Aus den Ländern

Viele Informationen über Arzneimittel für Schwangere

Frühjahrskongress der Apothekerkammer Schleswig-Holstein

DAMP (tmb) | Das Thema „Arzneimittel in der Schwangerschaft“ führte am 23. und 24. März etwa 350 Teilnehmer zum Frühjahrskongress der Apothekerkammer Schleswig-Holstein in das Ostseebad Damp. Die geschickt ausgewählten Vorträge vermittelten wissenschaftliche Zusammenhänge und praktische Hilfen für den Apothekenalltag.

Bei der Kongresseröffnung gab sich Kammerpräsident Dr. Kai Christiansen optimistisch zum elektronischen Rezept, weil es neue Chancen für Land­apotheken biete. Im Zusammenhang mit dem EU-Vertragsverletzungsverfahren forderte Christiansen Subsidiarität ein (siehe Seite 18). Außerdem ehrte er seinen Amtsvorgänger Gerd Ehmen und den früheren Vizepräsidenten der Kammer, Reinhard Boxhammer, mit der Goldenen Ehrennadel (siehe Kasten weiter unten im Text). Zum Kongress gehörten wieder eine Zertifikatfortbildung für PTA und Praxisfortbildungen für PKA. Die Teilnehmer aus allen Berufsgruppen trafen sich beim Galaabend mit Buffet und Tanz.

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Im März ist der Yachthafen unmittelbar vor dem Kongresszentrum in Damp noch fast leer, bald darauf wird er zu einem beliebten Ausgangspunkt für Segeltouren auf der Ostsee.

Wertvolle Daten von Embryotox

Prof. Dr. Walter Raasch, der Fortbildungsbeauftragte der Kammer, der den Kongress organisierte und moderierte, betonte die herausragende Bedeutung der Beratungsstelle Embryotox mit ihrer umfangreichen Datenbank. Deren Leiter Prof. Dr. Christof Schaefer, Berlin, stellte die Arbeit von Embryotox vor, die nur aus öffentlichen Mitteln finanziert werde. Schaefer betonte, über 40 Prozent der Schwangerschaften in Deutschland seien ungeplant – nicht ungewollt. Darum betreffe das Thema alle Frauen im gebärfähigen Alter, also etwa ein Viertel der Bevölkerung. Diese Frauen sollten vorzugsweise eher mit gut untersuchten und möglichst nicht mit den allerneuesten Arzneimitteln behandelt werden, empfahl Schaefer.

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Prof. Dr. Christof Schaefer

Außerdem mahnte Schaefer, es gebe keine Plazentabarriere. Jedes Arzneimittel gehe mehr oder weniger von der Mutter zum Ungeborenen über. Auch Arzneimittel mit guten Daten sollten nie als ganz unbedenklich für das Kind betrachtet werden. Doch manche Fachinformationen seien irreführend, weil sie nicht auf gute Daten über sichere Anwendungen verweisen. Beispielsweise sei Citalopram weltweit bestens untersucht und liefere beruhigende Ergebnisse, aber in Fachinformationen werde dies nicht erwähnt. Schaefer mahnte, Arzneimittel bei einer Schwangerschaft nicht unkritisch abzusetzen. Denn das Unterlassen einer Behandlung helfe nicht unbedingt dem Kind. Es gehe oft gerade nicht um ein Abwägen zwischen dem Wohl von Mutter und Kind.

Wenn eine solche Abwägung dennoch nötig sei, gehe als letzte Instanz das Selbstbestimmungsrecht der Frau vor, erklärte der katholische Moraltheologe Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl, Berlin. Denn die Schwangere dürfe nicht auf eine Funktionalität reduziert werden. Doch sie dürfe ihre Entscheidung nicht nach Gutdünken treffen, sondern nur gestützt auf Beratungen.

