Die Seite 3

Volles Bürokratieprogramm

Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Seit 2011 muss beim Beitritt zu einem Hilfsmittelliefervertrag eine Präqualifizierung nachgewiesen werden. Apotheken und andere Leistungserbringer dürfen daher nur solche Hilfsmittel an GKV-Patienten abgeben, für die sie präqualifiziert sind. Diese sozialrecht­liche Bestimmung mutet apothekenrechtlich erstaunlich an. Denn es geht um Produkte, die gemäß Apothekenbetriebsordnung apothekenüblich sind. Anderenfalls dürften Apotheken sie gar nicht im Sortiment haben. Der Ärger über diese übertriebene Bürokratie und die Kosten des Verfahrens waren etwas in Vergessenheit geraten. Doch nun wird das Thema wieder aktuell. Denn fünf Jahre nach der ersten Präqualifizierung ist nun die Re-Präqualifizierung fällig.

Jetzt müssen sich die Apothekenteams erneut mit dem vollen Bürokratieprogramm dieses Verfahrens herumschlagen. Eine Orientierung dazu bietet der Beitrag „Erneute Prüfung – Das Re-Präqualifizierungsverfahren zur Hilfsmittelabgabe“ auf Seite 24, der einige Fallstricke aufzeigt. Dies ist zugleich eine Erinnerungshilfe. Denn es gilt Fristen zu wahren. Die Re-Präqualifizierung darf frühestens sechs Monate vor Ablauf der Präqualifizierung beantragt werden, muss aber bis zum Ablauf erledigt sein. Anderenfalls wäre die Apotheke in der Zwischenzeit nicht lieferberechtigt und es würde eine neue Retaxfalle drohen.

Solange diese Regeln gelten, bleibt den Apotheken, die trotz immer geringerer Margen weiterhin Hilfsmittel liefern möchten, keine andere Wahl, als sich auf dieses Verfahren einzulassen. Doch die Re-Präqualifizierung sollte zugleich eine Mahnung sein, berufspolitisch weiter auf Änderungen hinzuwirken. Bei der Re-Präqualifizierung wird das Ausmaß der bürokratischen Überregulierung sogar noch deutlicher als beim ersten Verfahren.

Denn alle Belege müssen erneut vorgelegt werden. Der Hinweis auf das Fortbestehen der bisherigen Voraussetzungen reicht nicht aus. Apotheken müssen erneut auch solche Voraussetzungen nachweisen, ohne die eine Betriebserlaubnis nicht erteilt würde. Als Begründung dafür kursiert der Gedanke, es sollte keine bevorzugte Sonderbehandlung gegenüber anderen Leistungserbringern geben. Doch diese Regel zeigt auch, dass die besonderen Eigenschaften von Apotheken nicht überall hinreichend bekannt sind. Die Kompetenzen der Apotheker und ihrer Teams überall deutlich zu machen, bleibt eine dringende Aufgabe für die Berufspolitik und jede einzelne Apotheke.

Außerdem bleibt der Auftrag des Deutschen Apothekertages 2015 bestehen, Apotheker sollten allein aufgrund ihrer Qualifikation zur Abgabe bestimmter Hilfsmittel berechtigt sein. Die ABDA berichtete dazu in ihrer Nachlese vom Juni 2016, sie habe sich intensiv für diese Forderung eingesetzt und Produktgruppen genannt, für die Apotheker aufgrund ihrer Ausbildung qualifiziert sind. Doch die Reaktion der Politik steht aus. Daher bleibt den Apotheken derzeit nur die Wahl zwischen Re-Präqualifizierung und Verzicht auf Hilfsmittel im Sortiment. Und es bleibt die Hoffnung, dass die Re-Re-Präqualifizierung im Jahr 2021 ohne die Apotheken stattfinden kann, weil die GKV und die Politik bis dahin von der Leistungsfähigkeit der Apotheken auch im Hilfsmittelbereich komplett überzeugt sind.

Dr. Thomas Müller-Bohn


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