Arzneimittel und Therapie

Den Trend nicht verschlafen!

Ein Gastkommentar zur neuen NVL Chronische Herzinsuffizienz von Olaf Rose

Dr. Olaf Rose, PharmD, Münster

Die neue Nationale Versorgungs­Leitlinie (NVL) Herzinsuffizienz greift die aktuellen Entwicklungen und Forschungsergebnisse auf und gibt Empfehlungen zu Diagnose- und Therapieentscheidungen [1]. Neben der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist die Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften Herausgeber, darunter auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker. Als Adressaten werden neben den Ärzten auch ausdrücklich die Pflegekräfte und die Apotheker genannt.

In der Therapie der Herzinsuffizienz wurden in den letzten Jahren zahlreiche Fortschritte erzielt. Hauptverantwortlich für diese Entwicklung sind zum einen die Bemühungen um eine Umsetzung der leitliniengerechten Therapie, zum anderen die Bildung von Netzwerken. Der Nutzen der Einbindung klinisch tätiger Apotheker und von „Heart Failure-Nurses“ konnte international gezeigt werden und findet nun Eingang in die NVL.

Eine für Pharmazeuten wichtige Änderung der zweiten Auflage der NVL ist die Aussage, dass alle Patienten mit Herzinsuffizienz einen bundeseinheitlichen Medikationsplan erhalten sollten – und zwar ausdrücklich in Abstimmung von Arzt und Apotheker. Ebenso findet sich ein eigener Abschnitt zur Einbindung von Apothekern in die Versorgung. Als pharmazeutische Tätigkeiten werden ein Medikationsabgleich, aber auch die Medikationsanalyse mit Prüfung der Medikation auf Interaktionen, Kontraindikationen und Doppelmedikationen angeführt. In die Prävention, Früherkennung und Therapiebegleitung sollen Apotheker eingebunden werden.

Allerdings werden hier keine konkreten Interventionen genannt, da man die Datenlage zweier internationaler Reviews für nicht ausreichend hält [2, 3].

Standard in der Pharmakotherapie bleibt die aufbauende dreifache neuro­humorale Blockade mit ACE-Hemmer oder Sartan, geeignetem Betablocker (Bisoprolol, Carvedilol oder Metoprololsuccinat) und Aldo­steron-Antagonist (Spironolacton, Eplerenon). Nach Symptomatik und Gewicht werden addierend Schleifendiuretika eingesetzt. Der duale Wirkstoff Sacubitril/Valsartan wird von der NVL nur dann empfohlen, wenn der Patient unter Standardtherapie noch symptomatisch ist. Diese Empfehlung wurde in Fachkreisen besonders genau verfolgt, da aufgrund der guten Studienergebnisse auch mit einem Erstlinien-Einsatz gerechnet werden konnte. Die Autoren der Leitlinie begründen die zurückhaltende Entscheidung mit einer begrenzten Datenlage, möglicherweise ist hier aber auch eine Kostenbetrachtung eingeflossen.

Bewertend lässt sich festhalten, dass im Bereich Herzinsuffizienz derzeit große Therapieerfolge vor allem durch Optimierungen in der Versorgung erzielt werden. Die Kardiologen öffnen sich dem internationalen Trend folgend derzeit für eine Netzwerkbildung mit anderen Disziplinen. Für die Apothekerschaft ist es entscheidend, diesen Trend nicht weiter zu verschlafen und sich dringend mit konkreten, von der Abgabe von Packungen losgelösten Services zum Patientenwohl einzubringen. Hier wird das Feld derzeit neu bestellt, bestehende Versorgungsdefizite auch in der Medikation (Schulung, Adhärenzförderung, Dosisanpassung) werden zunehmend von spezialisierten Pflegekräften übernommen. Vor diesem Hintergrund ist es besonders lobenswert, dass sich die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker in die Erstellung der NVL eingebracht hat und in die weitere Entwicklung einbezogen ist. Konkrete, idealerweise wissenschaftlich begleitete Konzepte müssen nun folgen. Die Erfahrungen aus der PHARM-CHF Studie der ABDA könnten sich hier bewähren.

Literatur

[1] Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V., Deutsche Diabetes Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Deutsche Gesellschaft für Geriatrie et al. NVL Chronische Herzinsuffizienz – Langfassung, 2. Auflage: Bundesärztekammer (BÄK); Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV); Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF); 2017

[2] Koshman SL, Charrois TL, Simpson SH, McAlister FA, Tsuyuki RT. Pharmacist care of patients with heart failure: A systematic review of randomized trials. Arch Intern Med 2008;168:687–694 doi:10.1001/archinte.168.7.687

[3] Kang JE, Han NY, Oh JM, Jin HK, Kim HA, Son IJ, Rhie SJ. Pharmacist-involved care for patients with heart failure and acute coronary syndrome: A systematic review with qualitative and quantitative meta-analysis. J Clin Pharm Ther 2016;41:145–157, doi:10.1111/jcpt.12367

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