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Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl

Schilddrüse wesentlich für Hirnentwicklung

In weiteren Vorträgen ging es um einzelne Organsysteme oder Krankheiten. Dr. Karoline Schulz, Lübeck, erklärte, die Gehirnentwicklung des Ungeborenen hänge besonders im ersten Trimenon stark von der Schilddrüsenfunktion der Mutter ab. Erst ab der 13. Schwangerschaftswoche arbeite die Schilddrüse des Kindes. Da Jodmangel der weltweit wichtigste Grund für schlechte Hirnentwicklung sei, solle Jod möglichst schon präkonzeptionell abhängig von der Ernährung substi­tuiert werden. Das angeblich immunmodulatorische Selen sei jedoch bei Schwangeren nicht zu empfehlen, erklärte Schulz. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion der Mutter bestünden erhöhte Risiken für Komplikationen und kognitive Einschränkungen des Kindes. Darum müsse eine manifeste Unterfunktion behandelt werden. Bei einer Überfunktion sollte hingegen eine Schwangerschaft vermieden werden, bis eine Euthyreose erreicht ist.

Kognitive Einschränkungen, die in vielen Fällen eine selbstständige Lebensführung erschweren, resultieren auch aus dem fetalen Alkoholsyndrom als Folge des mütterlichen Alkoholkonsums, erklärte Prof. Dr. Hans-Ludwig Spohr, Berlin. Dies sei erst 1973 erkannt worden. Einige Merkmale in den Gesichtszügen der Kinder könnten bei der Diagnose helfen, aber es gebe nicht das eine sichere Diagnosekriterium. Spohr forderte absoluten Alkoholverzicht für Schwangere, räumte aber ein, dass ein einzelnes Getränk kein Alkoholsyndrom auslöse.

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Dr. Karoline Schulz

Immer mehr Biologika in der Schwangerschaft

Die Immunantwort verschiebt sich bei Schwangeren zu einer Th2-vermittelten Reaktion, berichtete Prof. Dr. Gabriela Riemekasten, Lübeck. Daher würden sich einige entzündliche Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis in der Schwangerschaft bessern. Dennoch würden viele und immer mehr Schwangere mit Biologika behandelt. Die Erfahrungen damit würden schnell zunehmen und seien tendenziell bei den meisten Biologika beruhigend. Methotrexat sollte möglichst schon drei Monate vor einer Schwangerschaft abgesetzt werden. Eine Umstellung der Rheumapatientinnen auf Cortison sei die schlechteste Wahl, weil es die Infektionsrate erhöhe, erklärte Riemekasten. Als bessere Alternative für Methotrexat und für weniger gut erforschte Biologika biete sich Certolizumab an, das mit guten Daten überzeuge. Certolizumab hat kein Fc-Fragment und werde daher nur minimal in den Fetus transportiert.

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Prof. Dr. Walter Raasch, Prof. Dr. Gabriela Riemekasten

Kontraindikation für ACE-Hemmer

Priv.-Doz. Dr. Dietmar Schlembach, Berlin, beschrieb die Therapie von Bluthochdruck bei Schwangeren. Dies sei das häufigste gesundheitliche Problem in der Schwangerschaft, 6 bis 8 Prozent der Schwangeren würden einen Gestationshypertonus und 2 bis 3 Prozent eine Präeklampsie entwickeln. Damit steige kurzfristig das Risiko für Komplikationen und langfristig für kardiovaskuläre Ereignisse. Bei Schwangeren mit Risikofaktoren sei die tägliche Gabe von niedrig dosiertem ASS eine evidenzbasierte Prophylaxe. Bei Blutdruckwerten über 160 mm Hg systolisch oder 110 mm Hg diastolisch müssten Schwangere sofort ins Krankenhaus eingewiesen werden. Doch die Blutdruckzielwerte seien etwas höher als sonst, denn zu geringer Blutdruck vermindere die Versorgung des Fetus. Sofern der Blutdruck gesenkt werde, müsse dies langsam geschehen. Das Antihypertonikum der ersten Wahl für Schwangere sei Methyldopa. Auch für Nifedipin lägen gute Daten zur Sicherheit vor. Dagegen sind ACE-Hemmer in der Schwangerschaft kontraindiziert, weil sie zu irreversiblen Nierenschäden beim Kind führen. Sie müssten daher nach Eintritt der Schwangerschaft abgesetzt werden. Bei einem ACE-Hemmer-Rezept für eine Schwangere müsse die Apotheke eingreifen. Auch Schaefer hatte zuvor betont, dass ACE-Hemmer und Sartane bei Schwangeren im ersten Trimenon abgesetzt werden müssen und in der weiteren Schwangerschaft nicht gegeben werden dürfen.

