Arzneimittel und Therapie

Bei Rückenschmerzen wirkungslos?

Schmerztherapie mit Paracetamol besitzt keinen Vorteil gegenüber Placebo

Laut gesetzlicher Krankenkassen stellen Rückenbeschwerden eine der häufigsten Gründe für Krankschreibungen dar. Etwa jeder dritte Deutsche leidet unter Rückenschmerzen. Paracetamol ist dabei ein gängiges Mittel, um leichte bis moderate akute Beschwerden zu lindern und ist dazu rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Neue Ergebnisse einer klinischen Studie aus Australien lassen jetzt jedoch Zweifel aufkommen, ob die leitlinienkonforme Therapie mit Paracetamol bei akuten Rückenschmerzen tatsächlich sinnvoll ist.

Schmerzen im Rücken können vielseitige Gründe haben, die von körperlichen (Verschleiß, Fehlstellung, Entzündung) bis psychosomatischen (Depressionen, Angst, Stress) Ursachen reichen. Akute Rückenschmerzen dauern über einen maximalen Zeitraum von sechs Wochen an, chronische Rückenschmerzen sind dagegen ab einer Schmerzdauer von mindestens zwölf Wochen definiert. Um die Schmerzen nicht zu provozieren, vermeiden Patienten oftmals bestimmte Haltungen und bevorzugen körperliche Schonung. Nach und nach verschlimmern sich so jedoch die Rückenbeschwerden, da sich die Muskulatur zurückbildet und Ausdauerdefizite entstehen. Ziel einer Therapie akuter Rückenschmerzen ist es daher, den Drang zu Bewegungslosigkeit zu durchbrechen und damit einer Chronifizierung der Schmerzen vorzubeugen. Dabei kommen neben einer intensiven Schulung der Patienten vor allem auch einfache Schmerzmittel zum Einsatz. Patienten sollen so schnell in die Lage versetzt werden, ihre Alltagstätigkeiten wieder aufnehmen zu können [1].

Rezeptfreie, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) werden zwar häufig angewandt, jedoch weist diese Arzneistoffgruppe einige störende Nebenwirkungen wie Magenreizungen auf, sodass ihr Einsatz bei diversen Patientengruppen nicht zu empfehlen ist. Alternativ wird daher oftmals Paracetamol eingesetzt, obwohl hier eine geringere schmerzlindernde Wirkung bekannt ist. Inwiefern Paracetamol überhaupt zu einer vorzeitigen Symptomfreiheit bei akuten Rückenschmerzen beiträgt, war bislang relativ unklar, da aussagekräftige Studien hierzu fehlten.

Im Zuge der multizentrischen, randomisierten, doppelt-verblindeten Paracetamol for Low-Back Pain Study (PACE) wurde nun dieser Frage nachgegangen und die Genesungszeit bei einer Paracetamol-Behandlung gegen Placebo verglichen [2].

Gute Ratschläge und Schulung wichtiger als Medikamente?

Hierfür wurden im Zeitraum von 2009 bis 2013 in 235 ärztlichen Pflegezentren insgesamt 1652 Patienten mit Schmerzen im unteren Kreuz untersucht, wobei jeweils ein Drittel der Personen entweder für bis zu vier Wochen eine vordefinierte Dosierung von dreimal täglich Paracetamol (täglich 3990 mg) erhielt, oder das Schmerzmittel bei Bedarf anwendete (maximal 4000 mg/Tag) bzw. lediglich mit Placebo-Präparaten therapiert wurde. Innerhalb der Nachbeobachtungszeit von drei Monaten erhielten die Probanden zudem eine adäquate Schulung durch das medizinische Personal. Zusätzlich wurden die Patienten darüber aufgeklärt, dass akute Rückenschmerzen schnell und ohne Komplikationen abklingen können. Als Genesung wurde Symptomfreiheit in sieben aufeinander folgenden Tagen definiert, wobei diese patientenindividuell über eine Schmerzskala ermittelt wurde. Durchschnittlich zeigten beide Patientengruppen mit Paracetamol-Behandlung nach 17 Tagen die erhoffte Schmerzfreiheit, wohingegen die Placebo-Gruppe sie bereits nach 16 Tagen erreichte. Dieser Unterschied wies jedoch keine Signifikanz auf. Auch hinsichtlich der akuten Schmerzen, der Beweglichkeit oder der Schlaf- und Lebensqualität zeigte sich kein Vorteil in den Paracetamol-Gruppen gegenüber Placebo. Die Rate an Nebenwirkungen war in keiner der Patientengruppen signifikant verändert. Auch wenn die Studie Schwächen aufweist – so wurde beispielsweise die maximal mögliche Tagesdosis von 4000 mg/Tag nicht ausgeschöpft, sondern im Durchschnitt nur 2660 mg/Tag eingenommen – weisen die Ergebnisse der PACE-Studie darauf hin, dass die regelmäßige oder bedarfsorientierte medikamentöse Therapie mit Paracetamol im Vergleich zu Placebo keinen Einfluss auf die Dauer der Genesung hat. Nach Ansicht der Autoren ist demnach eine Anpassung der Leitlinien zur akuten Behandlung von Schmerzen im unteren Rückenbereich notwendig, da im Gegensatz zu diversen anderen Schmerzzuständen wie Kopfschmerzen,Paracetamol nachweislich keine positiven Effekte auf die Lebensqualität der Patienten mit Rückenschmerzen ausübt, weder zu Beginn der Therapie, noch im weiteren Verlauf der Behandlung. Inwiefern die persönliche Betreuung und die positiven Ratschläge durch das medizinische Personal die Effekte wirkstoffloser Präparate zusätzlich positiv beeinflussten, bleibt noch offen. Die Tatsache, dass sich die Probanden dieser Studie schneller erholten als vergleichbare Kohorten mit Rückenschmerzen weist darauf hin, dass die intensive Betreuung eine Rolle spielen könnte. Da auch andere Analgetika wie NSAR in der Behandlung von Rückenschmerzen Placebo nicht deutlich überlegen sein sollen, ist für die Autoren nicht klar, ob überhaupt ein Analgetikum als First-line-Behandlung zu empfehlen ist. Der Fokus sollte auf einer intensiven Beratung und Betreuung liegen. 

Quellen:

[1] www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/nvl-007.html (Version vom 25.07.2014)

[2] Williams CM:Efficacy of paracetamol for acute low-back pain: a double-blind, randomised controlled trial. The Lancet 2014; Published Online July 24, 2014 http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(14)60805-9.

 

Apotheker André Said

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