Adexa-Info

Bürgerversicherung: Gerechtigkeit versus Arbeitsplätze

Studie entwirft Szenarien des System-Umbaus

Eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie stellte die Frage: Welche Auswirkungen hätte der Übergang von einem zweigeteilten System mit GKV und PKV zu einer Bürgerversicherung auf die Situa­tion der Beschäftigten bei den pri­vaten Versicherern? Das Ergebnis: Was für die Versichertengemeinschaft gerechter und solidarischer wäre, führt zu mehr oder weniger großen Arbeitsplatzverlusten, die kaum anderweitig kompensiert werden können.

SPD, Grüne und Linke plädieren schon lange für eine einheitliche Bürger­versicherung, wie sie in ganz Europa sonst üblich ist. Der Wirtschaftswissenschaftler Martin Albrecht und sein Team vom IGES Institut haben in vier Szenarien die Folgen eines System-Umbaus abgeschätzt – und kamen auf Arbeitsplatzverluste, die die Abwicklung von Kaiser’s Tengelmann weit in den Schatten stellen. Sie beträfen von den rund 68.000 Beschäftigten in der PKV (Stand 2014) je nach Szenario zwischen 22.700 und 51.000 innerhalb der nächsten zehn Jahre. Im Szenario, das die Autoren als am günstigsten bewerten (s. Kasten), würde immerhin ein Drittel der Stellen wegfallen.

Der Weg zur Bürgerversicherung: Dieses Szenario befürworten die IGES-Forscher

In diesem Übergangsszenario würden die gesetzlichen Krankenkassen und die privaten Krankenversicherer auf einem gemeinsamen Markt agieren – unter den gleichen Wettbewerbsbedingungen. Sie wären auch in einen gemeinsamen Risikostrukturausgleich einbezogen. Kunden hätten bessere Chancen, die Versicherung zu wechseln. Damit würde sich ein Trend weiter verstärken: Immer mehr Menschen wechseln von der PKV in die GKV.

Wer nun hofft, dass die PKV-Angestellten in der GKV eine neue berufliche Heimat finden können, wird in der Studie eines Schlechteren belehrt. Das Potenzial, um diesen Stellenabbau im Versicherungsbereich auszugleichen, sei gering. „Kompensierende Beschäftigungseffekte in der GKV wurden ebenfalls als unrealistisch angesehen“, schreiben die Autoren. So sei das Zusatzversicherungsgeschäft in der GKV vernachlässigbar. Und die zusätzlichen Versicherten, die aus der PKV in die GKV wechseln, könnten ­allenfalls den Personalabbau in der GKV verlangsamen, aber nicht zu ­einem Personalaufbau führen.

Foto: Thomas Reimer – Fotolia.com

Was wiegt schwerer?

Auf der einen Seite steht also eine fünfstellige Zahl an Arbeitsplätzen im privaten Versicherungsgewerbe, das bereits seit Jahren unter Druck steht. Auf der anderen Seite geht es um die Interessen der Versicherten – und zwar nicht nur derjenigen in der GKV. Denn wer bisher auf die PKV gesetzt hat, sieht sich derzeit häufig gravierenden Beitragssteigerungen gegenüber – aber die Wechseloptionen in ­eine gesetzliche Kasse sind rar.

Beiträge könnten sinken

Für die Solidargemeinschaft in der GKV wäre es in jedem Fall günstiger, wenn auch die leistungsstärkeren Beschäftigten (Beamte, Selbstständige, Gutverdiener) in das gleiche System einzahlen würden. „Die Krankenkassenbeiträge könnten in einem einheitlichen System mit solidarisch finanzierten Leistungen für alle Versicherten um durchschnittlich ein bis drei Prozentpunkte sinken, wie verschiedene Studien zeigen“, heißt es in der Pressemeldung der Hans-Böckler-Stiftung zur vorliegenden Studie. Darüber hinaus versprechen sich die Befürworter der Bürgerversicherung einen Ausstieg aus der Zwei-Klassen-Medizin. |

sjo

Quellen

Böckler-Impuls 17/2016

Martin Albrecht u.a.: Transformationsmodelle einer Bürgerversicherung. Studie der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 332, Oktober 2016

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.