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„Im BfArM wird es kein Cannabis geben“

Cannabisagentur ist kein Zwischenlager für Medizinalhanf, sondern nur Kontrollorgan

rr/ks | Am vergangenen Freitag stellte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) offiziell seine neue Abteilung, die „Cannabisagentur“, vor. Worin genau liegen ihre Aufgaben?

Das neue „Cannabis-Gesetz“ soll Schwerkranken unter bestimmten Voraussetzungen zu einem leichteren Zugang zu Cannabis als Medizin auf Kassenkosten verhelfen. Das Gesetz ist allerdings nicht zum 1. März in Kraft getreten, wie einige Medien überstürzt meldeten. Bis Redaktionsschluss stand es noch nicht im Bundesgesetzblatt.

Neue Abteilung im BfArM

Das BfArM präsentiert sich derweil auf die neuen Aufgaben vorbereitet. Wie im Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe gefordert, hat es eine Cannabisagentur eingerichtet, die den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland steuern und kon­trollieren soll. Dabei handelt es sich um keine eigenständige Institution, sondern um ein neues Fachgebiet in der BfArM-Abteilung „Besondere Therapierichtungen“. Sie wird eng mit der Bundesopiumstelle zusammenarbeiten, die wie bisher die Importe von Cannabis überwacht und für betäubungsmittelrechtliche Fragen zuständig ist. In deren Aufgabenbereich fällt künftig auch die Begleiterhebung: Über einen Zeitraum von fünf Jahren sollen anonymisiert Daten zu Diagnose, Dosis und Nebenwirkungen von Cannabis gesammelt werden. BfArM-Präsident Professor Karl Broich verbindet große Hoffnung mit der Erhebung. Er setzt auf Wirksamkeitsnachweise und neue Erkenntnisse, etwa zum Einsatz in weiteren Indikationen.

Eine der ersten Aufgaben der Cannabis­agentur wird es sein, ein EU-weites Ausschreibungsverfahren für Lizenzen zum geregelten Anbau von Cannabis in Deutschland anzustoßen und anschließend Aufträge an geeignete Unternehmen zu vergeben. Ziel ist, künftig die Versorgung schwerkranker Patienten mit in Deutschland angebautem Cannabis in pharmazeutischer Qualität sicherzustellen. Cannabis darf in Deutschland ausschließlich zu medizinischen Zwecken entsprechend den Vorgaben der „Guten Praxis für die Sammlung und den Anbau von Arzneipflanzen“ (Good Agricultural and Collec­tion Practice, GACP) angebaut werden und muss die Vorgaben der relevanten Monographien und die Anforderungen der Arzneibücher erfüllen. Die Cannabisagentur wird die produzierte Menge Cannabis vollständig aufkaufen und ist damit aus arzneimittelrechtlicher Sicht ein pharmazeutischer Unternehmer, der allerdings keinen Profit machen darf. Transport und Lagerung der Ernte werden von den Anbaubetrieben bzw. den weiteren beauftragten Unternehmen durchgeführt. Im BfArM selbst wird kein Cannabis gelagert, betonte Broich.

Erste Ernte im Jahr 2019

Noch ist eine Produktion von deutschem Medizinalcannabis Zukunftsmusik. Bis zur ersten Ernte in etwa zwei Jahren wird der Bedarf über Importe gedeckt. Derzeit wird in den Niederlanden und in Kanada bestellt, aber grundsätzlich kann Cannabis aus jedem Land importiert werden, das Cannabis zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle anbaut und in Arzneimittelqualität anbietet. Hierzulande profitiert man von den Erfahrungen im Ausland und holt sich Anregung, wie der Anbau von Cannabis ablaufen kann. Plantagen sind ebenso denkbar wie Gewächshäuser und Gebäude, vorausgesetzt, sie befinden sich in Deutschland. Zur Preisbildung gab es aus wettbewerbsrechtlichen Gründen keinen Kommentar, da erst das Ausschreibungsverfahren abgewartet werden müsse.

Kein Ansturm erwartet

Mit dem neuen Gesetz werden die Kosten für die Therapie mit Cannabis-Blüten, -Extrakten, Zubereitungen mit Dronabinol und Nabilon sowie Fertigarzneimitteln auf Cannabis-Basis von den gesetzlichen Krankenkassen im Regelfall übernommen. Eine Kalkula­tion der zu erwartenden und benötigten Verbrauchsmenge ist derzeit schwierig. Es muss beobachtet werden, wie sich das Verschreibungs­verhalten der Ärzte entwickelt. Das BfArM erwartet aber keinen „plötzlichen Dammbruch“ mit sprunghaft steigenden Verordnungszahlen, da die Therapieoption nur solchen Patienten eröffnet werden soll, die mit anderen verfügbaren Arzneimitteln nicht zufriedenstellend therapiert werden können. Derzeit orientiert man sich am Bedarf der 1000 Patienten mit Ausnahmegenehmigung: Bei einer durchschnittlichen Tagesdosis von 1 g bräuchte man insgesamt 365 kg Cannabis-Blüten pro Jahr, um ihre Versorgung weiterhin sicherzustellen.

Mit dem neuen Gesetz liegt die Entscheidung, ob ein Patient eine Cannabis-Therapie erhält oder nicht, nicht mehr bei einer Behörde, sondern in ärztlicher Hand. „Da gehört sie auch hin“, unterstrich Dr. Peter Cremer-Schaeffer, Leiter der Bundesopiumstelle. Das nötige Wissen dafür müssen sich die Ärzte jedoch selbst beschaffen. Das BfArM stellte klar, dass es nicht zu Therapiefragen berät. |

Quelle

Cannabis als Medizin: Das BfArM und seine Aufgaben. Pressekonferenz am 3. März 2017 in Berlin

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