Der Gestationsdiabetes trete immer häufiger auf, weil der Anteil übergewichtiger und älterer Schwangerer zunehme, erklärte Dr. Helmut Kleinwechter, Kiel. Damit steige kurzfristig das Risiko für eine Präeklampsie und langfristig für einen Diabetes Typ II. Zur Behandlung würden oft Lebensstilmaßnahmen und Bewegung ausreichen. Das Risiko für einen späteren Diabetes könne durch Stillen deutlich gesenkt werden.

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Prof. Dr. Martin Smollich

Viele Supplemente mit guter Evidenz

Zur Ernährung riet Prof. Dr. Martin Smollich, Lübeck, Schwangere sollten als grobe Orientierung ab dem zweiten Trimenon etwa 250 Kilokalorien zusätzlich pro Tag essen. Auch eine optimale Ernährung biete für Schwangere keine ausreichende Folsäurezufuhr. Gegen Neuralrohrdefekte sei die Versorgung in den ersten vier Schwangerschaftswochen entscheidend. Daher sollten präkonzeptionell 400 IE und mindestens bis zur 12. Schwangerschaftswoche 600 IE Folsäure substituiert werden. Um Hirnschäden beim Kind zu vermeiden, sollten Schwangere außerdem Vitamin B12 ergänzen. Jod und Vitamin D sollten abhängig von den Ernährungsgewohnheiten ergänzt werden. Smollich warnte vor Algenpräparaten, in denen Jod gefährlich überdosiert sei. Auch Eisen müsse substituiert werden. Die Dosis richte sich nach den individuellen Hämoglobinwerten. Evidenz bestehe außerdem für die Supplementierung von Decosahexaensäure und täglich 10 mg Zink. Zinkdosen von mehr 25 mg täglich über längere Zeit seien jedoch teratogen und würden zu Kupfermangel führen. |

Goldene Ehrennadeln für Gerd Ehmen und Reinhard Boxhammer

tmb | Im Rahmen des Frühjahrskongresses der Apothekerkammer Schleswig-Holstein wurden Gerd Ehmen und Reinhard Boxhammer für ihre Verdienste um den Berufsstand mit der Goldenen Ehrennadel der Kammer ausgezeichnet.

Ehmen war jahrzehntelang in vielen Funktionen bei der Apothekerkammer und beim Apothekerverband Schleswig-Holstein sowie als Pharmazierat tätig. Sein Amt als zweiter stellvertretender Vorsitzender des Verbandes gab Ehmen 2009 auf, als er zum Kammerpräsidenten gewählt wurde. Nach zwei Amtszeiten kandidierte er bei der Kammerwahl 2018 aus Altersgründen nicht mehr. Sein Amtsnachfolger Dr. Kai Christiansen erklärte, die Goldene Ehrennadel spiegele nicht im Ansatz wider, was Ehmen für den Berufsstand getan habe. Er habe Ehmens ruhige, ausgeglichene und ausgleichende Art sehr bewundert. In seinen Dankesworten mahnte Ehmen die Politiker zu bedenken, dass ihre Beschlüsse den Menschen zeitnah nützen müssten und dass sie sich in der Gesundheit widerspiegeln müssten. Für die Apotheker gehe es darum, die Zukunft zu gestalten. Dazu könne es auch mal angebracht sein, ausgetretene Pfade zu verlassen.

Boxhammer war ebenfalls in verschiedenen Funktionen für die Kammer und den Verband tätig. Er war viele Jahre in der Kammerversammlung und im Haushaltsausschuss der Kammer, über zehn Jahre im Kammervorstand und in der vorigen Amtsperiode Vizepräsident der Kammer. Seine Apotheke in Norderstedt hat er 2017 abgegeben. Christiansen dankte Boxhammer, dass die Kammer auf seine hohe fachliche Qualifikation zurückgreifen durfte und dies noch immer dürfe. Boxhammer appellierte bei seinem Dank an die Apotheker, dafür zu sorgen, dass die Rezepturherstellung integraler Bestandteil der Arbeit jeder Apotheke bleibt und dass alle künftigen Apotheker dafür gut ausgebildet werden.

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Kammerpräsident Dr. Kai Christiansen (Mitte) verlieh die Goldene Ehrennadel der Apothekerkammer Schleswig-Holstein an seinen Amtsvorgänger Gerd Ehmen (links) und den ehemaligen Vizepräsidenten Reinhard Boxhammer (rechts).

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