Fachärzte aktuell die Therapie anbieten - zunächst als Privatleistung. Die Kosten liegen bei rund 2500 Euro plus etwa 500 Euro Behandlungskosten durch den Arzt. Der Patient erhält dabei ein Rückgaberecht für den Neurostimulator für den Fall, dass er nicht auf die Therapie anspricht.

Quelle: Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich und der Adaptive Neuromodulation GmbH (ANM), 4. März 2010.


Dr. Bettina Hellwig


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