Rezension

Die Spreu vom Weizen trennen

Woran erkennt man eine gute klinische Studie?

Täglich stellt sich die Frage: Wie kann das Ziel einer optimalen ­individuellen und evidenzbasierten Versorgung gewährleistet werden? Nicht jedes Arzneimittel ist es wert, in das Sortiment aufgenommen zu werden, andererseits ist auch ein gut untersuchtes Präparat nicht für jeden Patienten in seiner Situation geeignet.

Hinzu kommt noch die allgemeine Frage: Woher kommen die verfügbaren Informationen und wie glaubwürdig sind sie? Handelt es sich bei den Aussagen der Werbung und Pharmareferenten tatsächlich um belastbare Fakten – oder doch nur um merkantile Folklore aus einer Marketingabteilung? Um sich eine eigene, fundierte Meinung bilden zu können, sind drei Dinge ­wesentlich: erstens die Schärfung des ­eigenen kritischen Blicks, zweitens ­Instrumente, mit denen sich gute von schlechten sowie zielführende von ­ungeeigneten Informationen leicht ­unterscheiden lassen und drittens die eigene Fähigkeit zur Recherche.

Durch das Buch „Klinische Studien kritisch lesen“ werden diese drei wichtigen Tools zugänglich gemacht: Die Autorin widmet sich in der ersten Hälfte des Buches der inneren Validität von klinischen Studien. Zugrunde liegt die Frage „Wie muss eine Studie angelegt sein und durchgeführt werden, damit man den Ergebnissen trauen kann.“ Dazu werden die verschiedenen Studientypen klar beschrieben und gut verständlich voneinander ­abgegrenzt. Anhand praxisnaher Beispiele werden die Grenzen der einzelnen Designs herausgestellt: Nicht jeder Studientyp ist geeignet, um einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Arzneimittelanwendung und einem verbesserten Gesundheitszustand aufzuzeigen. Wichtig für die Bewertung in der Apotheke ist die Kenntnis der möglichen störenden oder verzerrenden Einflüsse (Bias und Confounder), welche anhand anschaulicher ­Beispiele verdeutlicht werden. Auch die Bedeutung der Verblindung, des Cross-over-Designs und der unterschiedlichen Evidenzhierarchien wird praxisrelevant verdeutlicht. Zu den größten Aha-Momenten zählt eindeutig das Kapitel „Die Größe des therapeutischen Effektes beurteilen“. Anhand vieler Zahlenbeispiele wird der Unterschied zwischen der relativen und absoluten Risikoreduktion verblüffend deutlich, ebenso die Kenn­größen zu Nutzen (NNT) und Risiken (NNH) einer therapeutischen Intervention. Didaktisch sinnvoll sind an dieser Stelle die Übungsaufgaben zur weiteren Sensibilisierung sowie die Lösungen im Anhang des Buches. Hat man bisher nur erschwerten Zugang zur angewandten Statistik gefunden, so vermitteln die pragmatisch klaren Erläuterungen der wesentlichen statistischen Tests und Größen (z. B. p-Wert, Fehler 1. und 2. Art, Konfidenzintervalle, Forest-Plot) neue Klarheit und einen Überblick.


Iris Hinneburg

Klinische Studien kritisch ­lesen

Therapiestudien, Übersichtsarbeiten, Leitlinien

ISBN 978-3-8047-3419-7

XII, 111 S., 22 farb. Abb., 13 farb. Tab., Kartoniert, 19,80 Euro

Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2015

Bestellen Sie einfach unter: Deutscher Apotheker Verlag, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart, 
oder Tel. 0711 2582 350, 
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In der zweiten Hälfte des Buches erweitert sich der Fokus auf die externe Validität, also die klinische Alltagsrelevanz der Ergebnisse und die Grenzen der Übertragbarkeit auf den individuellen Fall. Bekanntlich ist „eine Studie keine Studie“, und aus diesem Grund widmet sich die Autorin konsequent den Möglichkeiten und Grenzen von systematischen Übersichtsarbeiten, Metaanalysen und Leitlinien. Eine wahre Erleichterung bei der eigenen Bewertung einer solch komplexen ­Informationsfülle bieten die verschiedenen Checklisten im Anhang des ­Buches, mit denen ­Publikationen selbständig auf den Zahn gefühlt werden kann.

Abschließend widmet sich der letzte Teil der eigenen Recherche in der Apotheke. Beispielhaft wird eine Patientenanfrage anhand der strukturierten Eigenrecherche mit dem PICO-Schema bearbeitet und die Möglichkeiten der Eingrenzung durch den Einsatz von Filterfunktionen am Beispiel von PubMed gezeigt. Beides macht Lust auf eine eigene Onlinesuche – unterstreicht allerdings auch die Notwendigkeit ­regelmäßig zu üben, um sicher und in vertretbarer Zeit zu qualitativ hochwertigen Antworten zu gelangen.

Die Basis einer guten Versorgung der Kunden in der Apotheke bilden die hohe Glaubwürdigkeit und die Unabhängigkeit bei der Beratung und Arzneimittelauswahl. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden kann das Buch „Klinische Studien kritisch lesen“ jedem heilkundig orientierten Apotheker wärmstens empfohlen werden! |

Apotheker Christian Schulz, Hiddenhausen

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